Als an jenem Mittwochmorgen, Ende Mai, gleich mehrere Mitarbeiter nach Rothrist meldeten, dass sie auf der A1 in einem riesigen Stau steckten, handelte Franz Rieder. Er schickte einen Bus voll gekühltem Rivella grün los, und zwei Rivella-Leute verteilten während Stunden mehr als 1000 Dreideziliter-Flaschen an die Stau-Geplagten.

Die Aktion schaffte Goodwill, Medienpräsenz und trug zur weiteren Verbreitung des soeben «gerelaunchten» grünen Rivellas mit neuer Rezeptur und halb so viel Zucker bei; denn das 1999 als die Getränkeinnovation des Jahres gefeierte und fulminant gestartete Rivella mit Grünteeextrakten hatte sich in den Folgejahren nur noch mittelmässig entwickelt.

Das grüne Milchserumgetränk entsprang dem Kopf von CEO Franz Rieder. «Ich hatte die Idee am 6. März 1997 auf der Riederalp», sagt er. Solche Daten vergisst Rieder nicht. Überhaupt sei er detailverliebt, sagt Rieder über sich.

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Besser Rivella als Asien

1995 vermittelte ihn ein Headhunter vom Konsumgütermulti Unilever nach Rothrist, wo er zunächst als CEO von Rivella Schweiz das Geschäft der Familie Barth weiter vorantreiben sollte. Ein grosser Schritt sei das gewesen, sagt Rieder im Rückblick. «Ich war nach 30 Jahren im Konzern sehr verbunden mit Unilever, wurde aber bald 50 und es standen grosse Veränderungen an.»

Auch weil eine Versetzung nach Osteuropa oder Asien nicht nach dem Gusto Rieders und seiner Familie gewesen wäre, erfolgte sein Ja zu Rivella. Vor allem aber aus Überzeugung für das Produkt. Doch gewöhnungsbedürftig sei es schon gewesen, vom stark finanzgetriebenen Konzern in die relativ kleine Familienfirma zu wechseln, wo die Finanzen zwar auch wichtig waren, im Zentrum aber andere Werte standen. Zu diesen gehört bis heute, dass Rivella Mitarbeiter, die mit der Zeit weniger leistungsfähig sind, trotzdem weiter beschäftigt. «Wenn einer 30 Jahre bei uns arbeitet, verdient er Respekt, und man schuldet ihm auch etwas», sagt Rieder.

Er fühle sich wahnsinnig wohl bei Rivella, könne sich hervorragend identifizieren, schätze die Kultur und das Privileg, für ein solch erfolgreiches Produkt tätig zu sein.

Offene Rivella-Kultur

Einiges hat sich in Rothrist verändert mit Rieder am Ruder. Dazu gehören neue Prozesse in der Produktion, modernste Abfüllanlagen, zeitgemässes Reporting, intensivierte Mitarbeiterschulung, die Events und vieles mehr. Rivella bleibt nicht stehen, wie Rieder gern betont.

Vor kurzem hat man in einer ersten Anlage gemeinsam mit einem japanischen Consulting-Unternehmen TPM gestartet – Total Productive Maintenance. Das aus der japanischen Managementlehre stammende Schlagwort steht für effizientere Fabrikation, weniger Verlust, weniger Ausschuss und mehr Verantwortung jedes einzelnen Produktionsmitarbeiters. «Bei TPM sind die Leute selbst für die Anlage verantwortlich und warten nicht mehr einfach, bis der Mechaniker kommt. Das ist kein Projekt, sondern ein Sinneswandel, eine Arbeitseinstellung und dauert Jahre», erläutert der Chef.

Überschattet wurde der Rivella-Frühling 2007 vom Tod von Robert Barth, dem Rivella-Erfinder, Gründer und Patron, der noch regelmässig am Firmensitz präsent war und gerade bei den langjährigen Mitarbeitern eine Lücke hinterliess. Seither beteuert Rieder unermüdlich gegen innen und aussen, dass sich operativ rein gar nichts ändere und man alles daran setze, das Unternehmen im Sinne Robert Barths weiterzuführen.

Er glaube, sagt Rieder, dass er in den letzten Jahren für mehr Offenheit in Rothrist gesorgt habe. Die Mitarbeiter wüssten heute, dass sie Fehler machen dürften und auch darüber reden sollen. Dazu gehört für ihn, zu den eigenen Fehlern zu stehen und selbst kritikfähig zu sein.

Durch seine unzähligen Funktionen bei Unilver (Sunlight, Sais, Lusso-Eldorado, Elida) hat Franz Rieder in vielen Bereichen mehr als nur eine Ahnung. Er pflegt das Detail: «Ich lese jeden Bericht unserer Key Account Manager, und frühmorgens weiss ich, welche Maschine tags zuvor ausgestiegen ist», sagt Rieder. Das sei für ihn entscheidend, nur so fühle er sich wohl. Rieder möchte den Überblick haben. Schliesslich habe der Sand im Getriebe immer mit den Details zu tun.

