Auf Damen im Saal nimmt Bank-Leu-Direktor Thomas Jost keine Rücksicht. Der Fürsprecher greift tief in die Zotenkiste, um seine potenten Zuhörer aus Deutschland für die Schweiz als Zufluchtsort zu begeistern. Drei Nidwaldner Joggerinnen also will Jost gerade bei seinem Aufstieg ins Seminarhotel Fürigen am Ufer des Vierwaldstättersees beim Taxieren einer bestimmten Körperpartie eines Nacktbaders belauscht haben. «Das könnte mein Mann sein», soll die erste Läuferin beim Betrachten der blossen Männlichkeit getuschelt haben. «Das ist nicht dein Mann», belehrt die Zweite. «Der ist überhaupt nicht aus Stansstad», toppt kenntnisreich die dritte Voyeurin.

Die schlüpfrige Pointe münzt der Banker sodann aufmunternd um. Unter Leitung von Bank-Leu-Beratern werde «die deutsche Steuerverwaltung» nach einem Umzug der Zuhörer in die Schweiz «denken, das ist kein Deutscher». Und dann dreht Jost auf, referiert über «von uns weiterentwickelte Stiftungen», etwa mit Ablegern in der Karibik. Auf der Leinwand im «Fürigen»-Festsaal «Seeblick» lässt Jost einen Schweizer Trust aufscheinen, dem zwar zu 100 Prozent eine fiktive Firma namens Flower-Power IBC Bahamas gehört. Aber bei dem intelligent kaschierten Konstrukt der Credit-Suisse-Tochter Leu «taucht in der Korrespondenz Flower-Power auf, nicht mehr der Schweizer Trust».

Die schlüpfrige Pointe münzt der Banker sodann aufmunternd um. Unter Leitung von Bank-Leu-Beratern werde «die deutsche Steuerverwaltung» nach einem Umzug der Zuhörer in die Schweiz «denken, das ist kein Deutscher». Und dann dreht Jost auf, referiert über «von uns weiterentwickelte Stiftungen», etwa mit Ablegern in der Karibik. Auf der Leinwand im «Fürigen»-Festsaal «Seeblick» lässt Jost einen Schweizer Trust aufscheinen, dem zwar zu 100 Prozent eine fiktive Firma namens Flower-Power IBC Bahamas gehört. Aber bei dem intelligent kaschierten Konstrukt der Credit-Suisse-Tochter Leu «taucht in der Korrespondenz Flower-Power auf, nicht mehr der Schweizer Trust».

Als offizieller Veranstalter fungiert eine «Institut Professor Dr. Bocker GmbH» aus Alpnach Dorf im benachbarten Obwalden. Der Herr Professor Hans-Jürgen Bocker, selbst seit drei Jahren offiziell in der Schweiz ansässig, fährt im Mercedes mit Liechtensteiner Kennzeichen vor. Von Profession Maschinenbauer, gibt Bocker im «Fürigen» wahlweise den Historiker: «Im Mittelalter wurden wegen des Zehnten Kriege geführt. Heute zahlen Freunde von mir in München 70 Prozent.» Oder der Gastgeber übt sich als Prophet für düstere Orakel. Er warnt vor einem unausweichlichen «Crash im nächsten Jahr, nach der Präsidentenwahl in den USA». Sein heisser Tipp: «Gold. Und kümmern Sie sich um einen Schweizer Pass. Das ist eine Investition auch für die kommenden Generationen.»

Elf Referenten bietet das Institut Bocker auf, darunter mit Daniel Käslin den leibhaftigen Chef der Steuerverwaltung des Kantons Nidwalden in Stans. Der «Seeblick»-Saal des Hotels als Tagungsort dürfte mit Hintergedanken gewählt sein. Beim Ausblick nämlich kann Käslin so auf seinen Nidwaldner Hauptort Hergiswil deuten und auf den angrenzenden Kanton mit der namensgebenden Hauptstadt Luzern: «Da zahlen Sie rund 40 Prozent mehr Steuern als in Nidwalden», rechnet er dem Auditorium vor. Ganz parteiischer Lokalpatriot, schwärmt Käslin vom Steuerparadies Nidwalden als «zweitgünstigstem Kanton» der Schweiz. Nur Zug verlangt weniger Steuern. Theoretisch. Denn da und im benachbarten Schwyz erwarten die Behörden von Immigranten «ein Minimum von 500 000 Franken» Jahreseinkommen. Eine Aufenthaltsbewilligung in Nidwalden ist hingegen schon für Zuzüger mit 150 000 Franken Jahreseinkommen zu erhalten. Billiger geht es nach der Statistik nur im Tessin, «mit 130 000 Franken».

