Was haben der Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe und der SVP-Politiker Ulrich Giezendanner gemeinsam? Und was verbindet die zwei mit dem Ex-Fotomodell Christina Surer und der Rennfahrer-Tochter Natascha Rindt? Antwort: einiges. Alle vier sind zum Beispiel nicht über 100 Kilogramm schwer. Alle vier sind nicht über 196 Zentimeter gross. Und alle vier besitzen einen gültigen Fahrausweis. Sie erfüllen damit die minimalen Voraussetzungen, um an einem Formel-1-Kurs im südfranzösischen Le Luc teilzunehmen. Natürlich muss man überdies in der Lage sein, 2850 Franken Kursgeld zu bezahlen. Pro Tag. Peter Brabeck, Ulrich Giezendanner, Christina Surer und Natascha Rindt gehören zu den zahlreichen Prominenten, die den Kurs absolviert haben.

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Ulrich Giezendanner, Aargauer SVP-Nationalrat und Transportunternehmer, steht zu seiner Passion und bezeichnet sich als grossen Rennsport-Fan. Er besitzt das Brevet für Formel-1-Boliden. Richtige Rennen ist er aktiv zwar nie gefahren, aber einige Runden hat er in Südfrankreich auf dem Circuit du Var in Gonfaron gedreht – auf Einladung eines Freundes. «Ich war total begeistert», sagt er. Er sei überzeugt, dass die Formel 1 viel für die Sicherheit beim Auto gebracht habe, etwa innovative Lösungen für Reifen, ABS, Sicherheitszelle und so weiter. Und: «Ich habe bei mehreren Formel-1-Rennen als Zuschauer festgestellt, dass diese Regionen eine enorme Wertschöpfung erfahren.» Aus diesem Grund setzt sich Ulrich Giezendanner für einen Formel-1-Rundkurs in der Schweiz ein und hat eine entsprechende parlamentarische Initiative im Nationalrat eingereicht.

Viel zurückhaltender äussert sich Peter Brabeck. Öffentlich möge er über seine Erfahrungen auf der Rennstrecke nicht reden, liess er ausrichten. Es habe sich damals, einige Jahre ist es her, um einen «reinen Privatausflug» gehandelt, der mit Nestlé nichts zu tun gehabt habe. «Nestlé kommuniziert gerne über Produkte, aber nicht über Persönlichkeiten», doppelt Nestlé-Unternehmenssprecher François Perroud nach.

Der Kurs beginnt für alle Gäste gleich: Zuerst gibt es eine theoretische Einführung mit Besichtigung der 2,2 Kilometer langen Rennstrecke. Dann wird erst einmal mit dem 180 PS starken Formel-3-Wagen das Bremsen, das Stabilisieren und das Schalten mit Zwischengas geübt. Nach 20 Einführungsrunden sind die Teilnehmer reif für die richtige Formel 1. «Wir legen grossen Wert auf die Sicherheit», sagt Veranstalter Jacques Alder. «Die ersten Formel-3-Runden absolvieren die Teilnehmer mit einer geringeren Drehzahl.» Nach jeder Serie würden die Leistungen besprochen.

«Gas geben kann jeder – bremsen ist die hohe Kunst», schärft Jacques Alder jedem Teilnehmer ein: «Wenn Sie das nicht beherrschen, landen Sie mit 270 Stundenkilometern im Kies.» Seit 1981 ist er mit dem Rennsport verbunden. Damals begann er neben seiner Arbeit bei Renault Suisse in Regensdorf als Agent bei der legendären Ecole Winfield im südfranzösischen Le Castellet zu arbeiten. Die Ecole Winfield schulte Privatpersonen, galt als international beste Talentschmiede und brachte Rennsportgrössen wie Alain Prost und Jean Alesi hervor (siehe « Formel-1-Kurse: Keine Zeit für Boxenluder»).

