Meldungen wie «Lieferant verursacht Bandstillstand im Automobilwerk» oder «Wegen fehlender Teile können Produkte nicht an Kunden ausgeliefert werden» bereiten nicht nur Logistik-, Produktions- und Einkaufsmanagern Probleme und zusätzliche Arbeit. Vielmehr rütteln derartige Meldungen auch Geschäftsführer, Mitglieder von Konzernleitungen und Eigentümer wach. Denn Umsatzeinbussen, Gewinnausfälle und Imageschäden können die Unternehmen stark treffen.

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Gefährdete Autozulieferer

Nicht selten sind Unterbrechungen der Zulieferkette die Ursache für solche Phänomene. Lieferantenausfälle können vielfache Gründe haben. Diese reichen von Verknappungen auf den Rohstoffmärkten (wie in den letzten Jahren immer wieder bei Metallen), Streiks bei Zulieferbetrieben bis zur Insolvenz von Lieferanten. Insbesondere Lieferantenausfälle aufgrund von Insolvenzen werden zunehmend zum Problem.

Beispielhaft sei die Automobilzulieferindustrie genannt. Diese stellt laut einer aktuellen Studie des Swiss Center of Automotive Research der ETH Zürich auch in der Schweiz einen bedeutenden Industriezweig dar. Bereits im Jahr 2006 schätzt die Fachzeitschrift «Automotive News», dass sich 38% der nordamerikanischen Automobilzulieferer in «finanzieller Gefahr» befinden und vor einem Konkurs stehen. Die Ratingagentur Moody‘s klassifiziert 67% der Automobilzulieferer als «spekulativ» ein.

Bei 30% der Zulieferer wird das Rating noch nach unten korrigiert werden. Die aktuell angespannten Finanz- und Kreditmärkte dürften zudem viele Zulieferer finanziell noch stärker in Bedrängnis bringen, wenn der Zugang zu Kapital weiter erschwert wird. Prominente Beispiele für insolvente Zulieferer sind Collins & Aikman, Dana, Federal-Mogul, Meridian Automotive Systems, Tower Automotive, Sachsenring Zwickau, Schefenacker oder Sidler.

In unserer Forschung an der ETH Zürich konnten wir unterschiedliche Entwicklungsstufen beim Risikomanagement beobachten (siehe Abbildung). Viele Unternehmen haben überhaupt keine Systeme oder Prozesse zur Vermeidung von finanziell bedingten Ausfällen von Lieferanten. Diese Unternehmen werden am härtesten von den Folgen getroffen.

Den Einstieg in ein Risikomanagement bildet oft die Analyse und Bewertung der Jahresabschlüsse der unmittelbaren Zulieferer (Tier-1) und der Einsatz von Ratings (beispielsweise Euler Hermes, Creditreform) mit dem Ziel der Identifikation kritischer Lieferanten. Das Ausfallrisiko bei den kritischen Lieferanten kann dann mit Massnahmen reduziert werden.

Aufbau eines Frühwarnsystems

Die Schwächen dieser ersten Entwicklungsstufe liegen darin, dass lediglich die unmittelbaren Vorlieferanten betrachtet werden, obgleich Ausfälle bei vorgelagerten Lieferanten zu ähnlich schwerwiegenden Lieferausfällen führen können. Weiter basieren die hinzugezogenen Informationen auf vergangenen Daten (Jahresabschlüsse) und können bei volatilen Märkten keine verlässliche Aussage über die Zukunft bieten. Kritische Lieferanten werden zu spät identifiziert.

Die nächste Entwicklungsstufe eines Risikomanagements bildet häufig der Aufbau eines Frühwarnsystems. Zusätzlich zu den vergangenheitsgerichteten Finanzkennzahlen werden strategische und operative Indikatoren (Key Performance Indikatoren) zur Messung der Situation der Lieferanten definiert. So können Lieferverzögerungen, Schwankungen in der Lieferpünktlichkeit oder steigende Reklamationsquoten frühe Anzeichen von finanziellen Problemen beim Lieferanten sein. Die Indikatoren können auch qualitative Faktoren (etwa Managementkompetenz) erfassen. Werden negative Warnzeichen vom Abnehmer erkannt, kann er frühzeitiger Massnahmen ergreifen.

Wenn bei den bisherigen Entwicklungsstufen nur die unmittelbaren Zulieferer (Tier-1) erfasst werden, kann das Risikomanagement im nächsten Schritt auf die Vorlieferanten ausgeweitet werden. In der Automobilindustrie war die Lieferantenentwicklungsorganisation bei BMW eine der Ersten, die diese Entwicklungsstufe erreichte. Auf Basis einer Risikoabschätzung entlang der Prozesskette kann BMW so die Tier-1-Lieferanten bei deren Unterlieferantenauswahl unterstützen. Da die Anzahl der Lieferanten in der Zulieferkette stark zunehmen kann, je weiter man sich vom eigenen Unternehmen entfernt, muss das Risikomanagement in der Lage sein, diese Komplexität im System abzubilden und grössere Datenmengen zu verarbeiten.

In der vierten und letzten Entwicklungsstufe wird das Ausfallrisiko von Lieferanten nicht nur individuell, sondern im Lieferantenportfolio beurteilt. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass Lieferantenausfälle nicht unabhängig voneinander sind. Vielmehr bestehen Ausfallabhängigkeiten zwischen den Lieferanten eines Unternehmens. Der Ausfall eines Lieferanten in einer bestimmen Warengruppe ist ein Warnzeichen dafür, dass auch andere Lieferanten in derselben Warengruppe ausfallen können. Die Abschätzung dieser Ausfallabhängigkeiten stellt eine schwierige, aber notwendige Aufgabe für Beschaffungs- und Supply Chain Manager dar.

Gefährliche Unterbrechungen

Noch so ausgefeilte Systeme – die aber in den meisten Unternehmen noch nicht vorhanden sind – werden Lieferantenausfälle nicht ganz ausschliessen können. Wird ein Lieferant insolvent, so sind die richtigen Massnahmen im Lieferantenmanagement und schnelles Handeln gefragt. Zunächst muss entschieden werden, ob der insolvente Lieferant oder ein Alternativlieferant aufgebaut werden soll. Meist ist der Aufbau eines Alternativlieferanten (durch Massnahmen der Lieferantenentwicklung) und der Wechsel zu diesem Lieferanten die gewählte Alternative.

Wenn der Lieferant allerdings sehr komplexe und kundenspezifische Teile oder Module liefert, kann der Aufbau eines Alternativlieferanten so lange dauern, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Abnehmers langfristig Schaden nimmt. Dies war beim englischen Automobilhersteller Land Rover der Fall. Land Rover konnte die eigene Produktion nur sicherstellen durch Lieferantenentwicklung in Form einer finanziellen Unterstützung von mehreren Mio Pfund an das angeschlagene Zulieferunternehmen UPF-Thompson, das Chassis-Rahmenprofile für das Land Rover Discovery-Modell fertigte. Eine längere Unterbrechung der Versorgung von Land Rover mit den Chassis-Komponenten hätte Wochen- oder gar Monate lange Bandstillstände für Land Rover zur Folge gehabt.

Negative Folgen verringert

Das Beispiel zeigt deutlich, wie wichtig die frühzeitige Erkennung von Lieferantenausfällen und Ausfallabhängigkeiten sein kann. Jede Entwicklungsstufe, die ein Unternehmen bei der Professionalisierung des Risikomanagements macht, kann die negativen Folgen verringern.