«Ti aspetto a quel caffè» und «Bevo al tuo caffè tutta la notte», sang Gianna Nannini, die weltberühmte Rockröhre, schon in den Achtzigerjahren. Inzwischen hätte sie noch einen anderen Grund, mit ihrer Stimmeskraft den Kaffeegenuss zu preisen: Ihr Bruder, der Ex-Formel-1-Rennfahrer Alessandro Nannini (42), will mit dem Familienunternehmen Nannini Caffè die Welt erobern. Giannas Erfolg hat bereits wesentlich dazu beigetragen, den Namen Nannini bekannt zu machen. Anfang November wird die Kaffeehauskette nun auch in die Schweiz kommen. «Ich hoffe, dass Gianna bei der Einweihung dabei sein wird», sagt der Gastrounternehmer.

Er wird seine Schwester brauchen, denn Alessandro Nannini (Jahresumsatz mit seinen Coffeeshops: rund 20 Millionen Franken) führt den Kampf von David gegen Goliath: Die Giganten wie die amerikanischen Ketten Starbucks (2,5 Milliarden Dollar Umsatz) und Aroma (die Kaffeebar-Kette von McDonald’s) sind bereits mit mehreren Lokalen in der Schweiz präsent und bauen ihre Netze zügig aus. Zudem machen sich Mövenpick, die Merkur-Tochter Spettacolo sowie Ritazza, die Kette der britischen Compass-Gruppe, die besten Standorte streitig. Alessandro Nannini reizt die Herausforderung: «Wir sind zwar nicht so gross und so stark wie die anderen, aber mit der Qualität unseres Angebots müssen wir niemanden fürchten.»

Der Ex-Rennfahrer hat ehrgeizige Pläne. Nach Zürich sind Lokale in Genf, Lausanne und Neuenburg vorgesehen. Insgesamt zwanzig neue Nannini-Coffeeshops hat der Newcomer in der Schweiz bis zum Jahr 2004 geplant. Sein Trumpf: eine Kooperation mit der Warenhauskette Globus. Sie stellt die nötigen Standorte zur Verfügung und wird die Expansion ausser in der Schweiz auch in Deutschland und Frankreich vorantreiben.

Der Unterschied zu Starbucks, Aroma & Co.: Nannini versteht sich als Kaffeehaus mit Restauration. Statt Sandwiches gibt es Mahlzeiten all’italiana von der Pasta bis zum Risotto und, anders als bei der Konkurrenz, auch Chianti oder Grappa. Kaffee am Morgen, mittags Bistro, am Nachmittag hochklassige italienische Dolci (Süssigkeiten), dann Apérobar und abends wieder Bistro. Marktspezialisten räumen diesem Konzept gute Erfolgsaussichten ein. Michael Hostmann vom Kompetenz-Zentrum für das Gastgewerbe und die Hotellerie in Kriens LU sagt: «Die andern haben den Markt vorbereitet. Nanninis Konzept geht weiter, dort liegt eine sehr gute Chance. Denn die italienische Küche ist und bleibt in der Schweiz auf dem Vormarsch.» Zudem werde einem italienischen Bistro mehr Kompetenz in Sachen Kaffee zugebilligt als den amerikanischen Ketten. Gleicher Ansicht ist der Gastromarktforscher Daniel Ingold: «Wenn es Nannini gelingt, sich mit dem Weg der Italianità, italienischem Ambiente und insbesondere der Qualität seines Kaffees einen Namen zu machen, hat er grosse Chancen.»

Genau darauf setzt Nannini: «Es wird immer Supermarktqualitäten geben und Spitzenprodukte. Wer dazwischen liegt, wird untergehen.» Dazu komme, dass nicht nur die italienischen Kaffeemischungen, sondern auch die -maschinen «anders» seien. Und er setzt im Gegensatz zu anderen Ketten auf speziell qualifiziertes Personal: «Es braucht auch hinter der Theke die richtigen Leute, um einen guten Kaffee zu machen. Auch da liegt ein grosses Qualitätspotenzial.»

Die Nanninis zählen zu den typischen toskanischen Unternehmerfamilien, die sich im Verlauf der letzten hundert Jahre mit unermüdlicher Arbeit und cleverem Gespür fürs Geschäft ein kleines Imperium aufgebaut haben. Grossvater Guido, ein Zuckerbäcker, legte den Grundstein. Jeden Montag zog er von Dorf zu Dorf und verkaufte auf den lokalen «mercati» seine Konditoreiprodukte, welche die Nonna daheim gebacken hatte. 1911 eröffnete er in Siena eine kleine Bottéga mit einer eigenen Caffetteria. Seine Espressomaschine war die erste in der Stadt. Nach dem Ersten Weltkrieg war er ruiniert und musste nochmals bei null beginnen. Anfang der Dreissigerjahre kam eine zweite Confiserie-Bar dazu, die «Conca d’Oro» an der Piazza del Campo. Sie existiert heute noch und wurde kürzlich total modernisiert und renoviert. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Kaffee in Italien rar und teuer war, verkaufte Guido den Alliierten Spaghetti und seinen Landsleuten Wermut, um die Familie durchzubringen.

