er Name Trisa ist auch im nahen Osten ein Begriff: Sonst würde nicht jeder fünfte Einwohner seine Zähne mit Zahnbürsten aus dem luzernischen Triengen reinigen. Dieser Marketingerfolg erstaunt um so mehr, als der Vorstoss in den Nahen Osten nicht einer klaren Strategie entsprungen ist. Jürg Schneider, Leiter des internationalen Marketings der Trisa, dazu: «Es war Zufall.» Doch Zufall allein genügt nicht. Hinzu kommen muss die Bereitschaft, sich bietende Gelegenheiten resolut am Schopf zu packen, und diese Bereitschaft haben die Surentaler Bürstenmacher um ihren Chef Ernst Pfenniger immer wieder bewiesen. Trisa bestätigt exemplarisch eine der Kernaussagen einer Studie von Atag, Ernst & Young (siehe Kasten «Problem erkannt» auf Seite 73): Die Schweizer KMU haben erkannt, wie wichtig ein cleveres Marketing ist, um im Markt erfolgreich sein zu können.

Als sich vor Jahren die Chance bot, für einige Grosskonzerne die Lohnproduktion für den schweizerischen und europäischen Markt zu übernehmen, griff Trisa-Chef Pfenniger zu – und heute werden 75 Prozent aller in der Schweiz verkauften Bürsten von der Trisa-Gruppe hergestellt. Der grosse Vorteil: Heute kann sich die Trisa eine dezidierte Beobachtung der Konkurrenz praktisch ersparen, denn vieles, was die Konkurrenz an Innovationen lanciert, lässt sie ja ohnehin bei der Trisa produzieren.

Das setzt Ressourcen frei. Pfenniger, Schneider und Paul Steinmann, Leiter des Marketings Schweiz, können sich seither voll auf die Bearbeitung der Endkunden konzentrieren. Deshalb haben sie auch das Ländermarketing, das sie bis vor vier Jahren den jeweiligen Vertreibern überliessen, wieder nach Triengen geholt. Jetzt arbeiten sie mit zwei Werbekonzepten. Das eine stammt von einer Agentur aus Dubai, ist für den Nahen Osten bestimmt und rückt das Produkt in den Vordergrund; das andere kommt aus der Schweiz, ist für Europa und Nordamerika konzipiert und auf den Markennamen Trisa ausgerichtet. Und auch hier wieder: Dank der cleveren Gesamtstrategie spart die Trisa viel Geld. Für das Marketing in den osteuropäischen Ländern werden einfach bestehende Konzepte kombiniert.

Solch flächendeckendes Ländermarketing ist typisch für die Konsumgüterindustrie. Ganz andere Strategien sind jedoch in den Investitionsgüterbranchen erforderlich. «Die Welt der Verpackungsmaschinenhersteller für die Nahrungsmittelindustrie ist klein», erklärt der Berner Oberländer Maschinenindustrielle Peter Rychiger. Es sind die grossen Multis wie Nestlé, Philip Morris oder Mars. Wichtiger als die Markenpositionierung ist es für ihn deshalb, zu wissen, was die Kunden in naher Zukunft brauchen werden. Er muss schon bei der Entwicklung eines Produkts an den Markt denken und dafür sorgen, dass die Erkenntnisse aller Angestellten mit Kundenkontakt in die Entwicklungsabteilungen zurückfliessen.

Firmen, die hier trödeln, kommen schnell ins Trudeln. Das hat auch Peter Rychiger einmal erlebt: Als er für einen Kunden eine Spezialmaschine baute, hat er sie viel zu spezifisch zugeschnitten, und sich so den Schritt zu weiteren Kunden gleich selbst verbaut. «Wir haben zuwenig auf die Bedürfnisse des Gesamtmarktes geschaut und einen veritablen Flop gelandet», erinnert sich Rychiger an den Fehlschlag.

Das Beispiel des Familienunternehmens Rychiger bestätigt ein weiteres Resultat der Studie von Atag, Ernst & Young: Die Geschäftsführer der international tätigen KMU orten ihr grösstes Handicap in der Schaffung von Transparenz auf den internationalen Märkten. Ein Nachteil, der vor allem in der kapitalintensiven produzierenden Industrie schwer wiegt. Denn die Produktionszyklen werden immer kürzer. Konnten die Schweizer Maschinenbauer früher eine Innovation noch zwanzig Jahre lang im Sortiment halten, sind ihre ältesten Produkte heute kaum mehr zehn Jahre alt. Da wird die richtige Einschätzung der Marktentwicklung lebenswichtig.

Für die investitionsgüterindustrie kommt hinzu, dass die Kunden, vor allem die Grosskonzerne, mehr und mehr zum «global sourcing» übergehen, also konsequent dort kaufen, wo die besten Konditionen winken. So weichen sich die in vielen Jahren aufgebauten Zulieferketten auf, und die Lieferanten bleiben nur im Geschäft, wenn sie für den gleichen Preis immer mehr bieten. Neben der Anspruchsinflation und dem allgemeinen Preisdruck, den vier von fünf KMU-Chefs beklagen, macht die sinkende Kundentreue den KMU zu schaffen. Ein Grund für diese Entwicklung, die vor allem im Geschäft mit Grosskunden durchschlägt, liegt für Peter Rychiger in deren Personalpolitik: «Die grossen Firmen setzen auf Job-rotation. Deshalb haben wir ständig neue Ansprechpartner, zu denen man kaum persönliche Beziehungen aufbauen kann.»

