Normalerweise kriecht Alain Martinet um 6.15 Uhr aus den Federn. Doch einige Male im Jahr stellt der COO der Burgdorfer Business-Hosting-Firma Webstyle den Wecker werktags auf 5.15 Uhr. So früh muss der KMU-Manager im Emmental aufstehen, wenn er rechtzeitig um 7.30 Uhr am Frühstücksanlass «Social Media Gipfel» in Zürich Stadelhofen sein will. Der Anlass lohne die frühe Tagwache, sagt Martinet: «Spannende Themengebiete, potenzielle Zielkundschaft vor Ort – das ist die Mühe wert. Nach einer Stunde Zugfahrt ist man körperlich wach.» So früh aufzustehen, ist keine Höchststrafe: «Das gehört zum Geschäftsleben, ein Wirt muss ja auch bis Mitternacht in seinem Geschäft bleiben.»

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Rund 100 Leute treffen sich jeweils zum Social Media Gipfel im Zürcher Trend-Vegi-Lokal Tibits. Für sie ist der Anlass gratis. Kaffee und Gipfeli sind gesponsert. Organisiert wird die morgendliche Sause von der Zürcher Kommunikationsagentur Bernet PR und der Online-Agentur Blogwerk. Mit Erfolg.

Rund 2000 Leute haben der Veranstaltung seit der Lancierung im Jahr 2009 beigewohnt. Der Anlass ist jeweils in kurzer Zeit ausgebucht. Zwei Referenten halten einen kurzen Vortrag über ihre Social-Media-Strategie. Es folgt ein bisschen Networking. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. «Die Leute schätzen den kurzen Erfahrungsaustausch und gehen dann mit Inputs und neuen Ideen ins Büro», sagt Irène Messerli, Co-Geschäftsführerin von Bernet PR. Etwas lernen, Kontakte knüpfen, und das erst noch in knapper Zeit – das soll den Teilnehmenden beschieden sein. Ganz nebenbei ergeben sich für Bernet PR neue Aufträge.

Kontakte im Zentrum. Business generieren will auch die Zuger Agentur Loepfe & Partner Reputation. Alle zwei bis drei Monate lädt sie zum «Repuccino» ins Zürcher «Au Premier» mit jeweils einem Referenten. Start: 7.30 Uhr. Ende: Punkt 8.15 Uhr. «Die zeitliche Disziplin ist wichtig. Die Leute wollen anschliessend rasch weg», sagt Agenturinhaber Steven Loepfe. Ein lockerer Frühstückstalk soll es sein; eine «geistige Anregung vor dem Bürotag», wie es der Reputationsspezialist beschreibt. Im Zentrum stehen dabei die Kontakte – aus denen für Loepfe schon das eine oder andere Geschäft entstanden ist.

Morgenstund hat Gold im Mund – das abgedroschene Sprichwort gewinnt in einem Berufsalltag, der zunehmend hektisch und durchgetaktet ist, wieder an Bedeutung. Während abends die Lichter in den Büros länger brennen und die Agenden engagierter Kader bereits mit Businessapéros vollgepflastert sind oder auch einfach mal der Familie gehören, gibt der Morgen noch einige Slots her.

Statt zu joggen, darfs ja auch mal ein Lern-Quickie sein. «Um diese Zeit erreicht man noch alle gut mit Ausnahme der Leute vom Bau», sagt Markus Kessler. Er gehört dem Verein Business-Loge in St. Gallen an, der seit 2011 aktiv ist und auf sogenanntes Empfehlungsmarketing setzt. «Bei Kaffee und Croissants wichtige Geschäftspartner kennen lernen», so wirbt man auf der Homepage. Konkret heisst das: Mitglieder berücksichtigen bei Geschäften andere Mitglieder und vermitteln diese wiederum an Dritte, wenn sie von möglichen Geschäften hören. Im Hotel Radisson Blu in St. Gallen geht es jeweils schnell zur Sache, wenn sich die Mitglieder – Leute aus der KMU-Szene –jede zweite Woche zum Frühschoppen treffen. Ein 20-minütiger Vortrag; danach werden gezielt und in Windeseile Visitenkarten ausgetauscht. «Es soll kein unverbindliches Kafichränzli sein. Aufträge hereinzuholen, steht klar und deklariert im Vordergrund», so Kessler.

Morgeninspiration. Für die frühe Morgenstunde spricht die leere Agenda. Allerdings ist auch das Ausfallrisiko gross. Nasses Wetter, schlechter Schlaf – da bläst man den Besuch auch mal spontan ab. «Die Ausfallquote kann schon mal 50 Prozent betragen», so Steven Loepfes Erfahrung. Diejenigen, die kommen, sind allerdings «hellwach und motiviert».

Ob die frühe Stunde auch dem Biorhythmus des Menschen entgegenkommt, ist allerdings eine andere Frage. Der auf Chronobiologe spezialisierte deutsche Psychologe Jürgen Zulley, der schon verschiedene Bücher zu diesem Thema geschrieben hat («Unsere innere Uhr», 2009), winkt ab. «Am frühen Morgen ist man nicht aufnahmefähiger als am Abend.» Trotz individueller Unterschiede steige die Leistungskurve der meisten Menschen erst gegen 10 Uhr auf ein Maximum an, so der Fachmann. Aus Zulleys Optik sind Veranstaltungen vor Bürobeginn deshalb sogar eher nachteilig. Nicht nur, weil die biologische Leistungskurve noch nicht erreicht ist, sondern weil solche Events auch den erholsamen Schlaf durch das frühe Aufstehen beeinträchtigen.

Die Veranstalter frühmorgendlicher Netzwerkveranstaltungen lassen sich von derlei wissenschaftlichen Standpunkten allerdings nicht beirren und verweisen auf den lockeren Rahmen, der noch nicht allzu grosse Anforderungen an die Hirnzellen stelle. Steven Loepfe: «Wir wollen unsere Besucher nicht in Lernsituationen versetzen, sondern in eine entspannte Morgenstimmung.» Auch das Restaurant Kunsthaus in Zürich, das monatlich zum Frühstücksanlass ruft, wirbt in Softform für den Event: «Die kleine, aber feine Morgeninspiration».