Fast Fashion: Ist Edikted das neue Shein?

Der chinesische Online-Händler Shein ist zum Synonym für Fast Fashion geworden. Die Idee von günstig produzierter Mode, die durch Influencer gepusht wird, nimmt in der Modeindustrie an Fahrt auf. Das zeigt das neuste Beispiel aus Israel: Edikted ist ein Online-Fashionstore, der kaum ein Jahr alt ist, aber bei der Generation Z schon ganz oben steht. Zumindest auf den Suchportalen und auf Social Media. Gründer Dedy Schwartzberg hat gegenüber dem Online-Modemagazin «Business of Fashion» erklärt, wie man innert kürzester Zeit einen solchen Brand aufbaut. Vor zehn Jahren hat er mit Adika bereits den grössten Fashion-Online-Händler Israels gestartet, jetzt doppelt er mit Edikted nach. Und zwar mit dem Geschäftsmodell, welches bereits bei Shein, Fashion Nova und anderen Anbietern, die billig hippe Looks produzieren, funktioniert hat. Mode am Laufband statt auf dem Laufsteg. Edikted im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei geht es nicht mal mehr um die Mode selbst, sondern vor allem um das Ranking bei Tiktok, Instagram und Co. Wenn die Looks dort aus all den Posts herausstechen, dann werden sie auch gekauft. Edikted hat es geschafft, bei der Generation Z in der Google-Suchmaschine ganz oben zu stehen, wie «Business of Fashion» berichtet. Anscheinend werden auch die Tiktok-Videos mehr beachtet als die der Konkurrenz. Wie viel Umsatz Edikted macht, möchte der Gründer nicht verraten. Shein: Ein chinesischer Modehändler überrollt Europa Beim Preis lässt der Fast-Fashion-Anbieter Shein H&M und Zara alt aussehen – und überholt mit der App sogar Amazon. Jetzt will Shein an die Börse. Weltweit gleicher Look Schwartzberg spricht von einer einfachen Formel, welche die Anfang-20-Jährigen verführen soll: Trends rasch erfassen, die Herstellungskosten der Kleider möglichst tief halten und soziale Medien mit Styles und Looks «überfluten». Dabei haben soziale Medien in Sachen Mode zu einem Phänomen geführt: Die Generation Z sieht überall auf der Welt gleich aus. Sie haben die gleichen Bedürfnisse, kennen die gleichen Codes und kleiden sich auch gleich. «Wenn man also lernt, wie man mit dem einen spricht, lernt man auch, wie man mit dem anderen spricht», sagt Schwartzberg im Artikel. Dank Instagram und Co. kann sich heute ein Teenager aus dem Oberaargau identisch cool kleiden wie einer aus dem koreanischen Seoul. Diese Taktik hat innerhalb von kurzer Zeit neue Fast-Fashion-Giganten nach oben gespült und lässt Zara und H&M alt aussehen. Diese Unternehmen produzieren in Rekordtempo neue Styles bei immer schneller wechselnden Trends. So wie Shein aus China nützt auch Edikted die neuen Bedingungen zur Herstellung von Kleidung aus. Anstatt eine hohe Anzahl von Kleidern zu bestellen, ordert Edikted laut Schwartzberg nur eine kleinere Menge. Diese Klamotten präsentiert der Online-Shop auf Tiktok oder Instagram, macht sie begehrenswert und doppelt dann mit einer höheren Stückzahl nach. Oder Edikted kupfert innerhalb weniger Tage von Designermarken ab. «Instagramable» Da der Online-Shop von Edikted mit vielen Teilen daherkommt, ist es schwierig, diese Kopien rasch zu erkennen und dementsprechend die Konsequenzen zu ziehen. So präsentiert Edikted bis zu hundert verschiedene Looks pro Monat, bei Shein sind es sogar Tausende. Dabei wolle man sich aber in Bezug auf die Qualität von Shein unterscheiden, heisst es bei Edikted. Die Kleider sind dementsprechend teurer als beim chinesischen Konkurrenten. Das Label aus Israel manipuliert die Kundinnen und Kunden aber auch mit Blitzverkäufen und nahezu ständigen Sales – damit sie das Gefühl erhalten, einen guten Deal gemacht zu haben. Letztlich geht es um die perfekte Verzahnung von Look und Social-Media-Auftritt. Dass sich die Käufer und Käuferinnen mit der Bildsprache und der Präsenz der Influencer, welche Edikted-Klamotten tragen, identifizieren können, ist genauso wichtig wie die Kleidung selbst: Ein Foto mit der Kleidung auf Instagram ist mindestens so wichtig wie das Tragen der Kleidung. Deshalb sind die sogenannten Nano-Influencer sehr wichtig für Edikted. Nano-Influencer sind eigentlich eher wie Freunde und weniger wie Vorbilder. Deshalb verhalten sich ihre Follower meist noch loyaler als bei den bewährten Influencern. Das gilt besonders gegenüber einer Marke. Sobald Edikted etwas Neues auf den Markt wirft, muss die Influencerin unbedingt dabei sein – und damit auch ihre Follower. Der «Fomo»-Effekt lässt grüssen. Der Lebenszyklus wird noch kürzer Nicht nur die Präsenz auf Social Media, sondern auch die Schnelligkeit ist matchentscheidend für Edikted. Die Teile müssen schneller als die der Konkurrenz im Briefkasten der Käuferinnen und Käufer liegen. Man setzt – trotz Widerspruch zum allgegenwärtigen Thema Nachhaltigkeit – auf den Transport über den Luftweg. Das ist allgemein die Kehrseite der Medaille: Nachhaltigkeit scheint gerade im Kontext dieser enorm billig produzierten Kleidung kein Thema zu sein. Obwohl die Konsumierenden von der gleichen Generation wie die Klimajugend sind. Die grosse Nachfrage nach der Billigmode setzt auch bewährte Player unter Druck, ihre Margen anzupassen und die Kleider noch günstiger anzubieten – was auf Kosten der Umwelt und der Arbeitsbedingungen geht. Die Jagd nach dem neusten Teil scheint das oberste Mantra der Gen Z zu sein, die Nachhaltigkeit ist zweitrangig. Edikted versucht, den Vorwurf der Billigmode mit dem Argument der Vorbestellungen zu entkräften. Diese würden Ressourcen schonen. Aber der On-Demand-Bestellvorgang täuscht nicht darüber hinweg, dass etwa synthetische Materialien nicht wiederverwertet werden können. Für Umweltschutzbefürworterinnen bleibt nur zu hoffen, dass die jungen Käufer mit zunehmendem Alter Verantwortung gegenüber dem Klimawandel übernehmen und sich von Fast Fashion abwenden.