Auf dem Dach eines Tramdepots in einem Basler Industrieareal schwimmen Buntbarsche in einem Zuchtbecken. Dieses steht in einem dicht bepflanzten Gewächshaus. Den Dünger für den Anbau von Gemüse, das mit dem Wasser aus dem Becken bewässert wird, liefert der Kot der Fische.

Die Wurzeln der Pflanzen wiederum reinigen, indem sie Ausscheidungen der Tiere absorbieren, das Wasser im Fischbecken. Von aussen beigefügt werden dieser kleinen Hightech-Farm lediglich Futter und Wasser. «Wir produzieren in einem natürlichen Kreislauf ohne Abfall», sagt Roman Gaus, Firmenchef von Urban Farmers.

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Migros und Restaurants kaufen bei Urban Farmers

Im Januar 2013, mitten im Winter also, ging die 250 Quadratmeter grosse Pilotanlage in Betrieb. Mit Erfolg: Die Ernte im ersten Jahr ergab stolze fünf Tonnen Gemüse und 850 Kilo Fisch. Damit ist für den Ökonomen Gaus, der während seines Studiums mit Landwirtschaft noch wenig am Hut hatte, der Beweis erbracht: «Das Prinzip dieser sogenannten Aquaponic-Anlage, die Fischzucht und Gemüsebau vereint, funktioniert.»

Die auf dem Dach geerntete Nahrung kommt auch bei den Konsumenten gut an. Die Migros-Filiale im Dreispitz verkauft das Gemüse und die Fische. Beides findet sich auch auf der Speisekarte von rund einem halben Dutzend Restaurants in Basel.

Promotionstour mit der Minifarm

Das Aquaponic-System hat eine längere Vorgeschichte. Es wurde in den 1990er-Jahren an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil ausgetüftelt und seither laufend weiterentwickelt. Gaus war bei einem zweijährigen Aufenthalt in den USA mit dem dort boomenden Urban Farming vertraut geworden. Als er 2010 in die Schweiz zurückkehrte, kontaktierte er den Naturwissenschafter Andreas Graber. Dieser war an der ZHAW für das Aquaponic-Projekt verantwortlich.

Die zwei Männer taten sich zusammen, um Aquaponic aus dem Labor herauszuholen und professionell zu vermarkten. Zuerst bauten sie eine Minifarm in einem Cargo-Container und gingen damit auf Promotionstour. Sie zeigten in Zürich und in weiteren Städten, wie sich auf einer Fläche von zwei Autoparkplätzen genug Fisch und Gemüse für eine vierköpfige Familie produzieren lässt. Das war eindrücklich, doch lässt sich so natürlich noch kein Geld verdienen.

Pilotanlage kostete 1 Million Franken

Auch die Pilotanlage in Basel, die rund 1 Million Franken gekostet hat, wirft noch keinen Gewinn ab. «Profitabel wird eine Farm erst ab einer Grösse von 1000 Quadratmetern», sagt Gaus. Den nächsten Schritt sieht er im Bau mehrerer grösserer Anlagen. Auf den Dächern der dicht besiedelten Schweizer Städte fände sich genug Platz, um rund ein Drittel unserer frischen Lebensmittel zu produzieren.

Wenn Gaus etwa an Supermärkte denkt, kommt er zum Schluss: «Auf deren Dächern könnte schnell einmal mehr Gemüse und Fisch geerntet werden, als sich unten im Laden verkaufen lässt.»

Technologie statt Erde

Beim Bau der Pilotanlage wurde die Firma von Stiftungen und einer privaten Investorin unterstützt. Beflügelnd wirkten bei diesen Vorhaben auch die bei diversen Wettbewerben gewonnenen Auszeichnungen. Nun soll das erste Vorzeigeobjekt multipliziert, industrialisiert und kommerzialisiert werden. Gaus schweben in seiner Wirtschaftlichkeitsrechnung Dachfarmen zu Anlagekosten von 1,2 Millionen Franken und mit einer jährlichen Rendite von 6 bis 8 Prozent vor.

Urban Farmers möchte die Anlagen nicht nur planen und bauen, sondern auch bewirtschaften. sieben bis zehn Dachfarmen könnten zum Break-even reichen. Zum Geschäftsmodell gehört weiter, Anlagen zu verkaufen oder in einem Franchising von Dritten betreiben zu lassen.

«Primär eine Technologiefirma»

Um die Wachstumspläne zu realisieren, sucht die Firma derzeit Kapital. Gleichzeitig bemüht sich ein Team an der ZHAW, die Prozesstechnologie der Aquaponic weiter zu optimieren. Auch die Mikrobiologie von Gemüse und Fisch untersuchen die Forscher. Die Pflanzen gedeihen schliesslich nicht in der Erde, sondern in Substraten aus Kokosnuss oder Steinwolle. Das System von Urban Farmers darf jedenfalls nicht mit einem urbanen Hobbygarten verwechselt werden. Vielmehr handelt es sich um einen komplexen Anlagenbau.

Urban Farmers hat dazu eine Software entwickelt, mit der sich die Stadtfarm auch über das Smartphone steuern lässt. Gaus stellt klar: «Auch wenn wir Lebensmittel produzieren, verstehen wir uns primär als Technologiefirma.» Also ist die Firma mit dem Hauptsitz im Technopark Zürich an der richtigen Adresse.