Milchpulver-Engpass in USA: Biden lässt Nestlé-Babynahrung einfliegen

US-Präsident Joe Biden fährt scharfes Geschütz auf, um dem Mangel an Milchpulver und anderen Produkten für Babys und Kleinkinder ein Ende zu setzen. Er greift auf den Defense Production Act zurück. Das Gesetz stammt aus dem Koreakrieg, es gibt dem US-Präsidenten in Krisensituationen die Kompetenz, Industrieunternehmen zur Produktion bestimmter Güter zu verpflichten. Vor zwei Jahren berief sich Donald Trump auf das Gesetz, um die Schlachthöfe, die wegen Corona-Ausbrüchen geschlossen hatten, dazu zu bringen, ihren Betrieb wieder aufzunehmen. Nun will sein Nachfolger die Industrie dazu verpflichten, die Herstellung von Babynahrung zu priorisieren. Milchpulver soll im Eiltempo in die USA eingeflogen werden Zudem solls ein Programm mit dem Namen Operation Fly Formula richten. Dabei soll das Verteidigungsministerium angewiesen werden, seine Verträge mit kommerziellen Fluglinien für den Transport von Gütern dazu zu nutzen, um Baby Formula – so der englische Begriff für Babynahrung – in die USA zu fliegen. Er fordere die Unternehmen auf, «sofort alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um zusätzliche Formula in die USA zu bringen», schreibt Präsident Biden in einem Brief an Xavier Becerra, Health and Human Services Secretary, und Landwirtschaftsminister Tom Vilsack. Aus welchen Ländern die Produkte kommen sollen, spezifizierte das Weisse Haus nicht. Nestlé fliegt bereits Babynahrung in die USA Nestlé fliegt bereits jetzt Produkte aus anderen Ländern in die USA, wie das Unternehmen der «Handelszeitung» auf Anfrage schrieb. 22 Tonnen liefert das Unternehmen in der ersten Lieferung in die USA. Dafür werden 1,5 Millionen Flaschen Nestlé-Säuglingsmilchpulver von Zürich aus in die USA transportiert. Es handelt sich um Produkte für Säuglinge, die keine Kuhmilch vertragen. Nestlé vertreibt seine Produkte für Babys und Kleinkinder in den USA unter der Marke Gerber. Die Importe sollen die Zeit überbrücken, bis die Produktion im Werk von Abbott in Sturgis im Bundesstaat Michigan wieder hochgefahren ist. Die Anlage musste geschlossen werden, nachdem sich vier Kinder mit einem Bakterium infiziert hatten und erkrankt waren. Drastische Engpässe bei Babynahrung Die Engpässe bei Babynahrung sorgen seit Tagen für Panik in den USA. 40 Prozent der Produkte sind ausverkauft, in einigen Bundesstaaten sind es sogar mehr. Die Bilder erinnern an DDR-Zeiten. Eltern stehen vor leeren Regalen und fahren Stunden, um eine der begehrten Packungen zu ergattern. Ausgelöst wurde die Krise durch die Fabrikschliessung von Abbott in Michigan. Doch die Probleme gehen tiefer. Eines ist starke Konzentration. In den USA gibt es nur vier grösser Anbieter für Babynahrung. Wichtigster Player ist mit einem Marktanteil von 42 Prozent Abbott Nutrition. Doch auch Nestlé ist mit Gerber ein bedeutender Anbieter, ebenso wie Mead Johnson Nutrition und Perrigo. Dazu kommt, dass 95 Prozent der Babyfood-Produkte in den USA hergestellt werden. Nachbar Kanada hat zwar eine bedeutende Milchindustrie, in die in den vergangenen Jahren auch viel investiert wurde. Doch Biden-Vorgänger Donald Trump hat bei den Verhandlungen für das United States-Mexico-Canada Agreement USMCA, das die 25 Jahre alte nordamerikanische Freihandelszone Nafta ablöste, erreicht, dass der Import von Babynahrung aus dem Norden mit Quoten und Zöllen belegt wurde. Zu viel Regulierung bei der Versorgung mit Produkten für Babys Die Krise ist aber auch hausgemacht. 57 bis 68 Prozent der Produkte für Babys und Kleinkinder werden in den USA im Rahmen des WIC verkauft. Die Abkürzung steht für «Special Supplemental Nutrition Program for Women, Infants and Children». Das WIC vergibt Scheine zum Bezug der Produkte an einkommensschwache Mütter und Familien. Das Problem dabei: Die Bundesstaaten nehmen für das Programm jeweils einen Hersteller exklusiv unter Vertrag. Der muss dann zwar für das WIC enorme Rabatte gewähren – einer Studie des US-Landwirtschaftsministeriums zufolge können diese bis 85 Prozent gehen. Dafür habe der Hersteller, der die Ausschreibung gewinnt, jeweils faktisch ein Monopol im jeweiligen Staat, schreibt das «Wall Street Journal». Die Krise zeige deshalb auch, wie Big Government Big Business noch «bigger» machen könne. Eine Operation Fly Formula wird wohl kurzfristig helfen. Dafür, dass die amerikanischen Mütter und Väter nicht mehr vor leeren Regalen stehen, dürfte es mehr brauchen.

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Engpass bei Babynahrung: Nestlé fliegt 22 Tonnen Milchpulver in die USA