Ausgebuffte Schwarzfahrer erkennen Billetkontrolleure auf den ersten Blick: Mephisto oder Fretz Men. Wer viel auf den Beinen ist, wählt mit Vorliebe ein Schnürmodell aus der Kollektion dieser beiden Schuhhersteller eines französischen Grossverteilers und seines Schweizer Kontrahenten. Fretz Men, der Name steht für Tradition und Komfort, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (das Paar ab 100 Fr.) und Schweizer Qualität. Über 100 Jahre gibt es die Marke Fretz nun schon. Seit den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts wird am Hallwilersee, in Fahrwangen, produziert. Und noch immer befindet sich das Unternehmen, eine der allerletzten Schuhfabriken hierzulande, im Besitze der Familie Fretz. Die operative Leitung liegt bei Michele Coviello. Der Direktor ist ein echter Fretzianer. Seine Firmentreue währt seit 35 Jahren.

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Heute ist jeder Trend erlaubt

Der Mann hat denn auch schon so manche Modeströmung erlebt, hat Trends kommen und verschwinden sehen. «Früher, da lancierte man immer mal wieder einen neuen Schuh, da war morgen noch gut genug, was gestern angesagt war», erinnert sich Coviello. Tempi passati. «Heute müssen Sie jede Saison mit komplett neuen Modellen antreten, sonst haben sie am Markt überhaupt keine Chance», sagt der Fretz-Men-Chef. Im Falle des Aargauer Schuhfabrikanten bedeutet dies bei jährlich zwei Kollektionen zu je dreihundert Modellen ein Ausstoss von 500000 Paar Schuhen im Jahr. Was gerade en vogue ist? Coviello lacht: «Spitz, rund, hoch, flach, frech, dezent, schwarz, braun, bunt heutzutage ist alles Mode, es gibt kein eigentliches Diktat.»

Auf der Suche nach Neuheiten lassen sich die Fretz-Männer und -Frauen von aktuellen Trends aus den Fashionmetropolen London, Paris, Mailand und New York inspirieren. Oder man setzt auf die Innovationsgabe freier Designer. In die Grossproduktion geht letztendlich aber nur, was der Chef auch selber tragen würde. Avantgardistische Modelle sucht man dementsprechend vergebens im Regal des firmeneigenen Showrooms, der Fokus liegt ganz klar auf klassischen sowie zeitgemässen tragbaren Linien. Mit einer Diversifizierung des Sortimentes, beispielsweise mit der vor Jahren erfolgten Lancierung von Sneakern oder Gore-Tex-Schuhen, soll zudem ein neues, eher jüngeres Segment angesprochen werden. «Es ist klar, auch wir müssen ein bisschen modischer werden», gesteht Coviello.

Schuhe sind Frauensache

Grundsätzlich sind Schuhe eher Frauensache: Die Männer machen in Fachgeschäften lediglich einen Fünftel der Laufkundschaft aus. Dementsprechend beschränkt ist der Absatzmarkt für Herrenschuhe, insbesondere für relativ preisgünstige, wie sie Fretz Men herstellt. «Wir machen unseren Umsatz über die Paarzahlen. In der Schweiz und in Österreich haben wir in unserem Segment dahingehend ein Niveau erreicht, das kaum mehr eine Steigerung zulässt, wir können eigentlich nur noch verlieren», erklärt Michele Coviello. Dementsprechend hält er Ausschau nach neuen Märkten und solchen, die weiter ausgebaut werden können Deutschland beispielsweise , derweil die Wiederaufnahme der Produktion von Damenschuhen für ihn nicht in Frage kommt. «Wir wissen ganz genau, was wir können, und machen lieber das richtig, als dass wir uns auf Experimente einlassen», stellt Coviello klar.

Vor der Billigkonkurrenz aus Asien fürchtet man sich im Aargauer Seetal nicht wirklich. Das Label «Swiss Made» ziehe nach wie vor, betont der Firmenchef. Die Attribute Qualität und Zuverlässigkeit würden gerade beim Schuhkauf häufig Ausschlag geben, weniger der Preis.

Gore Tex in Sibirien

Die Herrenschuhe von Fretz Men gehen mittlerweile in über 30 Länder, vorab in den deutschen Sprachraum, aber auch in die Beneluxstaaten oder in den Hohen Norden und sibirischen Osten. Dort würden vor allem die warmen Gore-Tex-Modelle geschätzt.

Der Exportanteil beläuft sich heute auf 50%. Den Rohstoff, das Leder, bezieht die Seetaler Schuhfabrik in Europa. Bearbeitet und zu Schuhoberteilen verarbeitet werden die Rohhäute in Indien. Die Entwicklung der Modelle sowie deren Endfertigung geht hingegen nach wie vor vollumfänglich in Fahrwangen vonstatten, wo an zwei Produktionsstrassen täglich 1800 Paar Schuhe gefertigt werden. Bei der technischen Ausarbeitung der neuen Modelle setzt die Entwicklungsabteilung auf die Hilfe vom Computer, von den saisonal 300 zur Ausarbeitung freigegebenen Prototypen finden letztlich deren 200 auch wirklich den Weg in die Produktion.

Der Chef als Taufpate

Eine Vielzahl von Arbeitsgängen durchläuft ein Einzelstück von der Anlieferung als Schaft bis hin zur Endkontrolle. Allein die Montage beläuft sich auf über 15 Stationen. Besonders erwähnenswert: Jedes einzelne Paar Fretz Men wird zu guter Letzt akribisch auf Hochglanz poliert von ein und derselben Person notabene und, Achtung, von Hand. Das macht pro Tag summa summarum 3600 Schuhe. Während wir Normalsterblichen uns beklagen, wenn wir einmal die Woche ein paar Halbschuhe putzen müssen. Dabei ist die Pflege äusserst wichtig. «Sie garantiert eine lange Lebensdauer», betont Michele Coviello, der sämtliche Modelle aus dem eigenen Hause schon selber getragen oder, wie er selber sagt, «chaussiert» haben will. Alle. Von Bolton bis London, von Kevin bis Timothy, von Milo bis Shark, Fausto bis Varga. Und natürlich Sandro, seines Zeichens bester Freund des Billetkontrolleurs und Alptraum aller Schwarzfahrer. Für die Modellnamen zeichnet im Übrigen auch der Chef persönlich verantwortlich.

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Name: Fretz Men AG mit Sitz in Fahrwangen

Gründung: 1903 durch Hans Fretz in Aarau. 1965 erfolgt in Fahrwangen die Konzentration auf die Herstellung vonHerrenschuhen

Geschäftsleitung: Michele Coviello (Bild)

Umsatz: 30 Mio Fr. Beschäftigte: 80

Produkt: Herrenschuhe

Kunden: Fachhandel wie Coop City, Walder, Vögele, Ochsner, Tiefenbacher, Internet: www.fretz-men.ch