Als vor rund 10 Jahren die erste Initiative durch EAN (Schweiz) gestartet wurde, die elektronische Rechnungsstellung von der ESTV akzeptieren zu lassen, ahnte niemand, dass noch heute an Standards gearbeitet wird. Seitens der Gesetzgebung sind die Anforderungen klar. Damit ist die gesetzliche Basis gelegt, um die elektronische Rechnungsstellung bei Unternehmen einzuführen. Die zunehmend sicheren Kommunikationstechnologien sowie die Verfügbarkeit der digitalen Zertifikate begünstigen eine flächendeckende Einführung der elektronischen Rechnungsstellung über alle Branchen hinweg (Business-to-Business, B2B). Selbst auch für die Konsumenten (Business-to-Consumer, B2C) wird die Bezahlung der Rechnung einfacher und wird über verschiedenste Produkte möglich.

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Ärger ersparen

Im Detailhandel ist die elektronische Rechnung (über die EDIFACT INVOIC) nichts Neues, denn sie wird seit Jahren praktiziert oft begleitet von papiergebundenen Dokumenten, um die Anforderungen von ESTV und Revisoren zu erfüllen. Handelsbetrieben, welche die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht einhielten, standen in den vergangenen Jahren nach einem Besuch der ESTV sechs- bis sieben-stellige Beträge von MwSt-Forderungen ins Hause. Wer die elektronische Rechnungsstellung seriös anpackt, kommt nicht in Beweisnotstand und kann sich viel Ärger ersparen.

In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Anbietermarkt stark verändert. Von den bisher wenigen Anbietern sind heute etwa ein Dutzend Lösungen breiter bekannt, jedoch rund deren drei verbreitet im Einsatz. Nicht jede der übrigen Lösungen deckt die notwendigen technischen und Projektanforderungen ab.

Einige Anbieter konventioneller EDI-Lösungen bieten zusätzlich die für die e-Rechnung notwendige HW-/SW-Infrastruktur modular an. Wer diese Infrastruktur im eigenen Unternehmen aufgebaut hat, kann die Signatur- und Archivierungskomponente beispielsweise auch für die Unterschreibung von Mails, Verträgen usw. respektive das Archiv für die Archivierung anderer Belege/Dokumente anwenden. Die Revisionsfähigkeit muss ohnehin durch jedes Unternehmen sichergestellt sein. Der internen Lösung gegenüber steht das Outsourcing des Rechnungsstellungs- beziehungsweise Eingangsprozesses in ein EBPP-Netzwerk (Electronic Bill-Presentment & Payments).

Am gleichen Netzwerk

Die Anbieter von EBPP-Netzwerken können eine schnelle Verbreitung (Roll-out) begünstigen, setzen aber teilweise voraus, dass Rechnungssteller und -empfänger am gleichen Netzwerk angehängt sind. Durch Kooperationen von EDI-Dienstleistern und/oder EBPP-Service-Providers untereinander können die Kunden ein ganzheitliches Produktportfolio und integrierte Prozesse in Anspruch nehmen. Anbieter von EBPP-Lösungen haben den Vorteil, dass sie sich nicht nur um die Technologie kümmern, sondern die beiden Geschäftspartner hinsichtlich deren Prozesse und den ESTV-Anforderungen vollumfänglich beraten können.

Die aktuelle Verunsicherung seitens der Lieferanten (be)hindert eine effiziente Einführung der digitalen Rechnung. Eine durch B2X-Consulting GmbH durchgeführte Umfrage hat verschiedene Ursachen ergeben: Im Vordergrund steht die Verunsicherung durch die Vermischung verschiedener Themen, der (noch) fehlende einheitliche Standard (befindet sich derzeit bei GS1 Schweiz noch in Arbeit), denn die e-Rechnung ist mehr als nur Technologie und bedarf fachkundiger Berater.

Leistungsübersicht

Eine Unterscheidung in folgende Subthemen ist deshalb ratsam es werden alle Komponenten zwingend benötigt):

- Übertragung

- Archivierung

- Abgleich mit Wareneingang (Rechnungsempfänger) resp. mit Zahlungseingang (Rechnungssteller)

- wie soll der innerbetriebliche Revisionsprozess aussehen?

