Als sie sich kürzlich an einer Betriebsführung die Produktion zeigen liess, wurde Cordula Stein vor versammelter Gruppe gefragt, ob sie sich als Frau denn überhaupt für Technik interessiere. Ein Dutzend Männeraugenpaare richtete sich auf die Organisationsberaterin aus Basel. «Klar doch», antwortete diese höflich, und die Führung ging weiter.

Stein nahm es gelassen: «Ich bewege mich beruflich viel unter Männern und kann über solche Stereotype nur schmunzeln», sagt sie. Die Unternehmerin ist aber nicht unglücklich, dass sie beim Verein Wirtschaftsfrauen Schweiz von solchen Klischees verschont bleiben wird. Vor zwei Monaten ist sie dem Business-Netzwerk beigetreten, und nach dem Besuch der ersten Anlässe ist die anfängliche Skepsis verschwunden: «Es hat tatsächlich etwas Entspanntes, wenn man nicht dauernd diese Genderbarrieren überwinden muss», sagt sie.

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Den lockeren Umgang mit den Geschlechtsgenossen schätzt auch Valentina Junker, wie Stein ein Frischling bei den Wirtschaftsfrauen: «Frauen sind untereinander spontaner und reden auch mal offen über Misserfolge», sagt die Hauptagentin bei der Axa Winterthur in Liestal.

Was Rotary und Lions Club für Männer sind, sind Frauennetzwerke für weibliche Berufstätige wie Valentina Junker oder Cordula Stein. Business Professional Women (BPW), Verband Frauenunternehmen, Netzwerk Einfrauunternehmen, Wirtschaftsfrauen Schweiz: Haufenweise Vereine buhlen um die Gunst der kontaktfreudigen Business-Lady.

Frauen helfen Frauen

Der grösste von ihnen, BPW, zählt 2500 zahlende Mitglieder. Vor fünf Jahren waren es knapp 2400 Mitglieder. «Wir sind langsam, aber kontinuierlich gewachsen», sagt BPW-Präsidentin Sabine Schmelzer. Der Hauptgrund für das Interesse ist für sie ein schlichter: «Berufstätige Frauen geniessen es, sich auch mal nur unter Frauen ausserhalb der männerdominierten Arbeitswelt zu bewegen. So können sie authentischer sein.» BPW Switzerland sei zudem besonders attraktiv, weil der Verein Teil des globalen Netzwerkes Business Professional Women International mit Präsenz in mehr als 90 Ländern sei. «Da lassen sich leicht Kontakte über die Landesgrenzen hinweg knüpfen.»

Frauennetzwerke sind aber auch aus anderen Gründen beliebt: «Bei uns können Frauen in einem geschlossenen Rahmen etwa lernen, ihr Eigenmarketing zu verbessern», sagt Kathrin Wyss, Präsidentin des Verbands Frauenunternehmen. Ähnlich argumentiert man beim Netzwerk Einfrauunternehmen – Anlaufstelle für die klassische Kleinstunternehmerin, von der Nagelstudiobetreiberin bis zur Feng-Shui-Beraterin. «Mir gibt das Netzwerk Frauenunternehmen Sicherheit in der Startup-Phase meiner Firma, weil ich dort auf Gleichgesinnte treffe», sagt denn auch Tamara Franziska Müller, die in Basel seit Januar das Massage- und Therapie-Studio Sanabalance betreibt.

Tückische Frauenbande

Darüber thront bei den grösseren Frauennetzwerken ein ideologischer Anspruch: die Position der Frauen in der Arbeitwelt zu stärken. «Unser Verband fördert Frauen in Kaderpositionen», lautet ein Leitsatz von Wirtschaftsfrauen Schweiz. «Das starke Netzwerk der BPW bringt Frauen auf ihrem Berufs- und Karriereweg weiter», heisst es bei BPW Switzerland. Doch genau das ist in der Wirtschaft umstritten. «Um Frauenkarrieren zu fördern, braucht es keine separaten Frauennetzwerke. Es gibt genügend attraktive Veranstaltungen, die auch Frauen eine gute Plattform für Kontakte bieten», sagt Peter Waser, Chef von Microsoft Schweiz.

Dem Ziel der Diversity (Geschlechtervielfalt) auf Kaderebene seien Frauennetzwerke bestimmt nicht dienlich, denn die explizit weibliche Zusammensetzung grenze ja auch aus – nämlich die Männer, so der Manager. Microsoft Schweiz (Anteil Frauen in der Geschäftsleitung: 30 Prozent) arbeitet trotzdem mit mehreren Organisationen zusammen – wie Get Diversity, Donna Informatica oder Wirtschaftsfrauen. «Wir schätzen diese Partnerschaften, da sie uns unter anderem helfen, Microsoft als Unternehmen zu positionieren, das Frauen interessante Karrieremöglichkeiten und grösstmögliche Flexibilität bietet.»