Der Ausweg aus der zunehmenden Anonymität der Kundenbeziehungen lautet Qualitätsmanagement: Peter Rychiger und seine leitenden Mitarbeiter besuchen beispielsweise nicht nur jedes Jahr Messen und Kongresse, sie wühlen sich auch durch die Fachliteratur, um jederzeit auch technisch auf dem neuesten Stand zu sein. Aber auch in den Low-Tech-Branchen steigen die Anforderungen: Die Anbieter müssen laufend neue Design- und Marketingideen lancieren, um die wählerische Kundschaft bei der Stange zu halten. Eine Firma wie die Trisa muss auch im übertragenen Sinne stets in aller Leute Munde sein. Entsprechend gross wird in Triengen die Innovationsförderung geschrieben. Die Trisa hat sogar ein «Ideenhaus» eingerichtet, in dem alle Trisa-Mitarbeiter spielerisch ihre neuen Ideen ausprobieren können. Und die Abteilung für die Produktentwicklung, die in Triengen dem Marketing zugeordnet ist, ist angehalten, die Anregungen gezielt aufzunehmen.

Die Luzerner haben ausgesprochen gute Erfahrungen mit diesem konsequenten Einbezug der Belegschaft gemacht – und sie lassen sich ihr gesamtes Marketing 4,5 Millionen Franken kosten. Solche Summen freilich liegen für die meisten Schweizer KMU jenseits der finanziellen Möglichkeiten. Peter Rychiger zum Beispiel wäre schon froh, wenn seinen vier Verkäufern und seinen Geschäftsleitungspartnern neben dem Tagesgeschäft noch etwas Zeit für die langfristige Marketingplanung bliebe. Und noch einmal anders sieht die Situation für einen kleinen Dienstleistungsbetrieb wie das Birsfelder Chemielabor Simec aus.

«Theoretisch», sagt Urs P. Rüegger, Geschäftsführer der Simec, «bin ich der Marketingverantwortliche bei uns. Doch prak-tisch mache ich Marketing, wenn ich gerade Zeit dafür habe.» Rüegger gehört damit zu den 80 Prozent der in der Studie von Atag, Ernst & Young befragten Schweizer KMU-Chefs, die für das Marketing gewissermassen im Nebenjob zuständig sind. Und entsprechend wenig kann er in eine aktive und gezielte Marktbearbeitung investieren. Abgesehen von der Kundenzeitschrift, die er periodisch herausgibt und «die bei den Kunden sehr gut ankommt», ist Rüegger mit seinen Marketingaktivitäten nicht glücklich. Manchmal lanciert er zwar im Nachgang eines Kongresses ein Mailing oder inseriert in der Tagespresse, aber alles in allem macht er sich keine Illusionen: «Im Prinzip bräuchten wir einen Profi, und den können wir uns schlicht und einfach nicht leisten.»

Anders als die immer noch 20 Prozent der befragten Schweizer KMU-Chefs, die mit bestem Gewissen ein Zufallsmarketing betreiben, ist Rüegger allerdings überzeugt, dass sein Betrieb damit mittelfristig an existentielle Grenzen stossen wird. Er glaubt sogar, dass sein Betrieb gerade wegen des mangelhaften Marketings am Scheideweg steht. Er sieht für die Simec, die er vor 22 Jahren als Einzelfirma gegründet hat, zwei Alternativen: «Wir müssen entweder kleiner oder grösser werden.» Entscheidet er sich für den Schrumpfkurs, forciert die Simec ihre Kernkompetenzen und stellt die «unique selling proposition», insbesondere die Gutachterleistungen, in den Vordergrund. Auf dem Expansionskurs hingegen übernimmt sie einen grossen Outsourcing-Auftrag oder schliesst sich mit anderen Firmen zu strategischen Bündnissen zusammen. Das marketingbezogene Ziel dabei: Man will die kritische Grösse erreichen, die für einen erfolgreichen Marktauftritt notwendig ist.

Welchen Weg die Firma wählen wird, kann Rüegger noch nicht sagen – vor allem deshalb nicht, weil auf dem Schweizer Pharmamarkt «noch alles in Bewegung ist». Folgerichtig konzentriert er sich jetzt auf die Pflege bestehender Geschäftsverbindungen: «Was es wirklich bringt, sind persönliche Besuche. So können wir konkret auf Bedürfnisse eingehen und die Probleme der Kundschaft wirklich verstehen.» Eine Erfahrung, die auch Peter Rychiger gemacht hat. Beim Steffisburger Maschinenbauer müssen heute auch die Montagearbeiter zum Kunden, wenn es dort nicht klappt.

Langfristig jedoch, da sind sich die beiden Unternehmer einig, ist es mit der Pflege bestehender Kunden nicht getan. Gefragt sind auch bei Kleinfirmen, die sich keine spezielle Werbe- und Marketingabteilung leisten können, innovative Ansätze. Und dazu braucht es nicht einmal geschulte Profis: Rüegger und Rychiger jedenfalls haben schon bewiesen, dass eine enge Beziehung zum Produkt auch den Laien zum erfolgreichen Vermarkter machen kann.

Rüegger zum Beispiel hat bei einer Analyse der Kundenstruktur entdeckt, dass sich die Kundschaft mit der räumlichen Entfernung vom Firmensitz ausdünnt. Deshalb hat er vor zwei Jahren eine Zweigstelle im aargauischen Zofingen eröffnet. Und auch Rychiger hat via Kooperationen – etwa mit einem Verpackungsmaterialhersteller – schon oft aus wenigen Marketingfranken einen hohen Ertrag erzielt. Nicht als Marketingaktivität will Rychiger allerdings seine erneute Kandidatur für den Nationalrat verstanden wissen; zumal sie ja ohnehin nichts nützen würde: «90 Prozent unserer Produktion gehen in den Export.»
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