Folgende weitere betriebswirtschaftliche Themen sollen zusätzlich betrachtet werden:

- Externe (Prozess-)Kosten von Dienstleistern.

Anstelle einer unterschiedlichen Hervorhebung dieser Themen sollen die Anbieter eher eine Leistungsübersicht zur Verfügung stellen, wie dies die Versicherungen mit der Grundversicherung auch tun.

Die aktuelle UBS-Branchenstudie hat ergeben, dass im Detailhandel kein einheitliches Bild besteht und dieser mit unterschiedlichsten Herausforderungen zu kämpfen hat. Alle Unternehmen haben aber mit sinkenden Preisen und damit auch sinkenden Margen zu kämpfen. Diese Margenerosionen können sehr oft durch Effizienzsteigerungen kompensiert werden.

Unterschiedliche Ansätze

Nach weiteren Recherchen von B2X-Consulting verfolgen die Detailhändler unterschiedliche Vorgehensweisen bei ihen Prozessoptimierungen mit den Lieferanten. Während die Lösungsanbieter in den Startlöchern mit den Lösungen für die e-Rechnung stehen, kümmern sich einige Detailhändler noch um interne und externe Logistikprozesse. Derzeit steht die elektronische Rechnungsstellung bei vier grossen Retailern im Vordergrund. Weitere rund vier sind abwartend und andere Warenhausketten sehen das Geld eher auf der Strasse und optimieren derzeit die Logistik.

Auch bezüglich der e-Rechnung verfolgen die Detaillisten unterschiedlichste Ansätze: Wie Jahre zuvor bei der Industrie stellen nun einzelne Retailer den papiergebundenen Rechnungseingang auf Scanning um und bereiten sich gleichzeitig mit grossem Erfolg auf die e-Rechnung vor. Selbst die mit orangen Logos bekannten Retailer verfolgen unterschiedliche Strategien: Der eine «orange Riese» setzt auf eine externe EBPP-Lösung und der andere setzt bei der Rechnungsstellung mit den Lieferanten auf eine interne Lösung.

Die aktuelle Anzahl der eingesetzten Lösungen zur Abwicklung von e-Rechnungen im Detailhandel ist derzeit beschränkt, sodass ein Rechnungssteller (Lieferant) respektive ein grosser Rechnungsempfänger (Handel) sich auf eine der bekannten und von den Retailern empfohlenen Lösungen abstützen kann. Denn früher oder später wird jeder Rechnungssteller die digitale Rechnung direkt oder indirekt (also via Clearing-Center) in eine Netzwerklösung einliefern, um alle Geschäftspartner zu erreichen.

Bis es jedoch so weit ist, dass die verschiedenen EBPP-Netzwerke für alle Rechnungssteller durchgängig sind, wird es nur noch wenige Jahre gehen: Erste Kooperationen sind bereits produktiv, andere in Vorbereitung. Detailhändler und deren Lieferanten tun gut daran, auf standardisierte und von der ESTV validierte Lösungen zu setzen.

Prozesskosten senken

Der starke Kostendruck seitens des Handels zwingt die Unternehmen, auch andere Wege zu beschreiten: So bedarf es entgegen der weitläufigen Meinung nicht immer eines vollständigen Kreislaufes von der Bestellung über den Lieferschein bis zur Rechnung. Eine von der Bestellung unabhängige Einführung der elektronischen Rechnung lohnt sich meist schnell, denn ein automatisierter Abgleich mit den Wareneingangsdaten kann durchaus zwischen 5 Fr. und 20 Fr. pro Rechnung Einsparungen bringen. Unternehmen, welche bereits über Scanning der empfangenen Rechnungen mit Workflow verfügen, können diese Prozesskosten mit der e-Rechnung nochmals um rund 2050% senken. Jeder CFO, der hier zu rechnen beginnt, gewinnt.



Christian Rupp, Geschäftsführer B2X-Consulting GmbH, Füllinsdorf.

«Elektronische Rechnungsverarbeitung Trends und Voraussetzungen», Fachforum 3 an der Retail Swiss in Luzern, Dienstag, 13.9.2005, 9.00 Uhr.