Unternehmer und Unternehmerinnen seien der Sauerstoff einer Volkswirtschaft, schrieb Francois Loeb, Unternehmer-Urgestein und KMU-Förderer, im Vorwort zu Norbert Winistörfers Buch «Ich mache mich selbstständig». Der Ratgeber für Unternehmensgründer, mehrfach neu aufgelegt, ist immer noch ein Bestseller. Liesse nur ein Bruchteil der Leserinnen und Leser der Lektüre Taten folgen, gäbe es in der Schweiz einen wahren Unternehmerboom. Doch dem ist nicht so.

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Der Prozentsatz derer, die selbst «etwas unternehmen», bleibt gering und liegt unter einem Fünftel der Arbeitsbevölkerung. Die Mehrzahl begnügt sich damit, unternehmerisches Denken und Handeln im Angestelltenverhältnis auszuleben. Auch hier ist Unternehmertum gefragt. Wie Unternehmer im Unternehmen, neudeutsch als «Entrepreneure», sollen sich Führungskräfte für die Firma einsetzen. Was ist damit gemeint? Was braucht es dazu? Ist Unternehmergeist lernbar, und wenn ja, wie?

Solides Know-how, am besten überdurchschnittliche Kenntnisse in einem Spezialgebiet, nennt Winistörfers Ratgeber als eine Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg. Diese Grundlage für die Karriere im eigenen oder fremden Unternehmen legt man mit einer Ausbildung, möglichst an einer FH oder Uni. Die Basisausbildung gilt es zu ergänzen durch Weiterbildungen im Fach oder in ergänzenden Bereichen (beispielsweise ein BWL-Nachdiplom für Naturwissenschaftler).

Der Aufbau von Fachwissen, vor allem solches mit Bezug zum eigenen Unternehmen, nutzt dem Arbeitgeber. Darum bieten viele Firmen hierzu Unterstützung. Gerade Weiterbildungen in Betriebswirtschaft versprechen rasche und messbare Resultate, etwa mehr Umsatz oder verbesserte Kennzahlen. Aber Fachwissen veraltet schnell und ist bei der Diplomfeier oft schon überholt. Im Unternehmer-Ratgeber rangiert es bei den Anforderungen weit hinten und wird relativ kurz abgehandelt, fast schon als Selbstverständlichkeit.

Charakterbildung geht ans Eingemachte

Viel mehr Raum widmet Autor Winistörfer dagegen den Persönlichkeits- und Charaktermerkmalen der zukünftigen Unternehmerinnen und Unternehmer. Dazu zählen Eigenschaften wie Selbstbewusstsein, Zuverlässigkeit, Entscheidungs- und Risikofreude, Ideenreichtum, Zielstrebigkeit, Durchsetzungsvermögen und etliche andere mehr. Hier nun stellen sich schwierige Fragen: Wird einem das charakterliche Rüstzeug zum Unternehmer, zur Unternehmerin in die Wiege gelegt? Reicht Naturtalent für nachhaltigen Erfolg aus? Sind all jene unternehmerisch zum Scheitern verdammt, die von Natur aus wenig oder kein Unternehmertalent mitbringen? Oder lassen sich diese Eigenschaften durch Training erwerben?

So einfach wie beim Fachwissen ist es nicht. Persönlichkeit und Charaktereigenschaften sind angeboren. Sie werden durch Erziehung in Familie und Schule geprägt und sie steuern unser Verhalten. Doch sie sind nicht unser Schicksal. Als Erwachsene können wir erlernte Verhaltensweisen reflektieren, verändern, ungeliebte Eigenschaften ausmerzen und neue erlernen. Mit dem Lesen eines Buchs oder dem Durcharbeiten einer Fallstudie ist es aber nicht getan. Charakterbildung bedeutet harte Arbeit, sie geht «ans Eingemachte», sie erfordert Zeit und Geduld. Beides ist Mangelware für Führungskräfte im Tagesgeschäft mit randvollem Terminkalender und Familienpflichten. Der Aufwand mag ein Grund sein, warum Arbeitgeber und Angestellte der Weiterbildung dieser weichen Faktoren der Unternehmerperson zu wenig Beachtung schenken.

