Wenn die Milliardärsgattin mit dem unorthodoxen Geschmack, die in Basel alle nur Gigi nennen, einen ihrer Auftritte plant, überlässt sie nichts dem Zufall. Wetterprognosen bezieht die fussballverrückteste Mäzenin Europas ebenso in ihre Garderobeplanung mit ein wie ihr emotionales Befinden und die Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlicher medialer Präsenz an Cupfinals, Meisterschaftsfeiern oder internationalen Ausscheidungskämpfen des FC Basel. Für jeden erdenklichen Anlass lässt sich die Geldgeberin des amtierenden Schweizer Fussballmeisters von ihrer Schneiderin ein Kleid nach ihren ganz persönlichen Vorstellungen anfertigen.

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Jedes massgeschneiderte Outfit trägt Gisela Oeri (49) nur ein einziges Mal, legt es abends zur Seite und lässt es gegen Ende des Jahres – zusammen mit 200 bis 300 anderen Kostümen – von einem Transporter abholen. Dass die Besitzerin des erfolgreichsten Fussballclubs der Schweiz einem speziellen Dresscode zuneigt, wurde dem breiten Publikum spätestens anlässlich der FCB-Meisterfeier im Mai 2002 klar. Schon Wochen zuvor hatte die nur 1 Meter 57 grosse, stets gründlich gebräunte Oeri ihren Trainer, Christian Gross, mit dem als Wunsch verkleideten Befehl erschreckt, sich für einmal in der Männerkabine aufhalten zu dürfen. Gross versuchte diese – wie ihm schien – Peinlichkeit zu verhindern. Doch die eigenwillige Mäzenin setzte ihren Kopf durch und stieg nach gewonnenem Match in einem in den Clubfarben gehaltenen Ganzkörperkostüm aus rotblauer Schwimmseide zu ihren Recken in den Whirlpool.

Dass Oeri bei diesem Auftritt akribisch planend vorging und die Einwände aller in den Wind schlug, erstaunte nicht nur Gross, sondern beeindruckte die gesamte männerdominierte Fussballszene. Die Spieler, die zumindest eine halbnackte Blondine in ihrem Pool erwartet hatten, freuten sich über den gelungenen Coup im Ganzkörperkondom. Darüber, dass ihre eigenwillige Chefin allen Bedenkenträgern ein Schnippchen geschlagen hatte.

Gigi Oeri über ...
... Geld



«Über Geld rede ich prinzipiell nicht.» Weltwoche, Dezember 2002


«Ich wusste zwar, dass in der Familie nicht der Hunger herrscht. Aber das wahre Ausmass erkannte ich erst nach einer ganzen Weile.» SonntagsBlick, Mai 2002


«Ich habe das Geld nicht erfunden. Ich kann nichts dafür, dass es da ist und ich viel habe.» SonntagsBlick, Mai 2002


«Ich sage nicht, dass das Geld für mich eine Last ist.» SonntagsZeitung, Mai 2003


«Ich will nicht, bis ich zahnlos vor dem Cheminée sitze, jedes Jahr Geld in den Club buttern.» SonntagsZeitung, Mai 2003


«Ich bin nicht Mutter Theresa: Sonst könnte ich ja auf dem Basler Marktplatz stehen und Nötli verteilen.» SonntagsZeitung, Mai 2003

Spätestens seit diesem legendären Badeplausch weiss jeder, der es wissen will, dass Gigi (wird übrigens «Gi-Gi» ausgesprochen und nicht «Schi-Schi») sich stets nüchtern und generalstabsmässig vorbereitet. Dass die Ehefrau des Basler Arztes Andreas Oeri aus der Dynastie der Roche-Erben ein wenig schrill ist und sich nicht um anderer Leute Meinung schert. Und dass sie das, was sie tut, in der Regel sehr ernst nimmt.

