Mercedes-Benz holt im Zuge einer umfassenden Software-Erneuerung auch Google ins Boot. Der Suchmaschinenriese soll die Navigationssoftware in den Mercedes-Limousinen verbessern helfen. Insgesamt will Mercedes bis zum Ende des Jahrzehnts fast 10 Milliarden Euro mit Software einnehmen.

Das neue konzerneigene Betriebssystem MB.OS, das ab 2025 in Modellen zum Einsatz kommen soll, wird alle Fahrzeugfunktionen abdecken und diese während der gesamten Lebensdauer auf dem neuesten Stand halten, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. In Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnern will die Luxusautoschmiede die Technologie fest im Griff behalten, damit möglichst wenig Umsätze an die Tech-Konkurrenz abfliessen.

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«Wenn man ein Softwarehaus baut, muss man nicht jeden einzelnen Ziegelstein selbst legen oder jede einzelne Fliese im Badezimmer anbringen», sagte Vorstandschef Ola Källenius am Mittwoch in einem Interview mit Bloomberg TV im kalifornischen Sunnyvale. «Man muss als Architekt die Kontrolle behalten, aber auch Technologiepartnerschaften nutzen und sicherstellen, dass man mit den Besten zusammenarbeitet.»

Die Automobilhersteller sind bei der Entwicklung hauseigener Softwarefunktionen, die ausserhalb ihrer jahrzehntelangen Hardware-Expertise liegen, ins Straucheln geraten. Letztes Jahr verzögerte Volkswagen die Einführung neuer batteriebetriebener Audi- und Porsche-Modelle, weil ein dazugehöriges Betriebssystem nicht rechtzeitig fertig wurde.

Ola Källenius an der Internationalen Automobilausstellung IAA in München.

Vorstandschef Ola Källenius hat bei der Erneuerung der Mercedes-Software viel vor.

Quelle: Keystone

Es bleibt abzuwarten, wer am meisten von der Umwandlung von Automobilen in rollende Computer profitieren wird. Die Analysten der UBS schätzen den Umsatz mit softwaregestützten Fahrzeugen bis 2030 auf rund 700 Milliarden Dollar (657 Milliarden Euro).

Mercedes-Benz hat im vergangenen Jahr mit softwarebasierten Angeboten wie Navigation und Live-Verkehrsdiensten mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz erzielt. Bis 2025 soll rund ein Viertel des Forschungs- und Entwicklungsbudgets für Software ausgegeben werden.

Erwarteter Milliardenumsatz

Am Mittwoch prognostizierte der Automobilhersteller bis zum Ende des Jahrzehnts einen Umsatz im «hohen einstelligen Milliardenbereich». Das Unternehmen kooperiert mit Nvidia bei Software und Chips sowie mit Luminar Technologies bei laserbasierten Radarsystemen für Fahrerassistenzfunktionen. Mercedes stellt auch mehr Software-Spezialisten ein und nähert sich seinem Ziel von 3000 neuen Ingenieuren, sagte Källenius.

Kurzfristig rechnet Mercedes bis 2025 mit einem Gewinn vor Zinsen und Steuern von 1 Milliarde Euro aus dem Softwaregeschäft, sagte Finanzvorstand Harald Wilhelm auf der Veranstaltung am Mittwoch.

Dieser Betrag verteilt sich auf bestehende Infotainment-Lösungen und erste Angebote für das autonome Fahren. Mercedes teilte mit, dass die Vereinbarung mit Nvidia vorsieht, dass der Chiphersteller die Hälfte des Nettoumsatzes für autonome Software in Zukunft übernimmt.

«Dies ist eine Partnerschaft, bei der Risiko und Ertrag kombiniert werden, und wir glauben, dass sie nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich für beide Parteien sehr gut funktionieren wird», sagte Källenius zu Bloomberg.

Um die Margen während der Umstellung auf Elektroautos und Software zu halten, hat Mercedes den Fokus auf seine Spitzenmodelle wie die G-Klasse verlagert. Im November musste der Premium-Hersteller mit der starken Rabattierung seiner Flaggschiff-Elektrofahrzeuge in China einen Rückschlag hinnehmen.

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Neben der mit Google gemeinsam entwickelten Navigation haben Mercedes-Fahrer Zugriff auf die Youtube-App und können in städtischen Gebieten, in denen die Vorschriften es erlauben, die Hände vom Steuer nehmen. Das Unternehmen arbeitet ausserdem weiter daran, automatisiertes Fahren mit einer Geschwindigkeit von bis zu 130 Kilometern pro Stunde anzubieten.

Laut Technikchef Markus Schäfer spricht Mercedes auch weiterhin mit anderen Technologieunternehmen, die ähnliche Software und Produkte anbieten, wie Mercedes sie entwickelt – auch Branchenriesen wie Amazon und Apple, das selbst Auto-Pläne schmiedet.

«Wir haben keine antagonistische Beziehung zu irgendeinem dieser Tech-Player», fügte Källenius in dem Interview hinzu. «Wir arbeiten mit ihnen zusammen, um ihre wertvollen digitalen Dienste in unser System einzubringen, also ist das wirklich eine Win-win-Situation.»

Eine Vorabversion des neuen Betriebssystems wird in der Neuauflage der E-Klasse eingesetzt, die später in diesem Jahr auf den Markt kommt.

(bloomberg/spi)