Liebe Leserin, lieber Leser

Der Mann kämpft. Auch wenn das Spiel verloren scheint. Letzte Woche publizierte unser Schwesterblatt «Weltwoche» ein VR-Protokoll der Crossair vom 22. Oktober 2001, das Gründervater Moritz Suter als Präsident unterschrieben hatte, «das entscheidende Protokoll der Swiss-Geburtsstunde» – der Beweis, dass die Bundesräte Moritz Leuenberger und Kaspar Villiger Suter und seinen VR geradezu erpresst haben, dem Bussinessplan Phoenix+ für eine neue nationale Airline zuzustimmen. Entweder akzeptiere Suters VR den Businessplan, oder es stelle sich «die Frage, ob der Bund die beträchtlichen Geldbeträge sprechen könne».

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Nicht der Inhalt des Protokolls birgt den Zündstoff – in grossen Zügen ist dieser bekannt, erstmals publiziert in der BILANZ 10/2003. Mich beschäftigen zwei andere Fragen: Warum hat Suter seine Zustimmung nicht verweigert, wenn dies in seinen Augen ein Himmelfahrtskommando darstellte? Und warum taucht dieses Dokument ausgerechnet jetzt wieder auf? In einer Zeit, da die Swiss eine Auslagerung der alten Crossair-Flotte diskutiert und Suter damit konfrontiert ist, dass die Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit zwei Abstürzen von Crossair-Maschinen gegen ihn und weitere Crossair-Manager beim Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt eine Voruntersuchung beantragt hat, wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger schwerer Körperverletzung?

Alles Zufall? Versuch einer Deutung. Die nahe liegende Erklärung zur ersten Frage: Suter hat sich den Bundesräten gebeugt, weil er dem Druck der Öffentlichkeit nicht standhielt, und liess deshalb festhalten, dass er und sein VR von den Verantwortlichkeiten dieses Projekts zu entbinden seien. Das wäre plausibel, würde nicht ein Detail stören: Tage nach dem Entscheid des Crossair-VR trifft Suter den Bankier Rainer E. Gut, der mit der Bestückung des VR der zu gründenden Airline betraut ist, und bittet um Aufnahme in dieses Gremium. Doch Gut sagt Nein – die privaten Investoren zögen andernfalls ihre finanziellen Zusagen zurück. Es bleibt Suters Geheimnis, weshalb er in einen VR drängte, der einen Businessplan umzusetzen hatte, den er ablehnte.

Warum aber kursiert das Crossair-Protokoll jetzt, obwohl der Inhalt bekannt ist? Weil ein blendender Taktiker die Fäden zieht, so wie schon oft in der Vergangenheit? 1988 etwa wird in Bern ein neues Luftfahrtgesetz beraten, das der Swissair ein Monopol für Flugzeuge mit über 50 Plätzen garantieren soll. Im beratenden Gremium sitzt auch Suter, und er sieht die Expansionsmöglichkeiten seiner Crossair in Gefahr. Tage später baut ein mit ihm befreundeter Journalist öffentlichen Druck auf und macht den Entwurf publik. Danach verkauft Suter die Mehrheit seiner Crossair an die Swissair. Seine Aktionäre, die vorgängig eine Kapitalerhöhung zu beschliessen haben, klärt er nicht darüber auf, dass sie Hand geboten haben zur Verscherbelung der Firma, deren Besitzer sie sind. Und der Passus verschwindet aus dem Gesetzesentwurf. Ein zweiter Fall: Als Swissair-Chef und Crossair-Präsident Philippe Bruggisser 2001 entlassen wird, bringt sich Suter als neuer Crossair-Präsident wieder ins Spiel zurück und nimmt erneut prägenden Einfluss.

Die Moral von der Geschicht? Möglicherweise versucht sich Suter erneut in Position zu bringen. Doch jetzt, wo die Swiss mit Christoph Franz erstmals über einen Piloten verfügt, der nicht in der Swissair-Crossair-Historie verheddert ist, sollte der Geist der Vergangenheit bleiben, wo er hingehört: in der Mottenkiste der Historie.