Ihre gegenwärtige Mission hat einen Namen: Schweizer Meister und gleichzeitig Cupsieger zu werden. Für den FC Basel und seine willensstarke Sponsorin gehört Dominanz auf nationaler Ebene in der laufenden Spielzeit gewissermasen zum Pflichtprogramm. Der eigentliche Kick, von dem Gigi Oeri und mit ihr Zehntausende von «Bebbi» dieser Tage träumen, heisst Champions League, denn nur mit Erfolgen auf dem internationalen Parkett kann der zehnfache Schweizer Meister noch punkten. Zwecks Erreichen der europäischen Königsklasse ist der Teammanagerin nichts teuer genug.

Noch nie hat ein Schweizer Fussballclub innert kürzester Zeit so viele hochkarätige Spieler verpflichtet. Für den argentinischen Stürmer César Carignano liess Gigi Oeri kürzlich die höchste von einem Schweizer Fussballverein je bezahlte Ablösesumme springen: 3,7 Millionen Franken soll der Zuzug des dreifachen Internationalen gekostet haben. Den brasilianischen Aussenverteidiger Kléber de Carvalho Correa lotste sie für geschätzte 2,3 Millionen Franken Ablöse und ein Jahresgehalt von 800 000 Franken ans Rheinknie. 2,8 Millionen Franken waren der fussballbegeisterten Milliardärin die Waden des vormaligen GC-Stürmers Mladen Petric wert.

Nach dieser jüngsten Transferoffensive verfügt FCB-Trainer Christian Gross über ein Kader, das, wie die «Basler Zeitung» frohlockt, «so gut sein dürfte wie keines je zuvor in der 111-jährigen Clubgeschichte». Gespickt ist das Staraufgebot mit nicht weniger als zwölf aktuellen A- beziehungsweise U-21-Nationalspielern. Allein für den schweizerischen Binnenwettbewerb ist Oeris Equipe viel zu hoch gerüstet; selbst der dritte Basler Anzug würde jedem anderen Verein im Land noch gut anstehen. Bereits in den beiden Jahren zuvor hatte die Fussballunternehmerin kräftig aufgerüstet. So galten die von Gigi Oeri finanzierten Transfers der beiden argentinischen Sturmspitzen Christian Gimenez und Julio Hernan Rossi vom FC Lugano an die Birs bislang als Rekordmarken in einem nicht eben als Fussball-Eldorado bekannten Land.

Gigi Oeri über ...
... Fussball



«Ich kannte von Anfang an die Regeln, und das ist mehr, als mancher weiss, der behauptet, etwas von Fussball zu verstehen.» 3sat, März 2004


«Ich habe einen Lieblings-Präsidenten, ich habe einen Lieblings-Finanzchef, aber keinen Lieblingsspieler.» Basler Zeitung, September 2000


«Wenn morgen ein Investor kommt und sagt, ich kaufe euch den Zinedine Zidane, dann ist das genial. Ich werde das aber sicher nicht tun.» SonntagsBlick, Mai 2002


«Wer mit Rössern umgehen kann, kann auch mit Fussballern umgehen.» Weltwoche, Dezember 2002


«Ich suche mir doch nicht einen aus, weil er blond ist oder 1,85 Meter gross oder tätowiert. Das ist nicht mein Job.» Weltwoche, Dezember 2002


«Der FCB ist in Basel mehr als nur ein Fussballclub, er ist eine kulturelle Institution.» SonntagsZeitung, Mai 2003

Trainer Gross – der zweite Erfolgsgarant im Basler Fussballmärchen – hat das Glück, eine Geschäftsfrau an seiner Seite zu wissen, die nicht nur messerscharf kalkulieren kann, sondern auch noch risikofreudig genug ist, in ein unberechenbares und letztlich zufallsgetriebenes Geschäft wie den Handel mit professionellen Ballartisten einzusteigen. Die Aufgabenteilung des Erfolgsduos Oeri/Gross ist einfach: Während der international erfahrene Gross zusammen mit seinem Chefscout Ruedi Zbinden das fussballerische Know-how verkörpert, spielt Gigi Oeri, gestärkt durch das Vermögen ihres Mannes, die Hausbank, welche die Defizitgarantie übernimmt.

