Eugen A. Russ ist ein Wanderer zwischen den Zeitungswelten. Er bezeichnet sich selbst als Blattmacher, dem allerdings die Insignien der Macht rein gar nichts bedeuten. Bescheidenes Auftreten und Arbeiten im Hintergrund haben seinem Medienhaus zu unglaublichen Erfolgen verholfen, nämlich zu über 90% Marktanteil mit zweistelligen Renditezahlen.
Heerscharen von Verlegern sind bereits in sein hypermodernes Verlagshaus in der Nähe von Bregenz gepilgert, um sein Erfolgsmodell zu studieren. Sätze wie «Es gibt keine Strukturkrise in unserer Branche» oder «Wir sind nicht legitimiert, Macht auszuüben», zeichnen das Bild eines 42-Jährigen, den bereits viele als Guru des Zeitungswesens bezeichnen.
Als er vor Jahresfrist ein Referat vor dem Verband der Schweizer Presse in Zürich hielt, erntete er starken Applaus. Auch deutsche Verlagsmanager bezeichnen ihn als dynamischen jungen Verleger, der neue Wege beschreitet.
Je näher, desto besser
Was sind die Erfolgsrezepte dieses jungen, gar nicht aufdringlichen österreichischen Verlegers? Eugen A. Russ will den Unruhepuls der Zeit fühlen, geprägt von Erfahrungen, die er in früheren Jahren vor allem in den USA machte.
Für seine «Vorarlberger Nachrichten» (VN) Auflage 75 000 Exemplare, 70% Marktanteil hat er sich die Zeitung «US Today» als Vorbild auserkoren. Auch wenn man ihn anfangs belächelte und sein Blatt als Mickymaus-Zeitung bezeichnete, er hat sich von seinem Weg nicht abbringen lassen.
Und der Erfolg gibt ihm Recht. Bunt, ganz auf den Leser ausgerichtet, kurze Geschichten, kaum Auslandthemen, dafür alles, was im Regionalbereich Vorarlberg passiert. Eine reine Abonnentenzeitung, die bereits frühmorgens ausgetragen wird. Wer sich weiter gehend informieren will, kann bei den VN ein verbilligtes Abo der NZZ beziehen «natürlich die umfangreiche Schweizer Ausgabe, die gemeinsam in der Früh mit den VN ausgeliefert wird».
Was unterscheidet das Flaggschiff des Medienkonzerns, die VN, heute von einer Ausgabe, die vor 20 Jahren erschienen ist? Früher wurde ein Meinungsblatt gemacht, das stark polarisierte. Heute sagt Russ: «Wir müssen mit unserem Marktanteil behutsam umgehen.»
Sein Ziel ist es, eine offene Plattform anzubieten, faktenorientiert, auf der sich der Leser wiederfindet. Über ganz gewöhnliche Menschen will man etwas lesen, nicht über Politiker und Manager, meint er.
Das heisst konkret, dass von den 350000 Vorarlbergern pro Jahr 100000 möglichst per Bild in der Zeitung wiederzufinden sind. Alle Reporter sind mit modernen Kameras unterwegs und halten alle Ereignisse bildlich fest, diese Personenbilder werden dann in den verschiedenen Medien des Konzerns weiterverwendet, aber nicht archiviert. «Wir sind nicht die Polizei.»
Um seine Strategien weiterzu-entwickeln, hat er eine junge Mannschaft um sich geschart. Jeder ist mit jedem per Du, jeder hat seinen Laptop unter den Arm geklemmt und ist jederzeit einsatzbereit, egal wo er gerade unterwegs ist.
Russ ist sich nicht zu schade, für seine Mitarbeiter Kaffee holen zu gehen, wer jedoch nicht ins Team passt, hat keine Chance selbst wenn es der Chefredaktor ist: Vor Jahresfrist musste sich der damalige VN-Chef an eine Nebenfront zurückziehen. Ein besonderes Kunststück ist dem dynamischen Verleger im Internetbereich gelungen. Der Online-Sektor bereitet vielen Verlegern Kopfzerbrechen, weil kostspielig und verlustreich. Der Vorarlberger Medien-Zampano beweist das Gegenteil: Er bringt eine Online-Zeitung heraus, die schwarze Zahlen schreibt, 100 Mitarbeiter erwirtschaften bereits einen Drittel des Verlagsumsatzes von 100 Mio Euro.
Sparen und outsourcen
Russ hat Vorstellungen, die weiträumig gefasst sind. Er möchte seine Leser in allen Lebensbereichen an sein Blatt binden. Seine Vorarlberger «Community» soll durch Zusatzangebote und damit verbundene Einsparungen in die Lage versetzt werden, sein Blatt gratis zu beziehen.
Wie funktioniert das Erfolgsmodell? Russ bietet einen Mehrwert an:
- Ein Vertrag mit den Vorarlberger Kraftwerken ermöglicht es, verbilligten Strom anbieten zu können, was den 45000 davon profitierenden Abonnenten rund 30 Euro im Jahr bringt.
- Darüber hinaus wird eine günstige Unfallversicherung angeboten.
«Ein Kundenklub mit angeschlossener Zeitung» spottete einmal die «Süddeutsche Zeitung» über den Russ-Verlag. Tatsache ist, dass Eugen A. Russ eine Medienfestung in Vorarlberg mit einem Bein im Osten geschaffen hat. In Richtung Schweiz wird geschielt: «Wir wären an Partnerschaften in der Schweiz interessiert, leider bietet sich wenig an.» Partner braucht er für seine Expansion keine. Es wurden auch nie in diese Richtung Gespräche geführt.
Um für alle Angriffe der grossen Konzerne gewappnet zu sein «wenn einer mit viel Geld kommt sind wir massiv gefährdet» , müssen die Kosten besonders niedrig gehalten werden. Schlanke Strukturen sind für Russ deshalb das A und O. Wo immer möglich wird «outgesourct».
Vertrieb und Onlinedienste sind bereits eigene Gesellschaften, Druckerei und Anzeigen sollen folgen. «Die Ertragslage unserer Zeitung stimmt.» Eine Aussage, die wenige seiner Schweizer Kollegen für ihr Haus unterschreiben könnten.
Zur Person
Eugen A. Russ (42) entstammt einer alten Verlegerfamilie. Die «Vorarlberger Nachrichten» sind seit über 100 Jahren in Familienbesitz. Sein Vater verstarb, als er noch ein Kleinkind war. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften ohne Abschluss übernahm er vor 20 Jahren den Konzern. Zuerst als Chefredaktor, nun als Herausgeber. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Eugen Russ' Führungsprinzipien
1. Flache Hierarchien
2. Kein Chefbüro, kein Chefschreibtisch, keine Polstertüren, keine Insignien der Macht
3. Kooperativer Führungsstil
4. Weit gehendes Teleworking für die Mitarbeiter
5. Querdenker sind gefragt
6. Absolutes Kostenbewusstsein
Das Imperium von Russ:
«Vorarlberger Nachrichten», Auflage: 75000 Expl.
«Neue Vorarlberger Zeitung», Auflage: 20000 Expl.
Gratiszeitung «Wann & Wo»
Onlinezeitung www.vol.at
Druckerei (druckt die Hälfte der Auflage der Schweizer Gratiszeitung «20 Minuten Schweiz»)
Radio: Antenne Vorarlberg, Arabella Wien
Tages- und Wochenzeitungen in Ungarn und Rumänien