Das waren noch Zeiten. Damals, im 18. Jahrhundert, gehörte das Glarner Tuch zum besten seiner Klasse. Der Kanton erliess das erste Schweizer Fabrikgesetz, die Textilwirtschaft erreichte Spitzenwerte im europäischen Vergleich, wohlverstanden. An den «Hänggitürmen» trockneten edle, kunstvoll bedruckte Stoffe, begehrt in Europa und Übersee. Ein Beispiel: Glarner Textilbetriebe produzierten Sari-Stoffe für den Export nach Indien.

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In dieser Zeit gründete auch ein gewisser Johann Landolt sein Unternehmen. 1884 eröffnete er eine Seilerei im Einmannbetrieb. Die Wirtschaft blühte, nur wenige Jahre später trat sein Sohn ein und erweiterte das Unternehmen zu einem Textilbetrieb. Ja, das waren noch Zeiten.

Doch die sind längst vorbei. Rund 100 Jahre später, in den 1990er Jahren, stand der Glarner Textilwirtschaft das Ende bevor, geschlagen von europäischen und asiatischen Konkurrenten, die von ihren weitaus günstigeren Produktionskosten profitierten. Eine Spinnerei nach der anderen gab auf, leere Fabrikgebäude säumten die Linth. Es überlebte nur, wer rechtzeitig neue Strategien wählte.

Der «Hänggiturm» der Fritz Landolt AG in Näfels steht zwar noch. Allerdings aus nostalgischen Gründen. Das Unternehmen mit heute vier Tochterfirmen im Elsass, in Deutschland, Österreich und Italien stellte bereits 1960 auf die Herstellung von Vliesstoffen um. Von der Wirtschaftsmisere blieb die Fritz Landolt AG dennoch nicht ganz verschont. Parallel zur Vliesproduktion betrieb sie die Spinnerei weiterhin. Als sich in den frühen 1990er Jahren die Bedingungen für Textilunternehmen mehr und mehr verschlechterten, entschied die damalige Geschäftsleitung, einen Gegentrend zu setzen, und investierte noch einmal in neue Anlagen.

Ein Rohrkrepierer. Denn der hohe Frankenkurs hatte einen Grossteil der Kunden längst in Länder mit tieferen Produktionskosten vertrieben, etwa Italien, und machte den Glarnern so einen Strich durch die Rechnung. 1996 löste die Geschäftsleitung die Spinnerei auf.

In der Folge erholte sich die Fritz Landolt AG zwar, stattdessen blockierten innerfamiliäre Streitigkeiten den Geschäftsgang. Im Jahr 2001 übergaben die Inhaberfamilien Landolt die Geschäftsleitung an eine neue Führungsmannschaft unter der Leitung des ETH-Ingenieurs Frank P. Gross. Der schaffte es, das Unternehmen in ruhigere Gewässer zu lotsen.

Französische Erinnerungen

Den Gebäuden ist die langjährige Vergangenheit anzusehen. Grosse und kleine Fertigungshallen aus verschiedenen Jahrzehnten verteilen sich auf dem Areal in Näfels. Frank P. Gross deutet auf das alte Firmenlogo über dem Eingang einer Halle: eine Spindel, darüber, in blauer Farbe, das Kürzel FLN Fritz Landolt Näfels. Drei Buchstaben, die französische Kunden in Gedanken an den algerischen «Front de la Libération Nationale» heute die Stirn runzeln liessen, was schwerwiegende Folgen hätte: In diesem Jahr dürften rund 36% aller Landolt-Produkte von französischen Unternehmen aus der Baubranche und der Industrie eingekauft werden.

Leicht mehr verkauft Landolt in der Schweiz, nämlich 37%. Wesentlich weniger, nämlich nur zwischen 4 und 6%, setzt Landolt je in Deutschland, Österreich und Italien ab. Die restlichen 14% ihrer Produkte verkauft die Gruppe unter anderem nach den USA, Skandinavien und Australien.