«In der Schweiz ist mit Fussball kein Geld zu verdienen», erklärte Oeri in einem von 3sat kürzlich ausgestrahlten TV-Interview. «Das Einzige, was man zurückbekommt, sind Emotionen. Das muss einem reichen.» Dabei hat sie ein wenig untertrieben – oder wirklich nur über die Schweiz gesprochen und die internationalen Geschäfte bewusst ausgeklammert. Bisher hat sich das Engagement im FCB finanziell für sie mehr als gelohnt. Unter Berücksichtigung sämtlicher getätigten Transfers dürfte die Milliardärsgattin bisher kaum wesentlich mehr als netto rund zehn Millionen Franken in das bestehende Kader gesteckt haben. Das ist weniger, als Gigi und ihrem vermögenden Gatten Andreas – gestützt auf dessen Roche-Beteiligung – in einem einzigen Jahr allein an Dividende zufliesst. Da sämtliche Spielerrechte ihr gehören, kann die Clubbesitzerin theoretisch jederzeit Kasse machen, indem sie ein paar Juwelen aus der aktuellen Spielerkollektion veräussert. Unter dem Strich, versichern Experten, hat sich der Einsatz für Gigi bisher auch rein finanziell durchaus bezahlt gemacht.

Die Zahlen sprechen für sich. Vor zwei Jahren, als sich der FCB mit internationalen Renommierclubs wie Manchester United und Juventus Turin messen durfte, verzeichnete der Verein einen Rekordumsatz von 53 Millionen Franken – 7,3 Millionen blieben damals als Gewinn zurück. Ohne Champions-League-Teilnahme musste in der letzten Saison hingegen ein Verlust von geschätzten sechs Millionen Franken verbucht werden. Wie schnell in diesem Metier aus einem Minus ein dickes Plus werden kann, beweist der Transfer des vor wenigen Wochen für die Rekordsumme von sechs Millionen Franken an die Tottenham Hotspurs verkauften Verteidigers Timothée Atouba: für Gigi Oeri ein absolutes Topgeschäft. Für gerade einmal 400 000 Franken hatte sie den Nationalspieler aus Kamerun vor zweieinhalb Jahren von Neuenburg Xamax erworben. Auf Anraten von Gross und Zbinden.

Gigi Oeri über ...
... Privilegien und ihre Rolle als Frau



«Ich bin eine Frau, ich bin auch noch reich. Da kommen viele Vorurteile zusammen.» Sport Magazin, Oktober 2003


«Ich geniesse es, Entscheidungen zu treffen, ohne jemanden fragen zu müssen.» Stuttgarter Zeitung, Mai 2004


«Dieses Ausmass an Bekanntheit habe ich mir nicht träumen lassen» 3sat, März 2004


«Ich will keine Privilegien, und ich habe keine Privilegien.» SonntagsBlick, Mai 2002


«Für mich ist es das schönste Kompliment, wenn man sagt, ich sei eine völlig normale Frau» Basler Zeitung, Mai 2002


«Beim FCB vergesse ich manchmal, dass ich eine Frau bin. Ich kann ja auch nichts dafür, dass es so ist.» Basler Zeitung, April 2002

Sollte sich Oeris Equipe gegen Inter Mailand durchsetzen und sich damit (wider Erwarten) für die Champions League qualifizieren, könnte der Wert von weiteren Talenten aus ihrer Legionärstruppe in ähnlicher Weise explodieren: «Ein Erreichen der Champions League hätte Vor- und Nachteile», räsonierte Oeri unlängst in einem Interview mit der «Basler Zeitung». Zwar steige der Marktwert der Spieler, so Oeri, gleichzeitig aber auch die Gefahr, «dass sie bekannt werden und uns verlassen wollen». Falls der FC Basel die Qualifikation für die Champions League trotz den zahlreichen Neuverpflichtungen dagegen nicht schafft, wird es nicht leicht sein, das grosse und teure Kader bei Laune zu halten. Entgehen den Rotblauen gar weitere Spiele im für ausgeschiedene Champions-League-Teams als Trost-Kompetition geltenden Uefa-Cup, wäre bei Oeris hochgerüsteter Truppe schnell einmal Feuer unterm Dach.