Käslin bestätigt somit freimütig einen «Wettbewerb unter den Steuerverwaltungen». Rundfahrten durch die 26 helvetischen Kantone mit ihren gesamthaft 3029 Gemeinden können sich die Seminarteilnehmer aus seiner Sicht allerdings sparen. Der Säckelmeister von Nidwalden preist ein «rasches Bewilligungsverfahren» seiner Behörden. Wenn ein reicher Ausländer zum Einkauf nach Nidwalden kommt, verspricht Käslin einen «One-Stop-Shop»: Vorfahren (lassen), Bewilligungspapiere abholen, fertig. «Ein bisschen Bauchschmerzen» muss der Kantonssteuervogt fairerweise gestehen: Von «12 000 Jahresaufenthaltsbewilligungen», die den Kantonen der Schweiz gesamthaft zustehen, entfallen auf die elf Gemeinden Nidwaldens ganze 59. «Das Volkswirtschaftsdepartement», nennt Käslin deshalb eine kleine Hürde für die erwarteten One-Stop-Shopper, «setzt 50 000 Franken Jahressteuer voraus.» Ganz so genau scheinen schweizerische Behörden die festgelegten Zuzugsbewilligungen aber auch wieder nicht zu kontrollieren. «Wenn der 63. Bewerber kommt und Arbeitsplätze schafft? Bitte sehr!»

Wer keine Arbeitsplätze einrichten will, sondern die eigenen Hände nur noch in den Schoss legen möchte, sollte den 55. Geburtstag gefeiert haben. Eigentlich. Doch auch hier scheint Behördenpapier geduldig: «Wir haben schon eine 20-jährige Person angesiedelt», bietet Migrationsberater Martin Kaufmann seine angeblich bewährten Dienste feil. Gemeinsam mit seinen Partnern Dr. iur. HSG Thomas Gehrig und dem Wirtschaftsprüfer Rainer Jöhl betreibt Kaufmann eine «Gesellschaft für Ansiedlungsmanagement». Praktischerweise hat das Trio neben Büros in Zürich auch eine Niederlassung in Stansstad NW eingerichtet. «Die Gesellschaft pflegt Beziehungen zu nationalen und kantonalen Behörden», werben die Ansiedlungsexperten. Sichtbar exzellent harmonieren Gehrig, Jöhl & Kaufmann vor den potenziellen Immigranten im «Fürigen» mit Steuervogt Käslin. Für den gesamten Regierungsrat von Nidwalden lädt Käslin dann abends zum Apéro.

Ausführlichst dozieren die Referenten während der anderthalb Tage über die «Rosine der Schweizer Besteuerung», die «Steuer nach dem Lebensaufwand», unter dem Kürzel Pauschalsteuer den Zuhörern vertrauter. Lebensaufwand? Schickt der Kanton da Topfgucker? «Daniel Käslin hat was anderes zu tun, als zu kontrollieren, ob Sie Currywurst oder Hummer essen», beruhigt Experte Kaufmann. Als «Teilhaber des Zürcher Instituts für Wirtschaftspublizistik» gibt der 36-Jährige den Wirtschaftsbrief «Exclusiv» heraus, inseriert aufwändig und regelmässig in deutschen Sonntagszeitungen: «Schweiz: zugänglich, diskret und attraktiv – auch für Sie!»

Der Verlag unterstützt Tagungen wie «Die Schweiz als Chance», eine «Schwestergesellschaft» offeriert parallel «Projektmanagement bei Wohnsitznahme und Unternehmensansiedlung». Ein KMU-Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen interpretiert die Referate freilich zu simpel: Kann er also seine deutsche Firma ruck, zuck liquidieren, die Mitarbeiter feuern und in Helvetien sein Unternehmen neu aufbauen? Für solche Fragen haben die Seminarveranstalter einen deutschen Experten verpflichtet. Der Diplom-Finanzwirt Heinz Pudell («Ich bin der Spielverderber») dämpft. Doch keine Sorge: Nichts ist unmöglich. Der Steuerberater aus Duisburg hat jahrelang in der Finanzverwaltung gearbeitet, «drei Jahre Betriebsprüfung, drei Jahre Steuerfahndung» – ein Insider also, der alle Varianten kennt. Auch extreme. Für einen älteren Seminarteilnehmer aus Deutschland Süd, Typ Franz-Josef Strauss, im Trachtenanzug mit Hirschhornknöpfen am Janker, sieht Pudell – realistisch zwar, aber nicht ganz ernst – nur einen Steuersparweg in die Schweiz: «Scheiden lassen!» Der Bajuware hat offenherzig geplaudert, seine Frau wolle ihm auf keinen Fall ins Exil folgen. Leider.