Wasers Kritik erhält Sukkurs aus der Wissenschaft. «Das Hauptproblem externer Frauennetzwerke ist, dass die wichtigen Entscheide letztlich in den männerdominierten Netzwerken gefällt werden», weiss Nicoline Scheidegger, Dozentin für Organisationslehre an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sie hat sich intensiv mit den Eigenheiten firmeninterner Netzwerke auseinandergesetzt und herausgefunden, dass zu starke Frauenbande ihre Tücken haben. «Für ihre homophilen Kontakte tragen Frauen verdeckte Kosten, denn diese Kontakte binden sie schlechter ins Einflussnetzwerk ein.» Konkret: Wenn sich Frauen vor allem unter ihresgleichen bewegen, schwächen sie ihre Position. «Frauennetzwerke können wertvoll sein. Wichtig ist aber auch das Mitwirken in heterogenen Netzwerken, weil diese die reale Wirtschaftswelt abbilden», sagt Headhunterin Doris Aebi von Aebi + Kuehni in Zürich. «Wir ermuntern unsere Mitglieder stets, auch Zugang zu suchen zu den traditionellen Männernetzwerken», erklärt Inge Schütz, Geschäftsführerin von Wirtschaftsfrauen Schweiz. Sie selbst ist Mitglied beim Rotary Club in Schweden und möchte gerne Rotarierin in der Schweiz werden.

Identitätskrise

Frauennetzwerke als Wohlfühloasen für weibliche Berufstätige – historisch betrachtet ist das nachvollziehbar. Mit dem Anstieg der Erwerbstätigkeit der Frauen stieg auch das Bedürfnis nach Austausch unter Gleichgesinnten. Die meisten Vereine wurden in den neunziger Jahren, teilweise auch früher, gegründet, in einer Zeit, als die klassischen «Old Boys Networks» wie Rotary, Lions oder Militär noch mächtiger waren als heute.

Inzwischen hat der Wind gedreht. Die Netzwerkstrukturen sind durchlässiger geworden. Nach jahrzehntelangem Kampf für eine bessere Position der Frau, nach der Lancierung von Frauenförderungsprogrammen im Dutzend und Gleichstellungspodien aller Art distanzieren sich breite Kreise der Wirtschaft heute von Klassenkampf und feministischem Mief. «Viele sind der ewig gleichen Diskussionen um die schwache Position der Frauen in Unternehmen überdrüssig. Es braucht deshalb neue Impulse bei den Veranstaltungen», sagt Ricarda Harris, Co-Präsidentin des BPW Club Zofingen.

Das Frauennetzwerk als Sammelbecken für frustrierte Berufstätige? Ein Stigma, das sich hartnäckig hält, wie Tabi Haller-Jorden, Schweiz-Chefin der weltweit tätigen Beratungsorganisation Catalyst, beobachtet: «Frauennetzwerke sind in den Augen vieler Männer und auch Frauen suspekt. Es dominiert die Vorstellung, da werde ein Kaffeekränzchen abgehalten und über die Position der Frau gejammert.» Tatsächlich hätten die Netzwerke ursprünglich vor allem dem psychosozialen Wohlbefinden der Frauen gedient. «Heute steht aber zunehmend die Frage im Vordergrund, welchen wirtschaftlichen Nutzen ein Netzwerk hat», so Haller-Jorden.

Die Folge: Frauennetzwerke stecken in einer Identitätskrise. Für die Catalyst-Managerin ist deshalb klar: «Die Vereine sollten sich nicht mehr auf reine Frauenthemen fokussieren, sondern zielgruppenorientierte Veranstaltungen durchführen, die auch Männer interessieren.» Heute reicht das Veranstaltungsspektrum der Netzwerke von Themen wie «Gibt es das Karriere-Gen?» über «Frauen in der Politik, was lässt sich bewirken?» bis hin zu «Kochen nach den fünf Elementen» oder «Die Kunst des Parfümeurs».

Rückläufige Mitgliederzahlen

«Frau sein allein ist kein Programm», hält Headhunterin Doris Aebi fest. Die Personalexpertin ist seit Jahren Mitglied bei den Wirtschaftsfrauen Schweiz und findet, die Frauennetzwerke müssten stärker auf die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen eingehen. Denn die Interessen einer Top-Kaderfrau sind nicht zwingend kongruent mit denjenigen einer Kleinunternehmerin, auch wenn beide im selben Verein sind. «Ich möchte mit Frauen in ähnlicher Berufsposition auf Augenhöhe diskutieren können», nennt Kerstin Büchel, Generalsekretärin des Verwaltungsrates der Schweizerischen Post, ihre Motivation, bei BPW Switzerland mitzumachen.

Mehr Profil, weg vom Jammer-Image: Die Netzwerke stehen unter Druck. Der Verband Frauenunternehmen verzeichnet heute noch 400 aktive Mitglieder – 100 weniger als vor knapp fünf Jahren. Auch bei den Wirtschaftsfrauen war die Tendenz bei der Mitgliederentwicklung über die letzten Jahre leicht rückläufig. Die Vereinsspitzen haben reagiert.

Seit zwei Jahren kooperieren BPW Switzerland, Wirtschaftsfrauen und Verband Frauenunternehmen im Bereich Weiterbildung, um mehr Reichweite zu erlangen. Firmenmitgliedschaften helfen, die Finanzen der Vereine zu stärken. Gemeinsam hegen die drei Organisationen den vagen Plan eines ersten nationalen «Female Economic Forum». Der Auftakt zu einer Konsolidierungswelle? «Ich schliesse Fusionen unter den Vereinen nicht aus», sagt Kathrin Wyss, Präsidentin des Verbands Frauenunternehmen.

BPW-Präsidentin Sabine Schmelzer wünscht sich eine «noch engere Zusammenarbeit» der Frauennetzwerke, und das gezielt zu Themen, die alle betreffen. Das Programm für das erste gemeinsame «Female Economic Forum» steht noch nicht. Doch die Direktive ist klar: «Es wird ganz sicher keine Diskussion über Frauenquoten geben», sagt Kathrin Wyss. Um Resultate zu erreichen, wolle man die Interessen der Frauen künftig subtiler in die Wirtschaft einbringen.