Die Luzerner Kantonalbank (LUKB) zog die Alarmglocke. Nachdem sie die Bürgschaftsgenossenschaft für das Gewerbe (BGG) mehrmals erfolglos aufgefordert hatte, die 1997 bei der Sanierung eingegangenen Bedingungen zu erfüllen, trat der LUKB-Vertreter im BGG-Verwaltungsrat im Mai zurück. «Die BGG hat zu wenig unternommen, um ihre Effizienz zu verbessern, mit der Folge, dass das Verhältnis von Aufwand und Ertrag nicht stimmt», begründet LKB-Sprecher Daniel von Arx den Schritt. Die Bank behält zwar mit ihren 2,1 Mio Fr. weiter die Mehrheit von 55% am Genossenschaftskapital, kann aber laut von Arx «nicht mehr länger mittragen, dass man den betriebswirtschaftlichen Vorgaben einfach nicht nachkommt».

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Obwohl es sich bei der BGG um einen Einzelfall unter den zehn regionalen Bürgschaftsgenossenschaften in der Schweiz handelt, sind die verantwortlichen Kreise besorgt. Der Fall bringt das Bürgschaftswesen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt ins Gerede, in dem es nach der Umstrukturierung von 1999 einen weiteren und den wohl letzten Anlauf unternimmt, ein wichtiges Instrument zur KMU-Förderung in der Schweiz zu retten.

Grundsätzlich ist das gewerbliche Bürgschaftswesen nicht bestritten. Stolz verweist Rolf Wey, Geschäftsführer der Zentralstelle für das gewerbliche Bürgschaftswesen in der Schweiz (GBZ), auf die Erfolge der Institution, die seit 1935 rund 44700 Projekte im Gesamtbetrag von 2,36 Mrd Fr. förderte, die nach den Ergebnissen zweier Studien ohne Bürgschaften nicht realisiert worden wären. Da das mit einer Bürgschaft ausgelöste Investitionsvolumen im Durchschnitt etwa das Siebenfache beträgt, komme man auf eine Investitionssumme von insgesamt 16,5 Mrd Fr., sagt Wey. Dank Bürgschaften wurden bisher 224000 Arbeitsplätze gesichert.

Hilfsinstrument für das Gewerbe

Trotz imposanter Zahlen sind die gewerblichen Bürgschaften kein Massengeschäft. Arthur Bürgi, Präsident der Ostschweizerischen Bürgschafts- und Treuhandgenossenschaft in St. Gallen (OBTG): «Gewerbliche Bürgschaften haben auch nie die Kreditlandschaft in unserem Land entscheidend geprägt. Sie waren immer dazu gedacht, im Einzelfall effiziente Hilfe für jene Gewerbebetriebe zu leisten, die sonst die nötigen Mittel für Betrieb, Investitionen oder Nachfolgeregelungen nicht aus eigener Kraft aufbringen konnten.»

Die Verantwortlichen des Bürgschaftswesens verweisen in erster Linie auf den volkswirtschaftlichen und staatspolitischen Nutzen des Instruments. So betont FDP-Nationalrat Werner Messmer, Präsident der GBZ, dass gerade in Randregionen Kleinbetriebe gerettet werden können, «wo selbst fünf Arbeitsplätze halt sehr viel sind». GBZ-Geschäftsführer Wey wiederum glaubt, dass die kleingewerbliche Struktur des Landes nur erhalten werden könne, wenn man junge Berufsleute auf dem Weg in die Selbstständigkeit und bei der Übernahme von Betrieben unterstütze. Wey: «Wo aber holt ein junger Gewerbler, der unter Umständen gerade 40000 bis 50000 Fr. für seine Meisterprüfung bezahlt hat, heute das Geld, um sich selbstständig zu machen?»

Rückzug der Banken

Mit seiner Frage spielt KMU-Finanzfachmann Wey auf ein derzeit in Gewerbekreisen heiss diskutiertes Thema an dieKreditpolitik der Grossbanken. 2002 haben Gross- und Kantonalbanken ihre Kreditlimiten für Unternehmen bis höchstens 50 Mitarbeiter um knapp 14 Mrd Fr. gesenkt, was in Verbindung mit höheren Zinslasten viele KMU in existenzielle Finanznöte trieb (siehe Nr. 23 vom 4. Juni 2003). An den derzeit stattfindenden Generalversammlungen der zehn regionalen Bürgschaftsgenossenschaften sorgt das Verhältnis zwischen Gewerbe und Banken für Gesprächsstoff. Es sei früher von «wesentlich mehr Vertrauen und Intimität geprägt gewesen, als dies in unseren Tagen unter dem Dach der Globalisierung und Gewinnmaximierung der Fall ist», beklagt sich beispielsweise OBTG-Präsident Bürgi.