In einem solchen Fall fällt die «Entstrickung in Deutschland» schwer. So heisst das technisch, wenn die deutsche Finanzverwaltung einen zahlungskräftigen Kunden aus der Pflicht entlassen soll. «Am besten ist es, komplett auszuwandern», doziert Pudell. Weil das allerdings viele, speziell Grundbesitzer, nicht schaffen können, rät der Finanzwirt aus Duisburg zumindest: «Versuchen Sie, deutsche Einkommensquellen zu vermeiden.»

Jeder Seminarteilnehmer erhält eine umfängliche Materialsammlung mit anschaulichen Fallbeispielen. Wer zum Beispiel eine grössere Wohnanlage in Deutschland besitzt, kann dieses Vielfamilienhaus vor dem eigenen Wegzug etwa mit Hypotheken bis unter das Dach beleihen, das geliehene Geld in die Schweiz transferieren und dort steuerfrei für sich arbeiten lassen. Zinsen werden dann zwar in Deutschland für die Hypothek fällig. Die Zahlung an die Bank wird allerdings gegen die Mieteinnahmen verrechnet. Ziel erreicht: Kapital in der Schweiz gesichert und deutsche Einkommensquellen vermieden!

Weitere Referenten streifen im Zeitraffer das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland, nennen auch da Umwege «über ein Drittland wie Holland». Das reinste Paradies scheint nämlich auch die Schweiz nicht zu sein. Oder wie sollen die Zuhörer das verstehen, wenn der Bank-Leu-Direktor Jost empfiehlt: «Bevor Sie mit 30, 40 Millionen in die Schweiz kommen, gehen Sie erst noch in London vorbei»? An der Hand von Bank-Leu-Beratern, versteht sich.

Die Seminarorganisatoren haben an alles gedacht. Der diplomierte Architekt Hanspeter Fischer aus Stansstad NW informiert über die in Bälde liberalisierte Landnahme in der einstmals restriktiven Schweiz. Vorbei die Zeit, da Ausländer in der Eidgenossenschaft durch Lex Furgler und Lex Friedrich kaum Chancen hatten, Häuser zu erwerben. «Demnächst», hören die Teilnehmer, «können Sie hier frei so viele Immobilien kaufen, wie Sie wollen.»

Helvetien wandelt sich augenscheinlich wirklich: Anglizismen statt Schwiizertüütsch. Mit André A. Koller präsentiert sich ein «Concept-Consulter». Für die Money-Concept Consult GmbH offeriert Koller neben einer «steueroptimierten Anlageberatung» auch den optimalen Versicherungsschutz: «Soziale Sicherheit in der Schweiz.»

Die Referenten lassen immer neue Grafiken auf die Leinwand projizieren. Denn selbst eine optimal ausgehandelte Pauschale (Käslin: «Eine saubere, durchdachte Sache») kann immer «optimiert» werden. Wie Händler auf orientalischen Basaren ihre Supersonderpreise stets nur jetzt und heute garantieren, rät Steuervogt Käslin zum zügigen Zuzug: «Ich gehe davon aus, dass die Pauschale aussenpolitisch unter Druck gerät.» Wer die Pauschalsteuer allerdings erst einmal fest vereinbart hat, dem verspricht Migrationsberater Kaufmann «Planungssicherheit für fünf bis zehn Jahre». Mindestens.

Kurz vor Seminarende beglücken die Referenten ihre Zuhörer dann noch mit Prospekten. «Chance & Change» lockt beispielsweise die deutsche Sozietät Pudell, Engeln, van Holt zum «Wohnsitz/Wechsel». Etwas farbloser, aber sinngemäss gleiche «Dienstleistungsangebote» geben Gehrig, Jöhl & Kaufmann zusammen mit kurzen Lebensläufen der drei Partner ihren Zuhörern mit auf den Heimweg.

Die letzten Zeilen in der Selbstdarstellung von lic. oec. publ. Martin Kaufmann wirken allerdings kontraproduktiv: «Gründer und Inhaber des Auswanderungs-Beratungsunternehmens EMIGRATION NOW». Scheinbar kehren also auch so viele Schweizer ihrer Heimat den Rücken, dass ein Geschäft mit eidgenössischen Emigranten ebenso lohnt wie das Buhlen um Immigranten.

Ist die Schweiz womöglich doch nicht das Paradies auf Erden?
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