Eva Jaisli lässt keinen Zweifel aufkommen. Seit Jahren schon setzt sie bei PB Swiss Tools auf Diversity. «Wir bauen den Frauenanteil in der Firma systematisch aus», sagt die Chefin des mittelständischen Werkzeugherstellers in Wasen BE. Auf allen Ebenen habe die Firma einen Frauenanteil von 30 Prozent. «Das ist in der männerdominierten Metallindustrie nicht selbstverständlich», betont sie. PB Swiss Tools stellt in Wasen und Sumiswald im Emmental mit 140 Mitarbeitern jährlich neun Millionen Werkzeuge her, die weltweit vertrieben werden. Seit der Umstrukturierung im Jahr 2000 hat Jaisli die Firma in die neue Richtung geführt. «Diversity», sagt sie, «ist für jedes Unternehmen eine wichtige Voraussetzung, um innovative Leistungen zu erbringen.» Sie legt Wert auf die Feststellung, dass Diversity Sache der Geschäftsleitung ist: «Das kann man nicht dem Zufall überlassen.»

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Selbstredend ist Diversity nicht auf die bessere Beteiligung der Frauen in der Wirtschaft beschränkt. Obwohl auch das Management bei PB Swiss Tools immer wieder darum ringt, dass der Frauenanteil steigt statt sinkt. Jaisli betont, dass eine gute Durchmischung von Teams nach Ausbildung, Alter, Erfahrung und Geschlecht für die Zusammenarbeit ausschlaggebend sei. Als knifflige Aufgabe stellte sich die altersmässig richtige Zusammensetzung von Teams heraus. «Wir mussten Vorgaben machen», sagt Jaisli, «und das tun wir immer noch.» So habe sie in einem Team Mitarbeiter aus drei Generationen eingesetzt. Daraus hätten starke Lernprozesse und neue Lösungen resultiert.

Diversity, verstanden als Führungsinstrument mit vielfältig gemischten Teams auf allen Ebenen der Firmenhierarchie, ist eine der grossen Herausforderungen für multinationale wie mittelständische Unternehmen. Diversity ist aber noch viel mehr. Es ist die Benchmark, die in den kommenden Jahren über Erfolg oder Scheitern der Unternehmen in der globalisierten Wirtschaft entscheiden wird.

Denn die Globalisierung wird die Wirtschaft künftig in viel grösserem Mass verändern, als dies bisher der Fall war. Besonders starke Umwälzungen werden den Arbeitsmarkt erfassen. Um die besten Talente werden nicht mehr nur multinationale Firmen miteinander konkurrieren, der Kampf wird sich vielmehr zunehmend auf die KMU erstrecken. So werden gemäss einer Untersuchung der Beratungsfirma Booz & Co. vier Trends den globalen Arbeitsmarkt in den nächsten zwei Dekaden prägen: veränderte Altersstrukturen, Fachkräftemangel, multikulturelle Gesellschaften und globalisierte Karrieren.

Personalmangel. In allen westlichen Gesellschaften wird die Überalterung zu einem beherrschenden Thema. Die Generation der Babyboomer geht in den kommenden Jahren in Rente. Sie hinterlässt eine schwer zu schliessende Lücke im Arbeitsmarkt. Dies gilt auch für die Schweiz, die gegenüber dem Rest von Europa zwar in einer relativ komfortablen Position ist. Die Erwerbsquote der 55- bis 64-jährigen Schweizer ist mit rund 71 Prozent eine der höchsten in ganz Europa (siehe Grafik unten). Eine Angleichung ans europäische Niveau könnte fatale Folgen für die heimische Wirtschaft haben.

Die Schweiz als Exportnation mit innovations- und wertschöpfungsintensiven Branchen ist in hohem Mass auf Fachkräfte angewiesen. Zwar sind in der jüngsten Vergangenheit zunehmend hoch qualifizierte Ausländer in die Schweiz eingewandert. Doch mit einem Anteil von 22 Prozent ist wohl bald die obere Limite erreicht. Die helvetische Wirtschaft wird es sich in Zukunft kaum mehr leisten können, das grosse Potenzial der Frauen brachliegen zu lassen. Schon jetzt stellen diese über 50 Prozent der Universitätsabsolventen. «Die grosse Mehrheit der internationalen Bildungselite besteht aus Frauen und Menschen mit anderem ethnischem Hintergrund als der bislang dominierende Talentpool aus Nordamerika und Westeuropa», schreibt Booz & Co. in der Studie. Der Wettbewerb um Spitzenkräfte finde heute weltweit, besonders aber in Asien statt. Um diese Spitzenkräfte kommen auch die KMU in den kommenden Jahren nicht herum.

«Gemischte Teams sind nachweisbar erfolgreicher», sagt die Unternehmerin Barbara Rigassi. Sie hat das Netzwerk GetDiversity mitgegründet, das Frauen bei der Karriereplanung unterstützt. Frauen, so Rigassi, brächten andere Sichtweisen in Teams ein, verfügten über einen anderen Erfahrungshintergrund und eine breitere soziale Einbettung als Männer. Doch auch für Rigassi weist Diversity über das Frauenthema hinaus und hat eine umfassende Dimension. «Es geht darum, in Führungs- und anderen Teams möglichst unterschiedliche Sichtweisen einzubringen und die zunehmend komplexe Umwelt besser zu erfassen.» Nur so lasse sich der Geschäftserfolg längerfristig sicherstellen.

Schwache Datenbasis. Die KMU haben in dieser Beziehung einen entscheidenden Vorteil. «Die Chefs sind nahe an den Mitarbeitern, der Organisation und den Kunden», sagt Unternehmensberaterin Claude Koehl von Intercultural Services. Sie werde zu Beginn einer Beratung immer gefragt, was die Implementierung von Diversity bringe und was sie koste. Sie sagt dann jeweils, dass die Kosten relativ gering seien und der Nutzen enorm gross.

Zuerst muss sich das Management über den Zustand des Unternehmens im Klaren sein. «Viele Firmen verfügen nicht über die nötigen Informationen», sagt Koehl. Deshalb müssten zuerst die Kennzahlen aufgearbeitet werden wie Fluktuationsrate, Absenzen, das Verhältnis von Frauen und Männern oder von Jungen und Alten, die verschiedenen Nationalitäten. Ein gutes Instrument, den Mitarbeitern auf den Puls zu fühlen, ist das Intranet. Ein Fragebogen über das Betriebsklima sowie das Verhältnis zu Kunden und Vorgesetzten kann schon grossen Aufschluss geben.

In einem zweiten Schritt wird das Diversity-Konzept umgesetzt, indem in den Teams auf allen Stufen der Firma über die offenen Fragen diskutiert wird und Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Transparenz und Kommunikation sind wichtige Stützpfeiler von Diversity. Aus den Diskussionen kann sich etwa ergeben, dass Teams neu zusammengesetzt werden müssen, um der Verschiedenartigkeit Ausdruck zu geben. «Zu homogene Teams», so eine Studie von McKinsey, «tendieren zu uniformen statt zu kreativen Lösungen.» Firmen können es sich heute schlicht nicht mehr leisten, ihr kreatives und innovatives Potenzial brachliegen zu lassen.