Die Festlegung der Zinssätze basiert auf zwei Hauptfaktoren: Den Aussichten für das Wirtschaftswachstum und den Inflationserwartungen. Die Währungsverantwortlichen legen gemäss der innerhalb eines rechtlichen Rahmens definierten Ziele die kurzfristigen Zinssätze fest. Die langfristigen Zinssätze werden demgegenüber von den Finanzmärkten bestimmt. In beiden Fällen sind die massgebenden Elemente identisch, und die Korrelation zwischen den kurzfristigen und den langfristigen Zinssätzen ist hoch. Obwohl es die Aufgabe der Zentralbank ist, die monetären Rahmenbedingungen eines Landes oder einer Region festzulegen, können die Märkte divergierende Meinungen haben. Je nach den Aussichten für das Wirtschaftswachstum, den Inflationsrisiken sowie der Geldpolitik der Zentralbank kann der Renditeunterschied zwischen den kurzfristigen und den langfristigen Zinsen gross sein.

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Das momentane Umfeld ist das beste Beispiel dafür. Erstens bleibt das Wachstumspotenzial für die Industrieländer, insbesondere in Europa und in der Schweiz, schwach. Zweitens ist die Inflation unter Kontrolle und keine Plage wie noch in den 80er Jahren. Und schliesslich, und dies ist die Hauptsache, betreiben die Zentralbanken, insbesondere die Schweizerische Nationalbank und die Federal Reserve, eine sehr expansive Geldpolitik, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die schädlichen Auswirkungen einer Deflation zu vermeiden. Daraus resultieren historisch tiefe Zinssätze von 1% für die USA und 0,25% für die Schweiz. Dieses tiefe Zinsniveau dürfte daher dazu beitragen, die Wirtschaftsaktivitäten über die Investitionen wieder anzukurbeln.

Hohe Zinsen heissen weniger Investition

Tatsächlich gibt es eine negative Beziehung zwischen Zinssatz und Investitionen. Je höher nämlich die Zinssätze sind, desto weniger sind die Wirtschaftsakteure bereit, weitere Investitionen zu tätigen. Die Rendite «risikoloser» Titel in Form von kurzfristigen Regierungsanleihen ist nämlich attraktiv genug, dass nicht in Projekte investiert wird, die zwar eine höhere Rendite versprechen aber ein entsprechend grösseres Risiko beinhalten. Deshalb steigen die Zinssätze in einer Phase des Wirtschaftswachstums und verringern sich in einer Rezession. Es stellt sich auch die Frage, ob dieser zurzeit auf die Spitze getriebene Mechanismus die Anleger mittelfristig nicht dazu veranlassen wird, die Geldmarktprodukte zu verschmähen zu Gunsten von anderen Produkten, die eben attraktivere Renditen versprechen.

Modeströmungen sind für unseren Lebensstil charakteristisch und beeinflussen einen Grossteil unserer Aktivitäten. Man könnte sie definieren als eine Anpassung der Produkte an die Bedürfnisse der Konsumenten oder umgekehrt. Die Finanzmärkte lassen sich ebenfalls so klassifizieren, mit dem Unterschied, dass ein Finanzprodukt in der Regel langfristige Bedürfnisse befriedigt, was bei einem Konsumgut nicht der Fall ist. Deshalb eignet sich der Geldmarkt im Allgemeinen für relativ risikoaverse Anleger, die in erster Linie die Kapitalerhaltung suchen und/oder grossen Liquiditätsbedarf haben. Die Rendite, die von einer Geldmarktanlage zu erwarten ist, ist gering, denn das eingegangene Risiko ist ebenfalls gering.

So verzeichneten die Geldmarktfonds in den letzten fünf Jahren laut Lipper Schweiz ein jährliches Nettoergebnis abzüglich Verwaltungsgebühr von 1,3% für den Franken, 2,93% für den Euro und von 3,2% für den Dollar. Obwohl diese Renditen hinsichtlich des eingegangenen Risikos befriedigend sind, können sie sich in nächster Zukunft nicht wiederholen. Denn die von einem Geldmarktfonds erwartete Nettorendite liegt bei etwa 0,11% für den Franken, 0,42% für den Dollar und 1,39% für den Euro. Sie wäre noch geringer, hätten die Banken ihre Verwaltungsgebühren nicht gesenkt. Bei solchen Erwartungen erstaunt es nicht, dass sich die Vermögen der Geldmarktfonds zu Gunsten von anderen Anlagevehikeln, die attraktivere Renditen versprechen, stark verringert haben, insbesondere Aktien-, Obligationen- und Immobilienfonds.

