Unser Betrieb rentiert dann am besten, wenn alle Restaurants bereits geschlossen haben», streicht Andrea Godly, Geschäftsführer der Pizza-Blitz-Kette, die Bedeutung der liberaleren Regelung heraus. «Bis allerdings unsere Kunden gemerkt haben, dass sie wieder mitten in der Nacht bestellen können, dürfte es noch eine Weile dauern.»

Zur Erinnerung: Seit Sommer 2004 durften die Pizzakuriere werktags nur noch bis Mitternacht, am Wochenende bis ein Uhr ausschwärmen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hatte der Branche die Ausnahmebewilligung für Nachtarbeit verweigert. Und die Rekurskommission des Volkswirtschaftsdepartements hatte die dagegen eingereichte Beschwerde abgeschmettert.

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Die Pizza-Blitz-Kette, mit acht Filialen einer der «nachtaktivsten» Hauslieferdienste, verlor deswegen fast 30% ihres Umsatzes. Sie musste 30 ihrer 300 Beschäftigten entlassen. Andere Hauslieferer beklagten ähnlich hohe Einbussen. Jetzt kann die Branche aufatmen. Der Bundesrat hat am 25. Mai 2005 die Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz (ArGV2) geändert: Betriebe, die fertig zubereitete Speisen ausliefern, werden den Restaurants gleichgestellt und dürfen ab 1. Juli 2005 ohne Sonderbewilligung während der ganzen Nacht Personal einsetzen.

Nachtarbeiter ist guter Esser

Die liberale Lösung beendet ein rechtliches Hickhack, das sich mehr als ein Jahr dahingezogen hat. Nebst ein paar hundert Betrieben profitieren davon natürlich die Konsumenten. Als besonders fleissige Kunden gelten etwa die Angestellten von Spitälern oder Securitas-Wächter, die spontan den Kurier ordern, wenn sie bei ihrer nächtlichen Arbeit der Hunger plagt. «Wir sind immer in Notsituationen besonders gefragt», sagt Godly.

Die Branche konnte sich in den letzten Jahren im Sog sich wandelnder Essgewohnheiten sowie flexiblerer Arbeitszeiten etablieren. Eine Studie von Thomas Rudolph, Direktor des Instituts für Marketing und Handel an der Universität St. Gallen, über das Essverhalten der Schweizer Bevölkerung stellt fest: Bereits ein Fünftel aller Beschäftigten verzehrt sein Mittagsmahl am Arbeitsplatz. Die «Margherita» auf die Schnelle für 12.95 Fr. gilt vielen als Ideallösung. Beim Essen am Bürotisch oder vor dem Computer liegt laut Studie ein Potenzial von 1,6 Mrd. brach. Umstritten ist, wieweit dieses bereits ausgeschöpft ist. Laut Schätzungen von Gastrosuisse erzielten «Hauslieferer, Gastroshops und Verkäufer über die Gasse» 2004 einen Umsatz von 1,25 Mrd Fr. oder 8% des gesamten Gastronomie-Kuchens. Der Marktanteil der Hauslieferer dürfte laut Gastrosuisse-Sprecherin Brigitte Meier-Schmid noch weiter wachsen. Die Konkurrenz ist allerdings inzwischen riesig. Auf der Kurier-Plattform www.food-delivery.ch sind ein paar hundert Betriebe für die Deutschschweiz aufgelistet. Allein in der Stadt Zürich gibt es rund 50 Pizzakuriere, wobei die nebenbei ausliefernden Restaurants noch nicht mitgerechnet sind.

Die Vielfalt des Angebots der Kurierdienste wird immer grösser. Ob italienische Pizzas, thailändische oder türkische Gerichte, ob Burger, Güggeli, Sushi oder Fondue fast schon jede erdenkliche Speise wird von den rollenden Kellnern nach Hause gebracht. Verwöhnte Gourmets in Zürich ordern den «Royal Gourmet Express», der von Spitzenköchen zubereitete internationale Küche anbietet.

Die Boomphase ist vorbei

«Die Branche entwickelt sich nicht mehr so expansiv wie noch vor wenigen Jahren», erklärt Sascha Vakili, Geschäftsführer des Pizza Taxi, mit sechs Filialen grösster Lieferservice in der Nordwestschweiz. Die Einstiegshürde ist klein, und nicht alle Anbieter bringen das notwendige professionelle Rüstzeug mit. Gewisse Betriebe verschwinden fast so schnell, wie sie aufgetaucht sind. «Um Geld zu verdienen, braucht es eine perfekte Organisation mit einer gut eingespielten Küche und einer optimalen Routenplanung», nennt Godly die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Mit knapp 100000 verkauften Pizzen pro Monat generierte die Pizza-Blitz-Kette 2004 einen Umsatz von rund 10 Mio Fr. Sie gehört damit nebst Dieci, Janni und Fulmine zu den Grossen in der Branche.

Die Gewerkschaften möchten die Kurierdienste dem Gesamtarbeitsvertrag der Gastrosuisse unterstellen. «Wir sind jedoch eine Zwitterbranche», gibt Vakili zu bedenken. Versicherungsrechtlich werden die Pizzakuriere wie das Transportgewerbe behandelt. «Tatsächlich stehen wir zwischen Produktion und Dienstleistung, und die Auslieferung ist unsere Kernkompetenz», betont Dieci-Chef Harry Rogenmoser. Gewinne könnten nur dank einem effizienten Vertrieb erwirtschaftet werden. Dass die Bemühungen, einen Dachverband für die spezifischen Bedürfnisse der Hauslieferdienste zu gründen, bislang gescheitert sind, ist für Rogenmoser einleuchtend. «Die Hauslieferer sind Einzelkämpfer, die nach ein paar Boomjahren bereits in einem knallharten Verdrängungswettbewerb stehen.