Niemand rechnet allerdings ernsthaft damit, dass die einzige Teamchefin Europas an dieser Situation scheitern könnte. Denn die nötige Härte für dieses reine Männergeschäft bringt Gigi zweifellos mit. Mit Kerlen umzugehen, deren Selbstbewusstsein sich daran bemisst, dass sie schon in jungen Jahren weit mehr verdienen als mancher gestandene Topmanager, scheint der umtriebigen Milliardärsgattin in besonderem Mass zu liegen. Ihr Ehrgeiz ist annähernd deckungsgleich, das Denken in Hierarchien, wie sie in Teams herrschen, ebenfalls.

Oeri arbeite ausgesprochen effizient und zielgerichtet, verlautet aus der Geschäftsleitung des FCB. So setze sich die Transferchefin etwa nur mit an den Tisch, wenn es ums Geld gehe. Vorbereitend seien andere zuständig. Wenn Oeri verhandle, so bestehe sie darauf, dass zuerst der betreffende Spieler seinen Preis nenne. Erst dann kontere sie und sei keineswegs bereit, jede Summe zu bezahlen. Aussagen von befragten Spielerberatern belegen, dass Gigi Oeri nie auftrete wie eine, die meine, mit Geld sei alles machbar. «Sie denkt wie eine Unternehmerin», sagt der Spielervermittler Giacomo Petralito. Über die Basler Fussballpromotorin hat der Berater der beiden Mittelfeldkämpen Murat Yakin und Ivan Ergic nur Positives zu berichten: Sie sei sachlich konsequent und halte ihr Wort. «Viele Leute schätzen sie falsch ein», sagt der Spielervermittler. «Sie hat inzwischen fussballerisches Wissen, was zu Beginn nicht der Fall war. Ausserdem hat sie ein riesengrosses Herz für den Fussball.» Petralitos Einschätzung mündet in eine wahre Lobeshymne: «Es bräuchte drei Gigis in jedem Land, dann stünde der Fussball besser da.» Fest steht: Für den FC Basel ist die spezielle Oeri ein Glücksfall.

Gigi Oeri über ...
... ihren Mann



«Er hatte so etwas Urgemütliches, etwas Teddybärenhaftes.» Basler Zeitung, September 2002


«Wer er wirklich war, erfuhr ich erst viel später.» Basler Zeitung, September 2002


«Ich meine das gar nicht despektierlich, aber er ist einer der unsportlichsten Menschen.» SonntagsZeitung, Mai 2003


«Er ist auf den FCB-Geschmack gekommen. Mittlerweile kennt er sogar die Abseitsregel.» Blick, September 2002


«Er hat keine rote Karte, höchstens gelb. Vielleicht wäre es gut, er würde sie öfters zücken.» SonntagsBlick, Mai 2002


«Ich habe den Zeitaufwand für den Club unterschätzt, aber mein Mann ist sehr tolerant.» Basler Zeitung, September 2000

Nicht nur bei Salärverhandlungen mit den Spielern trifft Gigi meist den richtigen Ton. Auch als unermüdliche Supporterin ihrer durchtrainierten Kicker setzt die Milliardärin Massstäbe. Oeri verfolgt jedes einzelne Spiel, leidet innerlich mit, schwitzt, kriegt Gänsehaut, zittert, jubelt, flucht und betet. Kurz: Sie ist ein eingefleischter Fan. Auch bei Auswärtsspielen des FC Basel ist sie regelmässig auf den Rängen anzutreffen, und selbst in Trainingslagern weicht Gigi ihren Schützlingen kaum je von der Seite und bleibt somit für die Mannschaft stets greifbar. Kein Wunder, hat sich die quirlige Powerfrau mit der Zähigkeit einer Marathonläuferin zu einem wandelnden Clubmaskottchen gemausert. «Frau Oeri strahlt Dynamik aus», sagt Trainer Christian Gross. «Sie verleiht dem Verein Energie.»

Stellt sich die Frage: Verfügt die knuddelige Mäzenin nebst Mobilisierungskraft und Ausdauer auch über Kritikfähigkeit, ja Humor? Wenn etwa die Rede auf ihren finanziellen Background kommt, dann findet das die kleine Fussballkönigin gar nicht lustig. Ebenso prallt jeder ab, der es wagt, ihre spleenigen Seiten anzusprechen. Gigi sei «ziemlich humorfrei», sagt eine ihr nahe stehende Quelle. «Eine ernste Person, die stets ernst genommen werden möchte.» Über Geld, behauptet die mittlerweile prominenteste Baslerin selbst, rede sie «prinzipiell nicht», womit auch schon angedeutet wäre, warum sich die weibliche Fussballikone mit Wirtschaftspublikationen wie der vorliegenden schwer tut. Eine Tatsache, die angesichts von Gigis Naturell eher befremdet, denn betontes Understatement, ja Heimlichtuerei scheint nur schlecht mit ihrem Geltungsdrang zu korrespondieren.

Zumindest in einem Punkt muss sich die extrovertierte Badenserin aber dem familiären Code der Oeris beugen: Geld gibt es zwar haufenweise, aber darüber zu sprechen, ziemt sich in den besseren Kreisen am Rheinknie nicht. Immerhin diesen Minimalkompromiss, so scheint es, haben ihr die diskreten Verwandten aus dem Basler «Daig» abzuringen vermocht.

Was Gigis Herkunft und ihren Lebenswandel vor der Heirat mit dem Basler Arzt Andreas Oeri betrifft, hält sich die «Hereingeschmeckte» sorgsam bedeckt. Begeben wir uns also auf Spurensuche: Geboren wurde Gisela Trefzer 1955 im südbadischen Schopfheim. Als jüngstes von drei Kindern wuchs sie dort in relativ bescheidenen Verhältnissen auf und begann sich schon als Vierjährige als Kunstturnerin zu betätigen. Ihr Vater war Beamter und als solcher mit der Verwaltung staatlicher Liegenschaften befasst. Zu Beginn der Siebzigerjahre besuchte Gigi in Bad Säckingen das Scheffel-Gymnasium, schied aber vor Erreichen der Abiturklasse aus. Zwischen 1974 und 1976 liess sie sich an der örtlichen Massageschule in einem zweijährigen Ausbildungsgang zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin ausbilden. Glaubt man der Aussage einer Kollegin von damals, dann war Gigi «eine echte Betriebsnudel und in Sachen Männer ganz gewiss keine Kostverächterin». Offiziell zieht sie heute die Berufsbezeichnung Physiotherapeutin vor. Nach Erhalt ihres Diploms verabschiedete sich Oeri vorübergehend nach Stuttgart, wo sie eine Gymnastikschule besuchte. Im rudimentären Curriculum, das die populäre Besitzerin des FCB zu Publikationszwecken freigibt, heisst es dazu schlicht: Sportlehrerin.

Was Oeris angebliche Pioniertaten als eine der ersten Frauenfussballerinnen des Kontinents angeht, scheint der diplomierten Medizinalassistentin wenig daran gelegen, der Legendenbildung vorzubeugen. «Als junges Mädchen spielte Gigi im ersten deutschen Frauenfussballclub», vermeldete im September 2002 die «Basler Zeitung». Und der Zürcher «Tages-Anzeiger» setzte noch eins drauf und fantasierte schon beinahe frei: «Sie hat einst das Leibchen mit der Nummer 10 getragen, beim VfB Stuttgart, kurz nur, in der Regionalliga, war sozusagen ein weiblicher Hakan Yakin.»