Sukkurs erhält das Bürg-schaftswesen jetzt aus dem Volkswirtschaftsdepartement (EVD). Im Rahmen seiner KMU-Förderung will es Bundesrat Joseph Deiss revitalisieren. Das EVD reagiert damit auf das Ergebnis zweier Studien, wonach die von den regionalen Genossenschaften geleistete Hilfe in jedem Fall zwar sinnvoll sei, das System als Gesamtes aber zu wenig professionell und effizient arbeite. Als besonderes Problem stellt sich die Tatsache heraus, dass die Grossbanken sich Mitte der 90er Jahre aus dem Bürgschaftswesen zurückgezogen haben, was zu einem Rückgang des Geschäftsvolumens führte. Dazu der aktuelle Bericht «Die KMU-Politik des EVD»: «Diese Tendenz hält an, da die Banken die Bonität der regionalen Bürgschaftsgenossenschaften als ungenügend beurteilen und die Bedingungen aufgrund der hohen Risikoprämien eher unattraktiv sind.»

Bund will die Effizienz verbessern

Professionalisiserung und Reduzierung des Bürgschaftsnetzwerkes unter Führung der GBZ, einheitliche Geschäftspolitik sowie ein verstärktes finanzielles Engagement des Bundes dürften denn auch die Schwerpunkte der Empfehlungen sein, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) demnächst dem Bundesrat unterbreiten wird. Die vorgesehene Reduktion der regionalen Bürgschaftsgenossenschaften von zehn auf vier wird auch von den verantwortlichen Kräften im Bürgschaftswesen begrüsst. Nach GBZ-Präsident Messmer wären drei Genossenschaften die «ideale» Zahl, eine für die Ost- und Zentralschweiz, eine für das Mittelland und eine für die Romandie.Otto «Warenposten» Ineichen fordert gar eine Reduktion auf zwei, je eine für die Deutsch- und die Westschweiz.

Zur Rekapitalisierung des gewerblichen Bürgschaftswesens soll der Bund der GBZ und den verbleibenden regionalen Genossenschaften nachrangige, zinslose und nicht rückzahlbare Darlehen gewähren. Benötigt werden dafür zwischen 50 und 100 Mio Fr. Dadurch würde die Bonität der Genossenschaften erhöht, was wiederum die Bankkredite verbilligen würde. Zusätzlich möchten die Bürgschaftsgenossenschaften, dass der Bund künftig 75% der Verluste bei Normalbürgschaften übernimmt, anstatt wie bis anhin 50%. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Bundesbeiträge auf insgesamt 1,8 Mio Fr. (Verlustbeteiligungen sowie Beitrag an Verwaltungskosten).

Die Verantwortlichen sind sich angesichts der Finanzlage des Bundes der Problematik bewusst, solche Überlegungen anzustellen, zumal es sich, wie Arthur Bürgi von der OBTG selbstkritisch eingesteht, beim gewerblichen Bürgschaftswesen um einen «ordnungspolitischen Sündenfall» handelt. Entscheidend ist für GBZ-Präsident Messmer, «dass man die Frage, ob man den Wert des gesamten Instruments mit seinem Nutzen für die KMU und die Regionen und somit für die gesamte Volkswirtschaft erkennt». Wenn man jetzt nichts unternehme und dem gewerblichen Bürgschaftswesen ein neues Profil verleihe, sei es kaum überlebensfähig, ist Messmer überzeugt. Er glaubt sogar Indizien dafür zu haben, dass die Grossbanken sich wieder kulanter zeigen werden, sobald der Bund mit Überzeugung hinter der Sache stehe.

Eile tut not. Denn seit kurzem bietet die Luzerner Kantonalbank, eigentlich eine Stütze des Bürgschaftswesens, einen Förderkredit für das Gewerbe an. Der Zins ist 1% günstiger als der ordentliche risikogewichtete Zinssatz, zudem wird weniger Eigenkapital gefordert als bei einem normalen Gewerbekredit. Man wolle «eine vielfach festgestellte Lücke in der Finanzierung von viel versprechenden Gewerbebetrieben auf unkomplizierte Weise schliessen», heisst es in der Medienmitteilung der LUKB. Ein deutlicher Seitenhieb gegen das Bürgschaftswesen.