Neil Goldsmith ist ein «Serientäter». In den letzten 17 Jahren war der 41-jährige Engländer bei elf Firmengründungen dabei. Vier der Unternehmen sind heute an der Börse, zwei scheiterten. Selbst gegründet habe er aber nur etwa die Hälfte, relativiert Goldsmith.

Sein jüngstes Projekt heisst Evolva. «Ich habe viele Biotech-Ventures gesehen, die gute Investmentmöglichkeiten boten. Doch Evolva hat das Potenzial, die Pharmaindustrie zu verändern», sagt der in Oxford ausgebildete Biologe nicht unbescheiden. «Evolva wird entweder einen signifikanten Einfluss auf die Industrie haben oder scheitern.»

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Von der Aussergewöhnlichkeit seines jüngsten Vorhabens ist offenbar nicht nur Goldsmith selbst überzeugt, sondern auch die Venture-Capital-Szene: Evolva hat den für eine Erstfinanzierung ungewöhnlich hohen Betrag von 12 Mio Euro erhalten. Mit von der Partie waren die Schweizer Geldgeber Aravis und der Novartis Venture Fund. Für ein europäisches Start-up eher überraschend ist zudem, dass mit dem Venture Fund der Pharmafirma Yamanouchi auch ein japanischer Geldgeber einstieg.

Evolva wurde in Dänemark gegründet. Per Januar 2005 zieht die Firma aber nach Basel, das im schweizerischen Schönheitswettbewerb Zürich ausgestochen hat. «Wir brauchen nicht nur die geografische Nähe zu möglichen Partnern der Big Pharma, sondern auch das Rekrutierungspotenzial eines wichtigen Pharmastandorts», sagt Goldsmith. Kopenhagen ist dafür nicht geeignet. Wieso aber Basel und nicht die viel nahe liegenderen Pharmastandorte USA oder England? «Anfangs haben wir gar nicht an die Schweiz gedacht», gibt Goldsmith zu. Dennoch schaffte es die Eidgenossenschaft zusammen mit England in die Endausscheidung für den Firmenstandort.

Gegen die USA hätten drei Dinge gesprochen: Erstens kämen die Kapitalgeber primär aus Europa. Zweitens befänden sich mögliche Pharmapartner eher in Europa als in den USA. «Viele sagen, die Pharmaindustrie habe ihre Zelte in Europa abgebrochen und sei in die USA gezogen. Aber für unseren Geschäftsbereich ist Europa wichtiger als die USA», sagt Goldsmith. «Und wir haben eine sehr systematische Analyse gemacht.» Der dritte Grund sei der Arbeitsmarkt, der sich in den USA seit dem 11. September stark verschlechtert habe. Es sei schwierig geworden, ausländische Arbeitskräfte nach Amerika zu bringen.

Lob für Wirtschaftsförderung

Den Ausschlag für die Schweiz habe dann gegeben, dass Evolva zwei schweizerische Kapitalgeber, aber keinen englischen an Bord hatte. Goldsmith ist des Lobes voll über die Wirtschaftsförderung beider Basel. Die sei «sehr sehr hilfreich» gewesen. Besonders beeindruckt ist Goldsmith von dem grossen Netzwerk ehemaliger Novartis- und Roche-Mitarbeiter, das die Basler Wirtschaftsförderung für die Unternehmensansiedlung beigezogen hat.

Mit vier Mitarbeitern ist Evolva erst ein Miniunternehmen. Aber bereits sind auf der Internetseite der Firma fünf Jobs ausgeschrieben. Und bis Ende nächstes Jahr sollen insgesamt 20 Mitarbeiter angeworben werden, davon 15 Forscher. Wie wird man eigentlich zum Seriengründer? Die konservative Regierung Thatcher hatte seinerzeit den Versuch unternommen, aus Wissenschaftern Unternehmer zu machen. Goldsmith war bei dem Experiment an der schottischen Universität Stirling dabei, und bei ihm ist das unternehmerische Gedankengut auf fruchtbaren Boden gefallen.

Ein junges Unternehmen aufzusetzen, sei für ihn wie ein Kunstwerk. Es gäbe ein paar Grundregeln, aber daneben brauche es viel Fingerspitzengefühl und Intuition. «Irgendwann ist das Gemälde gemalt, die Phase, die mich am meisten interessiert, fertig.»

Wenn in einem Unternehmen der Alltag Einzug hält, ist für Goldsmith jeweils die Zeit gekommen, Abschied zu nehmen und ein neues Projekt anzureissen. Bei Evolva will er aber länger verweilen, weil diese Firma so aussergewöhnlich sei und bei der Wirkstoffforschung völlig anders vorgehe als die Pharmaindustrie.

Suche nach Partnern

Diese arbeitet wie folgt: Sie definiert Regeln für Moleküle, die für Medikamente geeignet sein könnten. Nach der Herstellung der Moleküle werden diese auf ihre Wirksamkeit getestet. Wegen der hohen Komplexität der biologischen Systeme resultieren durch dieses Vorgehen allerdings nur selten brauchbare Wirkstoffe. Evolva benütze dagegen das biologische System, um Moleküle herzustellen, die funktionieren, so Goldsmith.

Konkret pfropft Evolva der Hefe fremde Gene ein und lässt diese neue Moleküle herstellen. Wenn die Moleküle einmal da seien, analysiere Evolva ihre Zusammensetzung und Wirkung. «Wir nehmen dann jene Zellen, die etwas Sinnvolles produzieren und kreuzen sie miteinander.» Die der Hefe zugefügten Gene sind natürlicher Art aus dem Pflanzen- und Tierreich. Evolva will ihre Gen-Sammlung in den nächsten sechs Monaten auf 2000 Arten erweitern.

Um die von der Hefe produzierten Moleküle möglichst effizient auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu können, hat das Unternehmen eine eindrückliche Screeningtechnologie entwickelt. Ein grosses Pharmaunternehmen könne rund 1 Mio Wirkstoffe pro Tag auf ihre Wirksamkeit überprüfen, so Goldsmith. «Wir hingegen durchforsten 1 Mrd Zellen in vier Stunden, die eine Vielzahl verschiedener Wirkstoffe in sich tragen.»

Nachdem sich das Jungunternehmen in den vergangenen Monaten auf die Investorensuche konzentriert hatte, beginnt jetzt die Suche nach Partnern, mit denen Evolva die Moleküle weiterentwickeln und testen kann. Ob dieser zweite Meilenstein erreicht werden kann oder nicht: Für Simon Nebel, Partner der beteiligten Venture-Gesellschaft Aravis, ist die Evolva-Ansiedlung in Basel ein Beweis für die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz.