Mitten im Berliner Regierungsviertel, auf den Asphaltflächen zwischen Reichstag und Kanzleramt, steht dieses Haus mit kleinem Garten und Hecken, frech, wie ein Vogelhaus auf einer Verkehrsinsel: die Schweizer Botschaft. Das Haus hat auf wundersame Weise die Bombardements des Deutschen Regierungsviertels und überhaupt den Zweiten Weltkrieg überlebt. Der Charme des 19. Jahrhunderts steht da immer noch, zwischen der glatten Berliner Regierungsarchitektur der 1990er-Jahre.

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An einem frühsommerlichen Abend hat die Botschaft die grossen Namen der Schweizer Wirtschaft eingeladen, Vertreter von Credit Suisse, Swisscom, SBB, Axa sind hier – und eine Hand voll junger Gründer aus Berlin. Schweizer Wirtschaft trifft Berliner Kreativität, das ist die Idee.

Innovationsvorsprung beibehalten

Tim Guldimann, für den die Veranstaltung eine der letzten als Botschafter in Berlin ist, begrüsst jeden einzelnen Gast mit Handschlag. Man duzt sich auf elegantem Parkett. Warum gerade hier eine Veranstaltung für Startups stattfindet, fragt Guldimann rhetorisch. Er steht auf einer kleinen Bühne vor einem ehrwürdigen Spiegel. Vor ihm hängt ein imposanter Kronleuchter, neben ihm steht ein schwarzer Flügel, darauf ein silberner Kerzenhalter.

Die wirkmächtigsten Innovationen der letzten Jahre kämen von unkonventionellen kleinen Startups wie denen, die hier in der Schweizer Botschaft versammelt seien, so Guldimann. Mit diesen Startups könne der Innovationsvorsprung der Schweiz beibehalten werden. «Aber wer in der Pause rausgeht, darf nicht auf den Kiesstreifen im Garten treten», ermahnt der Gesandte. «Sonst verkratzt drinnen das Parkett.» Lockere Gründer hin oder her. Nach Guldimann darf Roger Müri von der Axa auf die Bühne, um in zwei Minuten sein Unternehmen vorzustellen. Normalerweise werben Gründer um Investoren, aber hier werben Investoren um Gründer.

Jede Menge Geld

Müri wirbt mit allem, was die AXA jungen Gründern zu bieten hat: Jede Menge Daten, jede Menge Geld und einen Venture Fund. Die Credit Suisse und die Post haben auch jede Menge Geld, sagen sie. Dann komm Jeannine Pilloud auf die Bühne, mit pinken Fingernägeln, silbrig glänzenden Schuhen und einem sehr grossen iPhone. Sie sagt, man habe schon ein Team «junger Wilder» beauftragt. Sie sollen die SBB revolutionieren, alles in Frage stellen. «Die einzigen Tabus sind Sex, Crime and Religion», sagt Pilloud. Bis jetzt haben die «jungen Wilden» auch schon eine Parkplatz-App angestossen.

Der Vertreter der SIX Group sagt: «In Berlin bei den jungen Startups glüht mein Herz.» Eliane Noverraz von der SRG sagt öffentlich, dass das lineare Fernsehen wohl ein Auslaufmodell ist, da müsse man wohl auf «neue Pferde setzen». Luca Graf von der Swiss, der ehemaligen fliegenden Bank, sagt, dass die Website der Swiss die umsatzstärkste der Schweiz sei, und er hoffe, damit Startups anzulocken.

Gegen «Konzerndinosaurier»

Adrian Bührer, der Vertreter von Swiss Life, war früher selbst Gründer («Sieben gegründet, in zehn investiert») und sagt: «Ich bin einer von euch.» Dann stellt er mit gespielter Überraschung und einem Blick auf sein Namensschild fest: «Oh, jetzt bin ich ja auch corporate!» Er verspricht den Gründern, sich mit ihnen gegen «Konzerndinosaurier» durchzusetzen. «Ich helfe euch, an die finanzielle ‹Firepower› des Konzerns zu kommen.» Wenn es nicht gerade höhere siebenstellige Beträge seien, die man brauche, müsse man auch nicht in der Vorstandsetage vorsprechen.

Beim Networking trifft man diejenigen, die in Zukunft den Schweizer Wohlstand sichern sollen. Alexander Peter beispielsweise, den Gründer von Phantominds, einer «Crowdsourcing Innovation Community». Peter studiert neben seinem Startup in Stanford. Früher, erzählt Peter, sei er mal bei einer Unternehmensberatung gewesen. Aber er hatte genug davon, immer dieselben Lösungen aus der Schublade zu holen. Seine neue Idee kann er in 30 Sekunden erklären. Aber es dauert eine Weile, bis man sie verstanden hat. Seine Crowdsourcing Innovation Community ist eigentlich das, was alle hier gut gebrauchen können: ein Netzwerk, das Ideen findet, auf die Firmen selbst nicht kommen.

Schlechte Ideen, gute Leute

Jeannine Pilloud sieht man beim Networken einen Tisch weiter mit einem jungen Herrn im Anzug angeregt diskutieren. Fabian Kofler heisst er und ist Gründer von «CarJump, einem Carsharing Aggregator.» «CarJump-Kunden können», sagt er, «mit ihrer Karte in alle anderen Carsharing-Anbieter wie DriveNow oder Car2Go einsteigen.»

An der Bar läuft man Adrian Bührer von SwissLife über den Weg. Der Mann, der sich als «einer von euch» vorgestellt hat. Swiss Life kann sich glücklich schätzen, ihn zu haben. Von allen Talentscouts hier scheint er das Spiel am besten zu verstehen. «Es geht eigentlich gar nicht so sehr um das ‹Next Big Thing›», sagt Adrian Bührer. «Manchmal treffe ich Startups, bei denen ich denke: ‹Eure Idee ist scheisse, aber euch, euch wollen wir›.»

Die Startup-Vertreter sind dann übrigens doch auf dem Kies im Garten herumgegangen und dann wieder auf dem Parkett der Botschaft – niemand hat etwas gesagt.