Hat Gigi Oeri so etwas nötig? Warum dementiert sie derartige Zeitungsenten nicht? Frau Oeri «war nie lizenziert und hat auch nie in einem Verein Fussball gespielt», korrigiert FCB-Sprecher Josef Zindel das seit Jahren kursierende Gerücht. Und relativiert: Im Rahmen von Oeris Ausbildung zur Gymnastiklehrerin musste sie einen Mannschaftssport wählen. Nicht auszuschliessen sei daher, so Zindel, dass es in dieser Phase auch einmal zu einem «Plausch-Fussballmatch» auf dem Trainingsgelände des VfB Stuttgart gekommen sei.

Zurück in Bad Säckingen, lernte Gigi im örtlichen Krankenhaus 1978 einen jungen Basler Orthopäden kennen, der dort sein Praktikum absolvierte: Andreas Oeri aus der Dynastie der Roche-Erben. Sie verguckte sich in ihn – «er hatte so etwas Teddybärenhaftes» – und nicht etwa, wie ihr bisweilen unterstellt wird, in seinen prall gefüllten Geldbeutel. Vom märchenhaften Reichtum der Oeris will Gigi, geborene Trefzer, erst nach der Hochzeit Wind bekommen haben. Den Kontakt zu ihrer eigenen Herkunftsfamilie hat die deutsch-schweizerische Doppelbürgerin mittlerweile auf ein Minimum reduziert. «Gisela lebt in einer anderen Welt», sagt ihr betagter, wenn auch noch rüstiger Vater. «An meinem Geburtstag ruft sie jeweils aus Afrika oder von sonst woher an. Dann ist wieder Sendepause für ein Jahr.»

Den Oeris eilt der Ruf von Milliardären voraus, die es verstehen, ihren pekuniären Sonderstatus mit Bescheidenheit und einem beträchtlichen Mass an Sozialsinn auszutarieren. Eine wie Gigi musste sich in diesem privilegierten Kreis erst einmal zurechtfinden. Andreas Oeri hat bekanntlich vier Schwestern, die das Basler Kulturleben ganz wesentlich prägen: Maja Oeri lebt ganz für die Kunst und machte in letzter Zeit mit ihrem «Schaulager» Furore. Catherine Oeri unterstützt in Basel diverse Institutionen und schenkte dem Museum der Kulturen unter anderem eine wertvolle Tibet-Sammlung. Beatrice Oeri betätigt sich im lokalen Jazzclub Birds Eye. Und Sabine Oeri finanziert nebenbei eine Tagesklinik für Alzheimer-Patienten. Um gegenüber ihren vier spendefreudigen Schwägerinnen keinen Minderwertigkeitskomplex zu entwickeln, musste sich deshalb auch Gigi unbedingt etwas einfallen lassen.

Nach einer krankheitsbedingten Krise ergab sich 1998 die Gelegenheit, an bester Zentrumslage in Basel ein klassizistisches Gebäude zu erwerben. Gigi zögerte nicht lange und erwarb die leer stehende Immobilie. Somit besass sie im Herzen der Humanistenstadt schon einmal ein grosses, museumstaugliches Haus. Was Gigi noch fehlte, war ein geeigneter Inhalt. Da sie die kleinen Stoffbären von Steiff schon immer ganz gern gemocht hatte, beauftragte sie professionelle Spielwarenhändler, weltweit nach seltenen Steiff-Originalen zu fahnden und diese auf ihre Kosten zusammenzukaufen. Innerhalb von zwei Jahren kamen so rund 2500 Teddybären zusammen.

Ähnlich wie bei der Wahl ihrer täglich wechselnden Garderobe entschied sich die kleine, exzentrische Frau auch hier für ein generalstabsmässiges Vorgehen. Wenn Gigi etwas anpackt, dann richtig: Sie sammelt nicht, sondern lässt sammeln – und zwar professionell. Während ihre Agenten auf der Suche nach raren Teddys um den Globus jetteten, betraute die künftige Museumsdirektorin einheimische Künstler und Innendekorateure damit, reihenweise Puppenhäuser zu zimmern. «Eine weitere alte Leidenschaft von mir», wie sie zu beteuern pflegt.

