Willkommen in der Ökonomie der Gefühle: Um nur von A nach B zu fahren, dafür ist eine Harley-Davidson viel zu teuer. «Aber um als 42-jähriger Buchhalter sein Lederkombi anzuziehen und durch abgelegene Dörfer zu knattern deshalb wird das Kultmotorrad gekauft», weiss der Managementguru Tom Peters.

Für diesen Mythos des Strassencowboys zahlen die Kunden denn auch gerne etwas mehr eine Harley kostet zwischen 11000 und 35000 Fr. «Wir können einen Premium-Preis verlangen», sagt Markus Krämer, bei Harley-Davidson in Zürich verantwortlich für Marketing, mit Blick auf die Preise von Maschinen anderer Hersteller.

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Der «dritte Platz»

Das Quentchen Gefühl macht eben den Unterschied. Auch bei Starbucks: Eine Tasse Kaffee in der Beiz um die Ecke ist für durchschnittlich 3.50 Fr. zu haben. In den Schweizer Kaffeebars der US-Kette, wird ein kräftiges Preisplus verlangt: Ein Caffè Latte kostet bei Starbucks 4.80 Fr., ein eisgekühlter Espresso sogar 5.60 Fr. Starbucks hat seit 2001 in der Schweiz 17 Filialen eröffnet und vor kurzem eine, jene in Zürich-Altstetten, geschlossen.

«Das ist die vierte Wertschöpfungsstufe. Starbucks schafft ein bestimmtes Erlebnis, in das der Kaffeekauf eingebettet wird», sagt Karin Frick vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) in Rüschlikon, der von der Migros getragenen Denkfabrik.

Die weltweit erfolgreiche Kette mit ihren 7000 Kaffeebars hat die Erlebnisökonomie perfektioniert: An ihren Standorten in der Schweiz bietet sie das, was in der Starbucks-Sprache ein «third Place» genannt wird der Dritte Ort als Refugium des modernen Menschen zwischen Büro und der Couch im heimischen Wohnzimmer. «Das Wohlgefühl der fünf Minuten Pause in einem angenehmen Ambiente», beschreibt Trendforscherin Frick die eigentliche Wertschöpfung.

Auch andere Unternehmen machen das so sie müssen ihr Angebot durch Emotionen abgrenzen. Die gängige Erkenntnis fasst die GDI-Expertin so zusammen: «Die Märkte sind gesättigt. Wir haben von allem zu viel. Die Waren sind austauschbar.» Wer noch ein Absatz-Plus erzielen will, muss dagegen ansteuern.

Beispiel Automarkt: «Technik und Teile sind identisch», beschreibt Andreas Steinle vom Trendbüro in Hamburg die Tendenz zur Verähnlichung: Das Innenleben eines VW Golf etwa entspricht dem eines Skoda. «Nur die Hüllen unterscheiden sich», diagnostiziert Steinle.

Die Folge: Produkte werden mit Geschichten aufgeladen. Der Golf wird in der Werbung gezielt mit der Lebenswelt der um die 30-Jährigen verknüpft. Andere Autos betonen das Gefühl, über ein Cockpit zu gebieten und Sport Utility Vehicles (SUV), die im Stau auch nicht schneller sind, würden als Festung und Panzer positioniert, wie Karin Frick feststellt.

Der SUV-Absatz gibt den Unternehmen recht: Obwohl die meisten der Luxus-Geländewagen auch nicht anders genutzt werden als jeder X-beliebige Kleinwagen, sind sie auch auf dem Schweizer Markt ein Absatzerfolg, wie die Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure (Auto-Schweiz) bestätigt.

Die Masche ist immer wieder dieselbe: «Zu einem harten, rechenbaren Nutzen wird ein emotionaler Mehrwert geboten, der das Produkt attraktiv und unterscheidbar macht», definiert Stefan Vogler, Chairman der Grey Werbeagentur in Zürich. Der Sinn stiftende Mehrwert ist dabei immer öfter ein Mittel, das sowohl Kunden bindet als auch Preisaufschläge begründet.

Der Ware eine Bühne geben

Eines der wichtigsten Instrumente der Erlebnis-Wirtschaft: Die Ästhetisierung. So wie Starbucks seinen Kunden ein zeitgemässes wie auch gemütliches Ambiente samt Designersesseln bietet, setzt auch der Einzelhandel auf inszenierte Warenwelten: Egal ob Swatch, Esprit, Boss oder Zara die Zeit der lieblos bestückten Regale ist in den firmeneigenen Läden längst out. «Hier steht das Produkt im Mittelpunkt eines Kunstwerks», beschreibt Management-Guru Tom Peters den Trend, der Ware eine Bühne zu geben.

Das gilt inzwischen auch für scheinbar Langweiliges etwa Computer. «Apple hat es geschafft, aus einer grauen Kiste ein emotionales Produkt zu machen», sagt Werber Stefan Vogler: Die Macintosh-Rechner sprechen Konsumenten an, die ihre Beziehung zum Computer versinnlicht haben und einen gut aussehenden, Zuverlässigkeit und Status versprechenden Rechner suchen. Dass auf den meisten Macs auch nur die ewig gleichen Microsoft-Programme laufen, stört dabei nicht Hauptsache, das Produkt verspricht Ästhetik. Die freilich darf dann auch etwas kosten: Apple kann gegenüber seinen Wettbewerbern vom Massenmarkt einen Preisaufschlag von 70 bis 100% verlangen.

Auch andere staubtrockene Produkte sind längst Teil der Sinngebungs-Ökonomie geworden Banken suchen damit einen Ausweg aus der Austauschbarkeit ihrer Leistungen: «Ein Bankkonto ist heute so gut wie das andere», beschreibt Trendbüro-Geschäftsführer Steinle den Markt: Ob der Kunde bei der blau-roten oder etwa der hellblauen Bank seine Konti führen lässt, spielt kaum noch eine Rolle.

Deshalb durchbrechen die Finanzdienstleister die Austauschbarkeit ihrer Produkte. «Kundenbeziehungen mit Gefühlen aufladen», beschreibt Karin Frick vom GDI diese Praxis: Anonyme Märkte bekommen durch Gefühle wieder ein Gesicht.

Tom Peters: «Re-Imagine», 352 Seiten, Verlag Dorling Kindersley, München, Fr. 50.20 (ab April in Deutsch). Direkt über die «HandelsZeitung» bestellen: Fax 01/288 35 77 oder: E-Mailbuecher@handelszeitung.ch