Die Schweizer Shopping-Center haben einen schweren Stand im Zeitalter von Online-Shopping. 2017 haben die fünf grössten Onlineshops der Schweiz die fünf grössten Shopping-Center der Schweiz beim Umsatz überholt, wie die Schweizer Retail-Unternehmensberatung Carpathia Anfang Mai errechnete.

So machte das grösste Einkaufszentrum der Schweiz, das Einkaufszentrum Glatt, im Jahre 2017 einen Umsatz von rund 600 Millionen Franken. Das war ein Rückgang von rund 0,8 Prozent. Im gleichen Zeitraum hat Digitec Galaxus, die Migros-Tochter, einen Umsatz von rund 700 Millionen Franken gemacht, was einer Steigerung von rund 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

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Thomas Lang von Carpathia sagt zu dem Vergleich: «Die Vertriebsmodelle ähneln sich zwar nicht. Wir würden Einkaufszentren eher als Auslaufmodell betrachten, aber die Gegenüberstellung macht die Entwicklung fassbar.»

Neu erfinden ist gefragt

Der Trend ist eindeutig: Während die Schweizer Shopping-Center stagnieren oder rückläufige Zahlen publizieren müssen, legen die grössten Onlineshops in der Schweiz markant zu. Die fünf grössten Onlineshops um fast 20 Prozent, wie eine Studie des GfK zeigt.

Shopping-Center scheinen also früher oder später dem Untergang geweiht zu sein. Die weltweit tätige Unternehmensberatung A.T. Kerney hat nun in einer Studie zur Zukunft des Shopping-Centers vier Massnahmen zum Wandel von Einkaufszentren vorgelegt. «Entgegen weitläufiger Unkenrufe werden weder Detailhändler noch Einkaufszentren am Onlinehandel zugrunde gehen, sondern sich neu erfinden müssen», schreiben die Autoren. 

Sie warten dabei mit Fakten auf: Im Jahr 2030 werde ungefähr ein Drittel des Einkaufvolumens online abgedeckt werden – in einigen Kategorien deutlich mehr. In den Zentren der Zukunft, so die Studie, wird der Online-Handel keine Konkurrenz mehr zum stationären Verkauf darstellen, sondern im Sinne einer Mehrkanal-Strategie eine Ergänzung sein.

Einkaufszentrum: 2017 haben die fünf grössten Onlineshops der Schweiz die fünf grössten Shopping-Center der Schweiz beim Umsatz überholt.

Wohlfühloase, Bildungszentrum oder doch Spital?

Kurzum: Einkaufen wird im Shopping-Center der Zukunft zur Nebensache. «Shoppingcenter werden so unterschiedlich sein, dass sie kaum unter einen einheitlichen Begriff passen», schreiben die Autoren. A.T. Kerney hat vier Konzepte ausgearbeitet, mit denen ein Shopping-Center auch künftig Besucher anziehen kann:

  • Bei den «Destination Center» geht es nicht mehr um Einkaufen, sondern ums Vergnügen. Einkaufszentren werden in «Lifestyle Hubs» verwandelt und in den Alltag der Konsumenten integriert. Attraktionen wie Themenparks, Indoor-Skipisten oder Kulturhäuser ergänzen die Shops. Sie ziehen ein überregionales Publikum an und bieten für einen mehrtägigen Aufenthalt auch Gastronomie- und Hotels. Dazu kommen Pop-up-Stores. Dabei sind die Ansätze von Land zu Land verschieden: Während sich in den USA Shoppingcenter zu medizinischen Zentren verwandeln, werden in Russland mehr Sozial- und Bildungszentren entstehen. 
     
  • In regionalen «Value Center» finden sich Gleichgesinnte rund um ein zentrales Kernthema. Sie bieten diesen spezifischen Produkten auch Informationen, Weiterbildung und gemeinsame Events an, ähnlich wie auf einer Messe. Oder so genannte Outlets, die Spezialitäten einer Region im Angebot haben. Dabei können Themen wie «Vegane Ernährung» oder «Upcyling» eingesetzt werden.
     