Am Basler Barfüsserplatz ist das Resultat von Oeris zum Planspiel geronnener Passion zu bestaunen: das weltweit einzige so genannte Puppenhausmuseum, bis unters Dach angefüllt mit winzigen Wohnstuben, Miniaturküchen, Schlafzimmern mit kleinen Puppenbetten, massstabsgetreuen Strassenzügen, Markthallen, Rummelplätzen. Bevölkert wird der millionenteure Kleinmädchentraum von Tausenden Teddybären im Wert von … (aber dazu verweigert Gigi bekanntlich jeden Kommentar). Nur so viel verrät sie über ihren befremdlichen Kollektionismus: «Man kann auch Staubsauger sammeln. Aber diese dann auch so auszustellen, dass beim Betrachter etwas rüberkommt, ist schwieriger.» Nicht weniger grostesk klingt es bisweilen, wenn sich Oeri über ihre ballfertigen Schützlinge aus Fleisch und Blut äussert: «Wer mit Rössern umgehen kann, kann auch mit Fussballern umgehen», gab sie im Anschluss an ein Heimspiel einmal der «Weltwoche» zu Protokoll (siehe Artikel zum Thema «Gigi Oeri über ...: ... Fussball»).

Der Schluss scheint nahe zu liegen: Gigis Engagement beim FC Basel ist die blosse Verlängerung einer Sammelleidenschaft. Nur: Stimmt die These auch? Um eine Antwort darauf zu wagen, muss man wissen, wie Oeri und der FCB zusammenfanden: Im Herbst 1999 lud der damalige Präsident, René C. Jäggi, die Damen vom Lions Club Bruderholz zu einem Spiel ein. Auf der Basler Schützenmatte, wohin der FCB wegen des St.-Jakob-Park-Neubaus ausgewichen war, traf Jäggis Mannschaft auf den favorisierten Grasshopper-Club Zürich. Neben Jäggi fieberte damals Gigi Oeri auf der Tribüne erstmals mit. Sie habe regelrecht vibriert, erinnert sich ein Augenzeuge: «Sie fand dieses Spiel einfach wunderbar und sehr spannend und sah es wie zum ersten Mal.» Aussenseiter Basel siegte überraschend mit 2:0, und nach zwei weiteren Meetings mit Jäggi war Gigi an Bord. Die Leidenschaft – und nicht etwa Sammeleifer – hatte sie übermannt.

Schlicht erfunden ist, dass Jäggi sowie Primarschulkumpel und UBS-Chef Marcel Ospel, die in Kleinhüningen ins gleiche Schulhaus gegangen waren, von Anfang an den Plan verfolgt hätten, den lokalen Traditionsclub an den Basler Geldadel anzubinden. Oeris Engagement entspringt vielmehr einem Zufall. Zwar hatte Ospel 1996 im Namen des Schweizerischen Bankvereins (der später mit der Bankgesellschaft zur UBS fusionierte) zehn Millionen Franken bewilligt und damit Teile an der FC Basel Marketing AG erworben. Richtig ist auch, dass Jäggi und Ospel gemeinsam einen Fünfjahresplan erstellt und darin festgehalten hatten, dass der Club finanziell auf eigene Beine gestellt werden müsse. Doch war dabei nie von der Familie Oeri die Rede. Dafür von einem neuen Stadion, von Sponsoren und von Investoren, die durchaus auch aus dem Ausland hätten stammen dürfen.

Anstrengungen, die im Dreiländereck reichlich verfügbaren Geldquellen anzuzapfen, blieben gleichwohl nicht aus. Bereits 1997 und 1998 hatten verschiedene Exponenten aus dem damals nicht auf Rosen gebetteten Verein zu wiederholten Malen versucht, den Clan der Roche-Erben anzugehen. Erfolglos. Paul Sacher hatte zeit seines Lebens ein Engagement beim FCB abgelehnt – auch in den ganz schwierigen Jahren des Clubs, als dieser nach den grossen Benthaus-Jahren in den Sechzigern und Siebzigern in den Niederungen der Nationalliga B dümpelte und vor dem finanziellen Ausbluten stand.