Bei genauerer Analyse stellt man fest, dass die von einer Geldmarktanlage zu erwartende Rendite nicht nur nominal beinahe null ist, sondern real sogar negativ ist. Die kurzfristigen Zinssätze des 3-Monats-Libor haben zwischen 10% zu Beginn der 90er Jahre und 0,25% heute geschwankt. Während die Nominalzinsen nicht negativ sein können, können die Realzinsen zeitweilig unter null sinken, wenn die Inflation über dem Zinssatz liegt. Damit verliert der Anleger an Kaufkraft, obwohl die auf dem Geldmarkt erwartete Rendite positiv ist. Dies ist seit 18 Monaten in der Schweiz, in den USA und etwas weniger ausgeprägt in Europa der Fall und zeugt von der sehr expansiven Geldpolitik gewisser Zentralbanken.

Um diese Unattraktivität des Geldmarktes zu verringern, wurden neue Obligationenfonds eingeführt, die eine Strategie der so genannten absoluten Performance verfolgen. Dabei geht es darum, ein schwaches Zinsrisiko beizubehalten, wie es dem Geldmarkt eigen ist, und gleichzeitig das Risiko durch Anlagen in Titel geringerer Qualität zu erhöhen. Mit diesem zusätzlichen Risiko kann eine zusätzliche Rendite erzielt werden, die zu derjenigen des kurzfristigen Zinssatzes hinzukommt. Die erwartete Rendite kann somit je nach eingegangenem Risiko entsprechend dem um 40 bis 200 Basispunkte verbesserten 3-Monats-Libor variieren. Dieser Produkttyp ist kein perfekter Geldmarktersatz, sondern einfach eine zusätzliche Alternative für den Investor, denn das Zinsrisiko ist zwar identisch, das Risiko bezüglich Emittenten jedoch nicht.

Mehr Risiko bei der Umschichtung

Indem der Anleger dem Geldmarkt zu Gunsten anderer, attraktiverer Anlagevehikel den Rücken kehrt, erhöht er seine Renditeerwartungen, vergrössert aber gleichzeitig sein Risiko. So hat man festgestellt, dass die Vermögensabflüsse aus dem Geldmarkt in andere Anlagefonds nach der Senkung der Leitzinsen der Nationalbank erfolgt sind. Der Zusammenhang legt nahe, dass Anleger bereit sind, grössere Risiken einzugehen, wenn die Renditen wenig attraktiv sind, und entspricht der Dynamik des Wirtschaftsaufschwungs durch Investitionen. Der gegenteilige Effekt dürfte demnach eintreten, wenn die Zinssätze steigen, also wenn die auf dem Geldmarkt verfügbare Rendite attraktiv genug ist, um einige Anleger aus den risikoreichen Produkten zu treiben.

Obwohl der Geldmarkt zurzeit nicht sehr geschätzt ist, befriedigt er die Bedürfnisse der konservativen Anleger nach wie vor und wird dies weiterhin mit unterschiedlichem Erfolg tun. Die momentane Konjunkturlage, welche die Nationalbank zwingt, die Zinssätze auf historisch tiefen Niveaus zu halten, kann nicht unendlich lange fortgeführt werden. Denn ein Wirtschaftsaufschwung sowie die Vorboten einer steigenden Inflation werden früher oder später zu einer Zinssatzerhöhung führen. Man kann also behaupten, dass der Geldmarkt aus strukturellen Gründen zurzeit nicht «in Mode» ist, dass sich dies jedoch ändern wird, sobald die Zinsen ansteigen. Es ist einzig eine Frage der Zeit.

Alexandre Bouchardy, Portfolio Manager Global Fixed Income, Credit Suisse Asset Management, Zürich.