Pro Jahr produziert der KMU-Betrieb mit rund 110 Angestellten in Näfels und rund 50 Mitarbeitern in den vier Tochtergesellschaften pro Jahr 8000 t Vliesstoffe auf der Basis von Endlos- und Stapelfasern. Allein 400 bis 600 t des Faserstoffes fallen durch Randstreifen und andere Produktionsreste an. Bis vor fünf Jahren entsorgte Landolt dieses Material gegen Gebühr. Heute lässt es sich mittels einer Rezyklieranlage wieder aufbereiten.

In den grossflächigen Produktionshallen für die Endlosfasern liegt ein eigenartiger Geruch in der feuchtwarmen Luft. Hier wird das Polypropylen-Granulat auf einer langen, vollautomatischen Fertigungsstrasse erhitzt und anschliessend durch Düsenköpfe mit 160000 winzigen Öffnungen gepresst. Ergebnis: Endlos lange, hauchdünne Fäden. «Eine Faser von 10 Kilometern Länge wiegt nur 3,6 Gramm», kommentiert Gross.

Unter Wärme- und Dampfeinfluss werden die Fasern so lange gestreckt und gestaucht, bis sie eine gewisse Festigkeit erreichen daher rührt der eigenartige Geruch. Um das dicke, reissfeste Vlies zu erhalten, schichtet dann eine zweite Anlage die hauchdünnen Faserteppiche über Kreuz aufeinander, auf- und abschnellende Nadelpanels verwickeln die Fasern ineinander und bewirken so eine mechanische Verfestigung. Am Ende der Fertigungsstrasse wird das bis zu 6 m breite Vlies aufgerollt, verpackt und via Rollband in das nahe Aussenlager befördert.

Abhängig von der Baubranche

Die Abnehmer der Landolt-Produkte stammen aus den Bereichen Hoch- und Tiefbau, Wohnen und Innenausbau, baunahe Converter sowie aus übrigen Industriebereichen. Standardprodukte wie Geotextilien produziert Landolt auf Lager, doch es wird auch just in time gearbeitet. Gewünscht werden Produktetypen aus den oben beschriebenen Endlosfasern. Solche Geotextilien werden etwa für die Felswandabdeckung beim Neat-Tunnelbau verwendet. Daneben stellt Landolt auch Vliese aus Stapelfasern her. Diese werden, als spezielles Beispiel, für die Heckflügel des Porsche Carrera GT oder für Skis österreichischer Hersteller benötigt.

Wichtigstes Produkt für den Schweizer Markt ist «Floorliner», ein Schutz- und Abdeckflies, das vor allem von Handwerkbetrieben, etwa Malern, geordert wird.

Auf dem französischen Markt wird das Geotextil Datex am häufigsten eingekauft. Zwar produziert die Landolt-Gruppe als einziges Unternehmen der Schweiz solche Geotextilien, doch ihr Produkt ist im Vergleich zu ausländischen Herstellern konkurrenzfähig.

Die Zeiten für ein Unternehmen im Glarnerland sind nicht einfach der Kanton verzeichnet die höchsten Abwanderungsquoten. Überdies leidet die Baubranche, eine Hauptkundin von Landolt, unter der Wirtschaftslage. Deshalb richtet Geschäftsleiter Gross das Unternehmen auf andere Wirtschaftszweige aus. «Die grössten Potenziale liegen beim Innenausbau, baunahen Convertern und bei der verarbeitenden Industrie», weiss Gross.

Eine weitere Strategie des Geschäftsführers ist der Schritt nach Osteuropa und Fernost. Hier sollen günstige Produktionsstätten und Verkaufsstrukturen geschaffen werden. Damit sucht 120 Jahre später erneut ein Glarner Unternehmen den Weg nach Asien.

Firmen-Profil

Name: Fritz Landolt AG, Näfels (bzw. Landolt-Gruppe)

Gründung: 1884, von Johann Landolt

Beschäftigte: 170 (inkl. vier Tochterfirmen; in Näfels: 110)

Besitz: Familie Landolt

Umsatz: 40 Mio Fr.

Produkte: Herstellung von Vliesstoffen aus Endlos- und Stapelfasern, unter anderem für die Baubranche und die verarbeitende Industrie.

Internet: www.landolt.com