Umweltschutz gehört zu den prioritären Anliegen der EU-Kommission, deshalb erlässt sie in regelmässigen Abständen verschärfte Emissionsvorschriften für Motorfahrzeuge. Wie diese erfüllt werden sollen, darüber gehen die Meinungen der Hersteller jedoch auseinander.
In den kommenden Jahren verschärft die EU die Abgasemissionen für Nutzfahrzeuge in Europa. Ab Januar 2006 tritt die Euro-4-Norm in Kraft, und ab Anfang 2009 muss Euro-5 erfüllt werden. Im Gegensatz zu früheren Emissionsstandards gingen diesmal die Hersteller in die Offensive. Heute stehen wir deshalb vor der Tatsache, dass Nutzfahrzeuge, die Euro-4 erfüllen, von einem Hersteller nämlich Scania bereits lieferbar sind. Im kommenden Jahr bieten auch die übrigen europäischen Nutzfahrzeughersteller Euro-4-Fahrzeuge an, dies mehrere Monate vor dem definitiven Einführungstermin.
Doch damit nicht genug: Europas Hersteller kündigten an der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover an, dass die Kunden ab Mitte des kommenden Jahres bereits Modelle kaufen können, die Euro-5 erfüllen. Angesichts dieser schon fast ungestümen Vorwärtsstrategie der Hersteller in Sachen Emissionsreduktion ist es kaum verwunderlich, dass die Kundschaft völlig verunsichert wurde. Wer sich nicht intensiv mit der Bürokratie der Brüsseler EU-Behörde in Sachen Umweltgrenzwerte befasst, fragt sich, welchen Lastwagen man kaufen soll.
Dazu kommt, dass die Hersteller zwei verschiedene Verfahren (Abgasrückführung bzw. SCR-Technik) für die Erfüllung von Euro-4 wählten. Einigkeit herrscht dagegen im Hinblick auf Euro-5. Hier sind zumindest zum jetzigen Zeitpunkt alle Hersteller der Meinung, dass diese Grenzwerte nur mit dem SCR-Verfahren zu erfüllen sind.
Im Vordergrund muss der Einsatzbereich stehen
Der Entscheid, ob man ein Euro-4- oder gleich ein Euro-5- oder gar noch ein Euro-3-Modell kaufen soll, hängt in hohem Masse davon ab, unter welchen Einsatzbedingungen das zu kaufende Fahrzeug später betrieben wird. Es kann zum Beispiel davon ausgegangen werden, dass Spediteure oder Transportunternehmen, denen Euro-5-Motoren keine unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteile bieten, sich einstweilen für Euro-4- oder solange dies noch möglich ist sogar für Euro-3-Motoren entscheiden.
Eines allerdings scheint unverändert gültig. Der Dieselmotor bleibt dank seines hohen Wirkungsgrades auf Jahre hinaus die beste Alternative für schwere Nutzfahrzeuge. Mit Hilfe einer Kombination verschiedener Technologien wird es möglich sein, die Schadstoffemissionen auf einen Wert zu verringern, bei dem sich dann der Schwerpunkt der Schadstoffdiskussion auf die Kohlendioxid-Emissionen verlagern wird. Auch dies spricht letztlich für den Dieselmotor wie auch für seine Flexibilität bei der Verwendung unterschiedlicher Treibstoffe wobei zukünftig eine Mischung von Diesel und Biotreibstoffen attraktiver werden könnte. Eine interessante Alternative ist auch synthetischer Diesel, der aus Erdgas oder Bioabfällen produziert wird.
Europäische Emissionsgrenzwerte: Die Begriffe im Einzelnen
AdBlue: Wässrige Harnstofflösung, die für die Stickoxidreduktion benötigt und vor dem SCR-Kat dem Abgas zugesetzt wird. Experten schätzen den Verbrauch auf rund 5% des Dieselverbrauchs.
AGR (auch EGR): Abgasrückführung. Durch Zufuhr eines Teils der Abgase in den Zylinder wird die Verbrennungstemperatur und damit der Stickoxidausstoss gesenkt.
Euro-4 und -5: Europäische Abgasgrenzwerte für Strassenfahrzeuge, die 2006 bzw. 2009 in Kraft treten.
HCCI: Abkürzung für Homogenous Charge Compression Ignition. Mischung aus selbst- und fremdzündendem Verbrennungsmotor, der dank magerem Gemisch und hohen Abgasrückführungsraten sehr gute Schadstoffwerte aufweist. Laut Experten frühestens in acht Jahren serienreif.
HPI: High Pressure Injection, elektronisch-hydraulisch gesteuertes Pumpe-Düse-Einspritzsystem von Scania.
SCR: Selective Catalytic Reduction. Verfahren zur Eliminierung von Stickoxiden aus dem Abgas mittels AdBlue-Einspritzung und Reduktionskatalysator.
Turbocompound: Die Bezeichnung des Nutzfahrzeugherstellers Scania für ein spezielles Verfahren, welches die doppelte Nutzung des Abgasstroms durch einen klassischen Turbolader und eine zweite Turbine, die über Getriebe und eine Hydraulikkupplung auf die Kurbelwelle wirkt, zum Inhalt hat. (kb)