1989 wagte Alder den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete die AL-Promotion Motorsport & Events. 1993 entdeckte er den damals 17-jährigen Marcel Fässler, der gleichzeitig mit seinem Sohn Ronny die Talentschmiede besuchte. Mittlerweile fährt Fässler als bester Schweizer Rennfahrer im Deutschen Tourenwagen-Masters. Seit über zehn Jahren organisiert Alder nun als Partner und Hauptagent des AGS-Formule-1-Teams in Le Luc und neu auch in Spanien Formel-1-Kurse für interessierte Männer und Frauen und bildet Rennfahrer aus. Seit zwei Jahren ist Sohn Ronny Alder mit von der Partie.

Während des Kurses stehen drei Instruktoren, zwei Mechaniker und fünf Streckenposten im Einsatz. Es gibt eine Kameraüberwachung, und die Instruktoren sind überdies mit Funkgeräten ausgerüstet, um die Teilnehmer zu korrigieren oder bei besonders eigenwilliger Fahrweise den Befehl zum Stoppen zu geben. «Sie haben zwar eine unbegrenzte Haftpflichtversicherung, aber wenn Sie uns hier blödfahrlässig einen Wagen zerlegen, zahlen Sies selbst. Macht eine Million Euro», schüchtert Jacques Alder die Teilnehmer ein. Er versteht das als Spässchen.

Die Tochter des legendären Formel-1-Piloten Jochen Rindt, Natascha Rindt, fährt den Rundkurs fehlerfrei. Nur leicht erhitzt, aber mit leuchtenden Augen steigt sie aus. «Das war wie im Traum», schwärmt sie. Auch Christina Surer steht die Freude ins Gesicht geschrieben: «Ich wurde als Fachfrau von den Alders eingeladen und war positiv überrascht. Mit der professionellen Vorbereitung und Unterstützung ist es für alle möglich, sicher in ein F1-Gerät zu steigen», sagt sie. Für sie, die normalerweise Tourenwagen pilotiert, sei es ein ganz neues Fahrgefühl gewesen, zum Beispiel, weil der Kopf im Freien ist.

Was Peter Brabeck empfunden hat, weiss nur er. Fest steht, dass er das gleiche Prozedere durchexerzieren musste wie alle anderen. Ein Mechaniker und der Instruktor schnallten ihn auf den Plastiksitz des Formel-1-Wagens. Dann wurde das kleine, gut gepolsterte Lenkrad eingesteckt. Anschliessend wurde der Wagen an den Start geschoben, die Benzinpumpe begann zu rattern. Jetzt muss der Schalthebel jeweils in Neutralposition sein, das Gaspedal muss exakt fünf Millimeter niedergedrückt werden, dann wird der Arm nach oben gestreckt und macht eine Kreisbewegung. Der Mechaniker versteht das Zeichen und gibt einen Pressluftstoss ins Hewland-6-Gang-Getriebe. 650 PS stehen nun bereit.

Dann geht es los auf eine Fahrt, die fast alle Teilnehmer als Achterbahn der Gefühle erleben.

Das Interesse an den Kursen sei gross, sagt Alder, Tendenz steigend. Heute bietet die Firma Kurse mit Formel Renault, Formel 3 und Ferrari F355 Challenge an verschiedenen Standorten an. Nach bestandener Höllenfahrt gibt es Champagner, eine Urkunde und gegen Bezahlung eine Videokassette für die Helden.

Davon profitierten zum Beispiel die besten Händler und Verkäufer bei Suzuki, die von Hanspeter Bachmann, CEO Suzuki Schweiz, zum Kurs eingeladen worden waren. Auch Michael Keel, Marketing-Manager bei Sony, nutzte die Formel-1-Schule «als Belohnung für diejenigen, die ihr Verkaufsziel erreicht haben». In Gruppen von 15 Fachhändlern besuchte man die AGS Formule 1. Notfalls lässt sich der Spass auch als eine Art Weiterbildung begründen: «Präzision ist sowohl im Cockpit als auch in der Führung von Mitarbeitern wichtig» sagt Keel.