  • «Innovation Center» sind intelligent vernetzte Orte, an denen das Kundenverhalten von Anthropologen und Kulturpsychologen analysiert wird. Die Betreiber bieten diese Daten und Analysen als integralen Service des Centers mit an und machen sie so zu Testlaboren für Unternehmen und bieten Kunden ein Vorreitergefühl. Dabei können beispielsweise auch Startups oder neue Technologien wie VR oder Augmented Reality miteinbezogen werden. 
     
  • So genannte «Retaildential Spaces» bieten einen Mix aus Handel, Restaurants, Unterhaltung und Dienstleistungen an Dabei konzentrieren sie sich auf eine bestimmte Zielgruppe wie Millenials, Familien oder Senioren und bieten dort beispielsweise auch Gesundheitsdienstleistungen an.

Mall of Switzerland als State of the Art?

Gibt es bereits Zentren, wo die Konzepte umgesetzt worden sind? Ja. Ansatzweise manifestiert sich die Idee des «Destination Center» in der neuen «Mall of Switzerland» in Ebikon. Das Wort Shopping-Center wird dort lieber nicht genannt. Mall-Chef Jan Wengeler spricht lieber von einer «Familien- und Freizeit-Destination». Ein riesiger Kino-Komplex spielt eine Hauptrolle, es gibt viele Screens und eine digitale Garderobe. Wengeler möchte immer wieder neue «Erlebnisse» zeigen.

Ebenfalls nicht als Shopping-Center, sondern als «Shopping Resort» bezeichnet sich das «G3» in Wien. Der Anspruch des Betreibers ECE Projektmanagement Austria ist es, Einkaufserlebnis mit Wohlfühlfaktor, Architektur und Nachhaltigkeit zu verbinden. 

Mehr im Bereich des «Value Centers» ist der 10'000 Quadratmeter grosse Freizeitpark «Fico» bei Bologna einzuordnen: Dort treiben die italienischen Händler Eataly und Coop das Einkaufserlebnis auf die Spitze. Sie zeigen den Besuchern die Produktion und Zubereitung von Lebensmitteln und bieten ihnen auch Unterhaltung und Bildung rund um Landwirtschaft und Ernährung. Das soll jährlich 6 Millionen Besucher anlocken.

Fico Bologna

Bei «Fico» sehen Besucher wie Lebensmittel zubereitet werden.

Quelle: Mario Carlini - Iguana Press

So genannte «Innovation Centers» sind noch rar in Europa, aber ein Ansatz verfolgt etwa der Flughafen München. Flughäfen sind mittlerweile auch eher Shopping-Center als Verkehrsknotenpunkte: In München soll der Flughafen zum Dreh- und Angelpunkt von Startups und deren Innovation werden. Jungunternehmer und Firmen sollen sich dort treffen und vernetzen, wie das «Handelsblatt» schreibt. 

Gesundheit im Sihlcity

Beim vierten Konzept der «Residential Spaces» kann ebenfalls eines der neueren Einkaufszentren der Schweiz genannt werden – Sihlcity in Zürich. Dort gibt es neben Shops auch ein Fitnesspark und ein Ärztezentrum. Ganz im Sinne des Zukunftskonzepts, dass sich ein Einkaufszentrum in ein Gesundheitszentrum verwandelt, besonders im Hinblick auf eine alternde Gesellschaft. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die «Aeon Mall» in Japan: Dort werden themenspezifische Angebote aus regionalen Produkten geschafft, die wiederum eine bestimmte Zielgruppe ansprechen. 

Shopping wird in Zukunft also nicht mehr der Hauptgrund sein, ein Shopping-Center zu betreten – sofern es dann überhaupt noch als das bezeichnet werden kann. Erfolgsentscheidend wird der Mix aus Retail, Gastro, Entertainment, Bildung und Gesundheit sein. Bei den Betreibern ist Phantasie und Flexibilität gefragt.