Betritt man den Keller des alten Hauses in neuenburgischen Môtiers, fühlt man sich in die Zeit der Prohibition zurückversetzt. Vor dem geistigen Auge tauchen «Les Clandestins» auf, jene Absinth-Brenner, die während der langen Zeit des Verbots zwischen 1910 und 2005 der «Grünen Fee» im Versteckten Leben einhauchten. In diesem kleinen Raum stellt Yves Kübler heute legal die Spirituose aus Wermut, Anis und einer streng geheimen Kräutermischung her. Um das Tujon enthaltende Getränk ranken sich viele Legenden. So soll es auch die Fantasie von Künstlern wie Henri de Toulouse-Lautrec oder Oscar Wilde beflügelt haben.

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«Meine Vision war es, eines Tages wieder legal zu machen, was sie meinem Grossvater gestohlen haben», sagt Yves Kübler, Urenkel des Firmengründers und Allein- eigentümer der Distillerie Kübler. Von 1862 bis 1910 produzierte sein Urgrossvater im Val-de-Travers Absinth, bis es zum Verbot kam, weil ein Familienvater, angeblich nach dem Konsum, seine gesamte Familie erschossen hatte. Dass das Verbot – bis 1999 sogar in der Bundesverfassung verankert – fiel, ist mit das Verdienst von Kübler. Auf einer juristischen Gratwanderung lancierte er 2001 ein Produkt mit Artemisia absinthium (Grande Absinthe) unter dem Namen «Extrait d’Absinthe Kübler» und brachte die Diskussion neu in Schwung. Weil das Getränk bloss gut 40 Volumenprozent Alkohol enthielt und nicht die beim Absinth sonst vorgeschriebenen mindestens 50%, erteilte der Neuenburger Kantonschemiker überraschend eine Bewilligung. Peter Karl, ein erfahrener Spirituosenfachmann mit Kontakten, positionierte Küblers Marke umgehend flächendeckend im spezialisierten Fachhandel und öffnete erste Exportmärkte.

Bis 2010 doppelter Ausstoss

Erst am 1. März 2005 fiel das Verbot hierzulande, und Kübler war der Erste in den Regalen. Dies gelang ihm, weil er schon zuvor Absinth nach Österreich exportieren durfte und diesen nach dem so genannten Windhundprinzip per Stichtag wieder in die Schweiz einführte. Kübler ist heute der grösste Schweizer Absinthproduzent. Um die 300000 l werden 2008 produziert. Nach dem geplanten Kapazitätsausbau sollen es mehr als 500000 l sein.

Bis 2010 will Kübler den jährlichen Ausstoss mehr als verdoppelt haben. Klar, dass er dafür zum Export verpflichtet ist. Bislang liefert er unter anderem nach Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien und Norwegen – seit vergangenem Herbst auch in die USA. Während er den Vertrieb in der Schweiz vor einigen Jahren der Diwisa in Willisau übergab, arbeitet er für den Export weiter mit Karl zusammen. Dessen Hartnäckigkeit sowie dem US-Anwalt Robert Lehrmann ist es zu verdanken, dass in den USA eine zweite Prohibition beendet wurde und dort bis heute bereits gegen 200000 Flaschen verkauft wurden.

Knapp vier Jahre dauerte der Kampf mit den US-Behörden. Der endgültige Durchbruch samt dem nötigen «Label Approval» brachte schliesslich ein Meeting in Washington, bei dem die Unterstützung der Schweizer Botschaft dem Export -ansinnen gegenüber dem Tax & Trade Bureau einen offiziellen Touch verlieh. «Trade Counselor Urs Brönnimann von der Botschaft war Gold wert für uns», sagt Karl im Rückblick. Mit Altamar Brands fand man einen potenten Ver-triebspartner und ist nun in 37 US-Bundesstaaten präsent. Wie in der Schweiz hatte Kübler auch in den USA den Vorteil, nach der Legalisierung der Erste gewesen zu sein. Kübler richtet sich auch in Übersee tendenziell an gebildete Schichten in den grossen Städten, die sich von der bewegten Absinth-Geschichte angesprochen fühlen. «Trotzdem bleiben die USA ein Risiko für uns», betonen Peter Karl und Yves Kübler unisono.

Crème d’Absinthe vor Lancierung

Der US-Exporterfolg macht Durst auf weitere grosse Märkte. «Als Nächstes kommt China. Die nötigen Kontakte im Land sind geknüpft. Jetzt geht es vor allem noch darum, die Nachfrage dannzumal kapazitätsmässig auch befriedigen zu können», so Kübler. Zuvor lanciert er aber noch ein neues Produkt, das als «After Dinner Drink» passt – die «Swiss Absinthe Cream Kübler». Als Test-märkte wurden die Schweiz und die USA bestimmt.

Was sagt Kübler zur für das Val-de-Travers so wichtigen Diskussion um das Label AOP, dazu also, ob der Absinth aus der Ursprungsregion dereinst auch die Aufschrift Appellation d’Origine Protégée tragen darf? «Das Prozedere ist sehr lange, noch vor Ende Jahr soll ein Entscheid fallen. Für mich persönlich», relativiert er, «steht die Frage nicht mehr im Vordergrund, denn unsere Marke ist schon stark. Es ist mehr eine philosophische Frage. Die Krönung unseres Labels wäre es aber schon.»

Fest steht: Geht es mit der Exportentwicklung der Blackmint Distillerie Kübler im bisherigen Tempo weiter, ist die «Juramilch» schon bald der wichtigste Schweizer Exportschnaps überhaupt.