Entscheidungen - eine Sache des Verstandes, der Vernunft; Gefühle oder Körperempfindungen haben da nichts zu suchen. Sie stören und verwirren nur. Nichts da, sagt Maja Storch, die sich an der Universität Zürich mit dieser Thematik beschäftigt. Diese Vorstellung ist so nicht haltbar - denn sowohl die Hirnforschung als auch die Motivationspsychologie zeigten, wie wesentlich Gefühle für gute Entscheidungen sind.

Der Hirnforschung zufolge sind Gefühle überlebenswichtig. Das Gehirn bewertet die gemachten Erfahrungen nach dem Schema «Gut gewesen, wieder tun» oder «Schlecht gewesen, bleiben lassen». So hat jedes Gehirn sozusagen seine persönliche Stiftung Warentest. Ausgedrückt wird diese Bewertung über Gefühle. Fazit: Manager, die ihre Gefühle ignorieren, nutzen ihren inneren Erfahrungsschatz nicht.

Die Motivationspsychologie hat nachgewiesen, dass nur diejenigen Entscheidungen eine reelle Chance haben, zuverlässig in Handlung umgesetzt zu werden, die von einem starken positiven Gefühl begleitet sind. Fazit: Ohne Gefühle gibt es also auch keine antreibende Motivation.

*Somatische Marker*

Worauf basiert nun die «Weisheit» der Gefühle in Bezug auf Entscheidungen? Massgeblich auf dem, was der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth das «emotionale Erfahrungsgedächtnis» genannt hat. Das sind Hirnstrukturen, die bereits im Mutterleib - vor der Geburt also - damit beginnen, Informationen zu speichern.

Diese Hirnstrukturen sind im Laufe der Evolution entstanden, weil sie sich als nützlich erwiesen haben, um zu überleben. Oft sind an die Gefühle aus dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis auch passende Reaktionsbereitschaften gekoppelt, erläutert Storch. So stellt das Gehirn sicher, dass der Organismus, dem es gehört, lernfähig bleibt und sich schnell anpassen kann.

Nun müssen Gefühle, um bei Entscheidungen berücksichtigt zu werden, aber erst einmal ganz bewusst zur Kenntnis genommen werden. Die Sprache der Gefühle zu verstehen, ist in der Tat etwas, das viele Menschen in der heutigen Zeit erst wieder lernen müssen, berichtet Storch aus ihren Seminarerfahrungen.

Aber auch hier hilft der rasante Fortschritt der Hirnforschung weiter. Das entscheidende Stichwort heisst «somatische Marker». Diesen Begriff prägte der amerikanische Hirnforscher Antonio R. Damasio. Somatische Marker sind Körpersignale vom emotionalen Erfahrungsgedächtnis, die uns Hinweise auf die Bewertungen geben.

Doch es ist ja nicht damit getan, bildlich gesprochen, als Manager auf meine Gefühle zu «hören». Voraussetzung, um auf sie zu hören, ist es, ihre Botschaft auch zu verstehen. Wie gelingt das? Nach den vorliegenden Erfahrungen äussern sich die somatischen Marker bei den einzelnen Menschen unterschiedlich. Manche Menschen nehmen sie als Körperempfindung wahr. Zum Beispiel als ein Engegefühl in der Brust oder ein Druckgefühl im Bauch im Falle von negativen somatischen Markern.

Andere erleben Emotionen. Sie spüren dann Angst oder Beklemmung. Bei positiven somatischen Markern beschreiben die einen ein Wärmegefühl im Solarplexus, dem Nervengeflecht im Oberbauch, andere berichten von einem Freiheitsgefühl im ganzen Körper.

Letztlich ist es aber zweitrangig, wie die somatischen Marker im Einzelnen wahrgenommen werden. Wichtig ist, dass sie überhaupt und möglichst unverzüglich wahrgenommen werden. Immerhin sprechen Hirnforschung und Psychologie davon, dass diese emotionalen Bewertungen - in EDV-Terminologie - in real time laufend alle Sinneseindrücke kommentieren.

Wird damit nun ein bislang eher belächeltes Phänomen hoffähig, das berühmte Bauchgefühl?

«Ja und nein», erklärt Storch. Bauchgefühle sind eine Art, wie somatische Marker wahrgenommen werden, in dieser Hinsicht «ja.» Aber die Botschaft lautet keineswegs, ab jetzt immer nur noch diesem Gefühl zu vertrauen. Aussagen wie «Der Bauch hat immer Recht» sind wissenschaftlich gesehen grober Unfug.

Ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit dem im Zusammenhang mit Entscheidungen ebenfalls immer wieder auftauchenden Begriff «Intuition». Diese hat aber nichts mit Hellsichtigkeit zu tun, sondern besteht in der Fähigkeit, unbewusst eine grosse Menge an Sinnesdaten sehr schnell zu verarbeiten, auszuwerten und an Reaktionsbereitschaften zu koppeln.

Sollen Gefühle aber bei Entscheidungen hilfreich sein, müssen sie nicht nur erkannt und verstanden, sondern auch bewertet werden. Wie das? Wichtig ist, aufkommende Gefühle daraufhin zu bewerten, ob ihre Botschaften für meine aktuelle Lebenssituation nützlich sind oder nicht. Und dazu wird dann (endlich!) ein Hirnsystem benutzt, das dem entspricht, was wir umgangssprachlich den Verstand nennen.

Dabei ist Folgendes zu bedenken: Die somatischen Marker sind zu einem grossen Teil erlernt, sie sind, wie bereits erwähnt, gespeicherte Erfahrung. So wichtig diese Erfahrung ist, ist es aber keineswegs sicher, dass etwas, das ich beispielsweise als kaufmännischer Lehrling gelernt habe, für mich in einer Führungsposition noch unbedingt zutrifft.

*Arbeitsteilung zwischen Verstand und Gefühlen*

Wie funktioniert nun die Arbeitsteilung zwischen Verstand und Gefühlen bei Entscheidungen? Bildlich gesprochen haben die Gefühle und Empfindungen sozusagen eine Funktion, vergleichbar der eines Vorwegweisers auf der Autobahn, ohne den ich bei meiner Orientierung auch ziemlich hilflos wäre. Steht eine Entscheidung an, erzeugt das Gehirn blitzschnell Vorstellungen von möglichen Lösungsszenarien und deren Folgen. All dies geschieht unbewusst. Im Erfahrungsgedächtnis wird dann zu jedem Szenarium nach Erinnerungen gesucht und deren Bewertung abgefragt.

Zu Bewusstsein kommt schliesslich das, was dem Gehirn wichtig und bedenkenswert erscheint. Mit dem Verstand kann dann abgewogen werden. Favorisiert er eine bestimmte Lösung, wird diese wieder im emotionalen Erfahrungsgedächtnis gecheckt. Handlungsbereit ist der Mensch schliesslich, wenn die somatischen Marker den «Go-Befehl» geben.

Dieser Vorgang kann sehr schnell gehen, erläutert Maja Storch, er kann aber auch etliche Rückmeldeschleifen benötigen. Gute Entscheidungen sind die, bei denen Verstand und somatische Marker zum selben Ergebnis kommen. Eine Handlung, die man nur mit «Bauchschmerzen» vollzieht, ist aus psychologischer Sicht immer suboptimal abgestützt, steht also auf wackeligen Füssen.

Maya Storch empfiehlt, sich für gute Entscheidungen Zeit zu nehmen, in sich hineinzuhören. Und Entscheidungen genau entgegen dem Trend, alles immer schneller zu machen, in Ruhe zu treffen: «Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht!»

Partner-Inhalte