Paul Sacher spielt im Leben der Gigi Oeri eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn der 1999 verstorbene Kulturmäzen, Dirigent und grosse Frauenliebhaber ist es, den die Fussballbegeisterte in dieser Familie am meisten bewundert. Sachers bescheidene Herkunft – auch er hatte sich wie Gigi in den Geldadel am Rheinknie eingeheiratet –, seine Kultiviertheit und sein machiavellistischer Umgang mit Macht beeindruckten die energische Schwarzwälderin offenbar sehr. Machtdemonstrationen, wie Sacher sie liebte, lebt Oeri heute auf ihre eigene Weise nach. Mit dem FC Basel hat sie hierfür ein ideales Vehikel gefunden.

Im Oktober 1999 startete Oeri als einfaches Vorstandsmitglied, zuständig für den Nachwuchs und die Ausbildung im Verein. Nach und nach rückte sie ab 2000 in die Rolle der Geldgeberin und Besitzerin der Transferrechte, zur einzigen Frau, die auf diesem Niveau im europäischen Spitzenfussball mitmischt. Von der UBS übernahm sie 2002, parallel zu Jäggis Abgang zum deutschen Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern, eine Mehrheitsbeteiligung an der FC Basel Marketing AG. Rund acht Prozent erwarb sie zudem von der englischen Firma Enic, die in Jäggis Kalkül ursprünglich als neue Clubeigentümerin vorgesehen war. Rückblickend kam Gigi Oeri ausnehmend billig zum 1893 gegründeten Vorzeigeclub. Die Anteile der UBS, die Ospel die erwähnten zehn Millionen Franken gekostet hatten, übernahm Oeri zum Nulltarif, wie ein Insider verrät. Ospel sei damals froh gewesen, ohne noch grössere Verluste aus der ganzen Sache herauszukommen.

Hätte Ospel geahnt, was mit dem FC Basel noch alles möglich würde, dass es dem Powerduo Oeri/Gross gelingen würde, den Verein innerhalb zweier Jahre auf die europäische Bühne zu hieven, er wäre vielleicht dabeigeblieben. In der Schweiz dürfte der Club den Erfolg auf Jahre hinaus gepachtet haben; zu gross ist der Vorsprung auf die Konkurrenz geworden. Im Leben von Gisela Oeri sind hierzu durchaus Parallelen auszumachen. Selbst wenn alles nach dem Basisszenario verläuft, wird sich die schrille Mäzenin bei der nächsten Meisterfeier kaum nochmals nass machen. Anstatt zu einer Horde grölender Millionäre in den Whirlpool zu steigen, kann das in den lokalen Geldadel eingeheiratete Energiebündel inskünftig wesentlich stilvoller bei sich zu Hause untertauchen – in einem granitgefassten Outdoor-Becken hinter ihrem neuen Luxusdomizil auf dem Bruderholz.

An bester Aussichtslage über dem Gundeldinger Quartier in Basel thront Oeris soeben fertig gestelltes Eigenheim. Aus den Fenstern der videoüberwachten Villa im Landhausstil, die für eine aus dem «Daig» vermutlich eine Spur zu protzig geraten ist, geniesst die Bademeisterin aus Südbaden einen herrlichen Blick über die Humanistenstadt und ihre markantesten Bauten – vom Münster über den hoch aufragenden Messeturm bis hinüber zum St.-Jakob-Park, der von den Stararchitekten Herzog & de Meuron konzipierten Massenkultstätte an der Birs. Zu ihren Füssen liegt die meistbesuchte Fussballarena des Landes, wo die kleine Königin mit dem Hang zum minuziös inszenierten Auftritt auch in Zukunft bei jedem Heimspiel ihrer Schützlinge Hof halten wird.