Das Angebot an Trainingsmöglichkeiten ist hingegen gross. Eine Vielzahl von Weiterbildungsinstitutionen hat sich auf die Arbeit am Menschen und an seinen unternehmerischen Eigenschaften spezialisiert. Die Lehrkräfte sind keine Marketing- oder Finanzfachleute, sondern oft Psychologen mit langjähriger Erfahrung. Das Spektrum der Angebote reicht von Selbstmanagement über gruppendynamische Seminare und Kreativitätstrainings bis zu Coachings und Supervisionen. Auch Führungsausbildungen beinhalten die Arbeit an den eigenen Soft Skills.

Die so gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen nutzen in erster Linie der Führungskraft selbst. Schon so mancher Manager ist mit neuer Kraft und neuen Perspektiven und viel persönlichem Unternehmergeist aus einem Coachingprozess zurückgekommen. Am Arbeitsplatz kollidieren dann geänderte Einstellungen und unternehmerisches Verhalten mit dem gewohnten Berufsumfeld und schon stösst das Unternehmertum im Unternehmen an seine Grenzen. Die zuvor geforderte unternehmerische Kreativität, das Durchsetzungsvermögen und die Zielstrebigkeit gelten schnell einmal als realitätsferne Spinnerei, Sturheit und Renitenz, sobald Kollegenkreis oder Vorgesetzte vom erworbenen Unternehmergeist betroffen sind.

Um sich greifende Resignation

Dabei würden Firmen gerade von den im Ratgeber-Buch genannten persönlichen und charakterlichen Anforderungen an Unternehmer besonders profitieren: «Ich bin bereit, neue Lösungswege zu suchen und altbewährte Strukturen zu überdenken», heisst es dort als Anforderung. Oder: «Ich bin fähig und bereit, Konflikte auszutragen. Unangenehme Gespräche und Auseinandersetzungen meide ich nicht.» Wie viel besser ginge es Unternehmen, wenn sie Lernbereitschaft bewiesen, öfter einmal Althergebrachtes in Frage stellten und kritisch überdächten? Wenn Führungskräfte Probleme offen und ohne Furcht vor negativen Konsequenzen ansprechen dürften, statt Vorgesetzten nach dem Mund zu reden?

Unternehmertum lernen ist die eine Sache, Unternehmertum im fremden Unternehmen praktizieren ist die andere. Die neueste Umfrage des Zollikoner Forschungsinstituts TrustMark zeigt den Trend: Von 44500 anonym befragten Arbeitnehmern beklagten deutlich mehr als letztes Jahr mangelnden Freiraum für Eigeninitiative und zu wenig Einfluss auf wichtige Entscheidungen in ihrem Arbeitsumfeld. Die Resignation ist gewachsen: Mehr Befragte als letztes Jahr glauben, dass es ihnen in einer anderen Firma nicht besser ergehen würde und sehen wenig berufliche Alternativen.

Könnte es daran liegen, dass sie in Bezug auf sich selbst zu wenig unternehmerisch handeln? Für den Start in das Unternehmertum in eigener Sache, die viel gescholtene Ich-AG, braucht es keine langwierigen Seminare. Ein paar kurze, wichtige Fragen genügen, und in Winistörfers Ratgeber stehen sie ganz vorn: Wer bin ich? Wie fühle ich mich heute? Welches Lebensgefühl strebe ich an? Was will ich für mich, beruflich und privat? Die Suche nach den Antworten erfordert ein Durchatmen, Innehalten sowie mentale und emotionale Anstrengung. Aber sie bringt Klarheit darüber, was man für sich «unternehmen» kann und will. Vielleicht gönnen Firmen ihren Führungskräften darum erst Zeit dafür, wenn ihr unternehmerisches Handeln längst nicht mehr gefragt ist: In der Outplacement-Beratung.