Der grösste Zusammenschluss in der Geschichte der Zementbranche steht auf der Kippe. Der Schweizer Holcim-Konzern gibt dem Druck seiner Investoren nach und verlangt vom französischen Wunschpartner Lafarge die Neuverhandlung des Deals. Stimmen die Franzosen dem zu, wird aus der 40 Milliarden Euro schweren Fusion von gleich starken Partnern eine Übernahme von Lafarge.

Mit dem Vorpreschen riskiert Holcim aber, dass der Zusammenschluss platzt. Knackpunkt ist die eigentlich längst entschiedene Frage der Besetzung des Chefpostens. Die Anleger reagierten ungnädig. Die Aktien der beiden Konzern kamen an der Börse unter Druck.

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Viele offene Fragen

Nach wochenlangen Spekulationen machte der Holcim-Verwaltungsrat um Präsident Wolfgang Reitzle klar: Die Fusion mit dem Erzrivalen Lafarge ist in der ausgehandelten Form kurz vor der Ziellinie gescheitert. Holcim will insbesondere beim Austauschverhältnis mehr herausholen und sperrt sich gegen die geplanten Besetzungen der Unternehmensspitze. Was das genau heisst, blieb zunächst offen. Holcim und Lafarge sind noch vor HeidelbergCement die weltgrössten Zementhersteller.

Eine mit der Situation vertraute Person nannte Einzelheiten. Bisher sei vorgesehen gewesen, dass die Lafarge-Eigner pro Titel eine Aktie von Holcim erhalten. Damit will sich Holcim nun nicht mehr zufrieden geben: Lafarge-Aktionäre sollen nur noch 0,875 Titel von Holcim erhalten. Lafarge will eigenen Angaben zufolge über das Austauschverhältnis mit sich reden lassen. Einem Insider zufolge gehen die Franzosen mit einem Angebot von 0,93 Prozent in die nächsten Verhandlungen. Der Insider bestätigte einen Bericht der Nachrichtenagentur «Bloomberg».

Holcim will «Königsmord»

Der grössere Stolperstein für eine Einigung dürften aber Management-Fragen sein. Als Chef des neuen Unternehmens war bisher Bruno Lafont vorgesehen, der bei Lafarge seit 2007 sowohl Vorstandsvorsitzender als auf Aufsichtsratschef ist. Doch Holcim will dem Franzosen die Schlüsselposition nicht mehr anvertrauen. Einem Insider zufolge könnte dieser «Königsmord» die Transaktion komplett scheitern lassen. Lafarge hat Verhandlungen über andere Fragen als das Verhältnis des Aktientausches ausgeschlossen.

Ein Vertreter eines der zehn grössten Holcim-Aktionäre hält nun sowohl ein Scheitern als auch einen Abschluss des Deals für möglich. Um genügend Holcim-Investoren hinter sich zu scharen, wäre seiner Ansicht nach eine stärkere Vertretung von Holcim im Aufsichtsrat des neuen Unternehmen nötig. Bislang ist geplant, dass beide Partner jeweils sieben Sitze bekommen sollen. Retten könnte den Deal womöglich eine Übernahme der Franzosen durch die Schweizer. Die französische Regierung setzt sich in der Regel jedoch stark dafür ein, dass heimische Grosskonzern möglichst nicht in ausländische Hände geraten.

Kritische Stimmen

Als die beiden Konzerne im April vergangenen Jahres ihre Fusionsabsichten bekannt gaben, applaudierten die Anleger. Auch die nächsten Schritten klappten. Beide Konzerne vereinbarten unter anderem dem irischen Konkurrenten CRH Zementwerke und Anlagen im Wert von 6,5 Milliarden Euro zu verkaufen und sicherten sich damit die Zustimmung der Wettbewerbshüter.

Doch zuletzt waren mehr und mehr kritische Stimmen zu vernehmen, nachdem Lafarge einen schwächeren Jahresabschluss als Holcim vorgelegt hatte. Für die Investoren wurde zudem die starke Stellung von Lafarge in Afrika und im Nahen Osten zum Risiko angesichts der zahlreichen Krisen in diesen Regionen.

Lafarge-Aktien auf Tauchgang

Lafarge-Aktien sackten am Montag um fünf Prozent ab, während Holcim-Papiere an der Börse ein Prozent einbüssten. Die Zukunft der Transaktion sei völlig offen, erklärte Bernstein-Analyst Phil Roseberg. Nicht nur die Verwaltungsräte müssten sich einigen, sondern auch die grössten Aktionäre.

An Holcim hält Thomas Schmidheiny von der Holcim-Gründerfamilie gut 20 Prozent, der Russe Filaret Galvhev gut zehn Prozent. Hinter Lafarge stehen der belgische Milliardär Albert Frere und der ägyptische Unternehmer Nassef Sawiris.

(reuters/ccr)