Es ist ihm klar, dass das für sein Managementteam zuweilen anstrengend sein kann. Genauso wie seine manchmal fixen Vorstellungen, die ihm intern den Übernamen «Monsieur Idee fix» eintrugen. Ein Beispiel dafür ist jene Neujahrsaktion, die am 18. Februar dieses Jahres den Weg zu Kunden und VIPs fand – in Form von Neujahrswünschen mit Fahrradglocke – zum chinesischen neuen Jahr. Von der Idee, die anfänglich kaum jemand begeisterte, liess er sich nicht mehr abbringen. Oder das neue Getränk Beauty Colada der Marke Michel, ein milchfarbener «Schönheitssaft». Die Entwicklungsabteilung hatte über Rieders fixe Idee die Hände verworfen; doch drei Jahre nach der Idee war das Getränk auf dem Markt und verkauft sich seither gut.

Bei Elida Cosmetics, seinem letzten Unilever-Job, wurde er nach der Rückkehr aus London gleichzeitig Finanzchef und Verkaufsdirektor. «Im linken Sack habe ich das Geld eingenommen und im rechten wieder ausgegeben», kalauert Rieder rückblickend über diese eigenwillige Doppelfunktion und erzählt, wie er damals zu seiner Frau sagte, er sei doch kein «Schnöri», was solle er im Verkauf? «Und plötzlich bekam ich den Plausch daran und entwickelte eine grosse Leidenschaft.»

Dass die Rivella-Verkäufe enorm wetterabhängig sind, daran musste sich Rieder erst gewöhnen. Ein missliches Wochenende kostet das Unternehmen 350000 l Rivella. «Das gehört zu unserem Business, und wir stehen deswegen nicht in ständigem Kontakt mit Meteo Schweiz», sagt Rieder.

Schwierige Auslandexpansion

Zum Geschäft gehören auch Misserfolge. Am schmerzlichsten für Rieder und die Eigentümerfamilie Barth war das Scheitern im Ausland. Einzig in Holland und in Luxemburg konnten man in den letzten 50 Jahren nachhaltig Fuss fassen. Gründlich missraten ist die Expansion nach England und in die USA, wo massive Verluste eingefahren wurden.

Mit der Konsequenz, dass das Ausland heute nur noch im Umkreis von 400 km von Rothrist ein Thema ist, «und wir heute ennet der Grenze das machen, was Rivella vor 50 Jahren in der Heimat tat: Wir gehen zu den Kunden». Mit anderen Worten: Rivella-Teams sind an Events präsent und erklären das Produkt.

Ihm gefällt das Bodenständige

Von der Abteilung «Sports & Events» schwärmt Rieder sowieso und spricht von einem einmaligen Instrument, über das kaum jemand in dieser Konstanz verfüge. Seit einigen Jahren präsentiert man sich nicht mehr ausschliesslich im Sport, sondern auch an grossen Openair-Veranstaltungen wie dem Paléo in Nyon oder dem Berner Gurten-Festival. Wobei die Events auch Wirkung nach innen entfalten. Am Rolling-Stones-Konzert vor einem Jahr in Dübendorf packten 260 der 300 Rivella-Mitarbeitenden tatkräftig mit an.

Rieder ist das pure Gegenteil eines abgehobenen CEO fern der Basis. An den Jass- und Kegelturnieren, die bei Rivella zum festen Jahresprogramm gehören, trifft man auch den Chef an. Ihm gefällt das Bodenständige. Das gehöre zu Rivella. Vor kurzem wurde Rieder sogar Jasskönig. Zum zweiten Mal nach 1996, als er frisch zu Rivella gestossen war. «Damals sagten die Mitarbeiter: Wenigstens Jassen kann er», erzählt Rieder. Zwölf Jahre später hat er bewiesen, dass er noch über ein paar andere Qualitäten verfügt.

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ZUR PERSON

Steckbrief

Name: Franz Rieder

Funktion: CEO Rivella-Gruppe Alter: 61

Wohnort: Bötzberg

Familie: Verheiratet, zwei

erwachsene Kinder, zwei Enkel

Karriere

1977–1982 Gruppenleiter Interne Revision Unilever (Schweiz)

1983–1986 Administrationsleiter Lever AG, Olten

1987–1989 Controller Unilever PLC, London

1990–1994 Verkaufs- und Finanzdirektor Elida Cosmetics AG

1995–2000 CEO Rivella Schweiz

Seit 2001 CEO Rivella-Gruppe

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Führungsprinzipien

1. Resultatorientiert arbeiten

2. Ein Vorbild sein

3. Fehler zulassen, aber laufend an Verbesserungen arbeiten

4. Vertrauen muss erarbeitet werden

5. Eigenverantwortung jedes Einzelnen fördern

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Firma

Rivella

Das Rivella wurde 1952 von Robert Barth erfunden und ist nach Coca-Cola die Nummer zwei unter den Schweizer Softdrink-Herstellern. 2006 verkaufte das Unternehmen 107,1 Mio l Getränke im In- und Ausland und setzte damit 143,8 Mio Fr. um.