Darauf übernahm sein Sohn Danilo, der Vater von Alessandro, das Geschäft. Im Nachkriegsboom des Wiederaufbaus expandierten und diversifizierten auch die Nanninis. In Siena entstanden mehrere neue Lokale, die Kaffee aus eigenen Röstereien, Eiscrème und toskanische Spezialitäten anboten. Nannini begann zu exportieren, mit der Zeit auch Weine, Grappa und Gastronomie-Accessoires. Inzwischen sind die Süsswaren, hergestellt nach traditionellen Familienrezepten, weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Harrod’s in London sowie exklusive Geschäfte in Singapur und Drugstores in den USA verkaufen die süssen Köstlichkeiten Panforte und Ricciarelli aus Siena.

Seit Anfang der Neunzigerjahre ist Alessandro aus der dritten Generation Boss des Familienclans. Ein Helikopterabsturz im Herbst 1990, bei dem sein rechter Arm abgerissen und dann wieder angenäht wurde, beendete seine Rennfahrerkarriere. Viermal hatte er sich unter den ersten drei Formel-1-Piloten platziert und einmal einen Grand Prix gewonnen (1989 für Benetton-Ford in Japan). Seither steckt er all seine Energie in das Familienunternehmen: Alessandro gab dem Betrieb neue Impulse, sorgte für den Ausbau der Kaffeeröstereien und modernisierte die Produktion der Frischbackwaren. Er verlieh den traditionellen Lokalen in Siena eine neue Aufmachung und eröffnete in Florenz den ersten Coffeeshop seiner Gastrokette.

Er selbst besitzt 51 Prozent der Aktien der Nannini-Gruppe. Den Rest teilen sich der über 80-jährige Vater Danilo, der sich nach einem Infarkt zurückgezogen hat, und Tochter Gianna; sie kümmert sich nicht um das Geschäft. Auch Bruder Guido (52), Modedesigner und PR-Mann, geht eigene Wege. Er überwarf sich mit der Familie, als er vor sechs Jahren versuchte, sich von seiner Monte-Carlo-Residenz aus die Prestigemarke unter den Nagel zu reissen und das Familien-Label als «Nannini International» registrieren liess.

Das konnte den Erfolg der Coffeeshops nicht bremsen. Die Kette ist inzwischen international präsent: Acht Spezialitätenrestaurants hat Alessandro Nannini bereits in Portugal, drei in Österreich, weitere sind geplant. Dazu kommen Betriebe in Ex-Jugoslawien und Ableger in Singapur und Djakarta. Nach dem Start in der Schweiz will er auch in Deutschland, Frankreich und in Spanien in grossem Stil Fuss fassen: «Unser Ziel ist es, in den nächsten vier Jahren weltweit mindestens hundert Lokale zu eröffnen.» Rund 70 Prozent der verkauften Produkte werden jeweils aus Siena geliefert, Getränke inklusive. «Nur Bier und Cola besorgen sich die Inhaber selbst», sagt Nannini. Auch die Einrichtung kommt schlüsselfertig vom Lizenzgeber.

Der bevorstehende Markteintritt des Italieners scheint die Konkurrenten nicht zu erschüttern. «Wir freuen uns über jeden Mitbewerber, der hilft, die Kultur der Spezialitätenkaffees in der Schweiz zu verbreiten», meint Hans Maurer, CEO und Minderheitsaktionär von Aroma Cafés Suisse. Auch bei Starbucks reagiert man gelassen. Mark Salathé, Managing Director für die Schweiz: «Nannini wird mit seinem Kaffeebarkonzept die schweizerische Kaffeehauskultur bereichern und beleben.»

Johanna Bartholdi, Geschäftsführerin des Schweizer Cafetier Verbandes, anerkennt, Nannini habe mit Globus als Franchising-Partner «einen guten Coup gelandet». Der Verdrängungswettbewerb werde zwischen den grossen Ketten stattfinden und weniger zum Nachteil der traditionellen Cafetiers. Für sie ist es positiv, dass dank den neuen Konkurrenten der Kaffee als Marke aufgebaut und junge Leute als neue Kunden angesprochen werden. Laut Umfragen bei Verbandsmitgliedern in der Nähe der neuen Coffeeshops kann bisher von einem Umsatzrückgang keine Rede sein. «Die traditionelle Kundschaft schätzt es wenig, den Kaffee im Selfservice selbst zu holen. Sie will sicher sein, einen Sitzplatz zu finden», meint Bartholdi.

Nannini hat grosse Pläne: Auf die 20 Millionen Umsatz, die er mit seinem Coffeeshop-Business (rund 400 Personen eigenes Personal) derzeit realisiert, will er in den nächsten drei Jahren mindestens 50 Prozent zulegen. «Danach werden wir uns ernsthaft überlegen, an die Börse zu gehen.» Wenn sich Alessandros Erwartungen erfüllen, dürfte noch mehr Geld reinkommen, als sich Schwester Gianna Nannini in ihrer über zwanzigjährigen Karriere ersungen hat.
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