Der jüngste Entscheid der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) erregt die Gemüter auch in Branchen, die derzeit weniger im Visier der Geldwäschepolizisten stehen: «Wenn die von der EBK verordnete elektronische Überwachung aller Geschäftsbeziehungen auf uns abfärben sollte, verweigern wir uns», sagen die Selbstregulierungsorganisationen (SRO). In den rund zwölf schweizerischen SRO sind über 7000 so genannte Finanzintermediäre organisiert, die von den staatlichen Stellen mangels Kapazität nicht selbst kontrolliert werden können und sich teilweise auch nicht gerne kontrollieren lassen.

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Der Grund liegt auf der Hand: Müssten beispielsweise Rohstoffkonzerne ihre finanziellen Transaktionen nach Bern rapportieren, erhielte der Staat Aufschluss über ihre Gewinne, welche diese bekanntlich besonders im Kanton Zug nur zum kleinen Teil versteuern müssen.

Wenig Steuer, viel Privileg

Aktuellstes Beispiel ist die Handelsfirma Crown Ressources, die den Zuger Steuervögten in den letzten drei Jahren trotz eines Umsatzes von mehr als 10 Mrd Dollar nur 300 000 Fr. Steuern überweisen musste, weil sie zur Kategorie der so genannten «gemischten privilegierten Gesellschaften» gehört. Die Crown, die sich nach dem Kentern ihres gecharterten Öltankers Prestige unter dem Namen «ERC Trading» aus dem russischen Alfa-Imperium herausgelöst hat, fühlt sich sogar dermassen privilegiert, dass sie offen angekündigt hat, sie werde sich an den Folgen der Katastrophe mit keinem Euro beteiligen.

Aber auch unter dem Geldwäschereigesetz gelten für die Rohstoffkonzerne noch immer nicht dieselben Regeln wie für andere Institute, die täglich Millionenbeträge verschieben: «Eine unbefriedigende Situation», urteilt Raoul Sidler, Geschäftsführer der Zürcher SRO Polyreg. Als die eidgenössische Kontrollstelle für Geldwäscherei ihre Praxis zur Unterstellungspflicht der Rohstoffhändler publizierte, hätten sich Einzelne sofort bei den SRO gemeldet und die Sorgfaltspflichten gegenüber Geldwäscherei eingeführt. Andere hingegen wie zum Beispiel der in Zug domizilierte, weltgrösste Rohstoffhändler Glencore hätten nicht einmal eine Bewilligung. «Rechtsstaatlich bedenklich», urteilt Sidler.

Nur anonym nennt ein anderer Branchenkenner die Gründe dafür, dass die Rohstoffhändler noch mit Samthandschuhen angefasst werden: Erstens sei die Praxis der Kontrollstelle ein Schnellschuss gewesen. «Der Geltungsbereich war derart praxisfremd, dass sie zuerst die Gegenfragen verdauen muss, mit denen die Kontrollstelle von den Rohstoffhändlern letztes Jahr bombardiert wurde.» Weil sie die Abgrenzungsfragen bis dato ungeklärt liess, sei das Geldwäschereigesetz für die Rohstoffhändler de facto ausser Kraft.

Zweitens sei die aktuelle Fokussierung auf Geldtransferfirmen und Wechselstuben einseitig und gehe in die falsche Richtung. «Statt ständig der weltweiten Terroristenhatz der Amerikaner nachzuhasten, sollten die staatlichen Stellen besser einmal Klarheit schaffen, welche Bereiche dem Gesetz unterstellt sind und welche nicht.»

Ohne Definition keine Umsetzung

Erklärungsbedarf besteht auch nach den SRO-Vertretern, und zwar nicht nur im Bereich des Anlagefonds- und Effektenhandels, sondern eben auch bei Rohstofffirmen. Dass ein Rohstoffkonzern, der mit Derivaten handelt, für Geldwäscherei anfällig ist, bestreiten die SRO nicht. Aber in der reinen Handelstätigkeit, also dem Kaufen mit physischer Lieferung von Öl oder Metallen, die gemäss Praxis der Kontrollstelle ebenfalls dem Geldwäschereigesetz unterstellt ist, sehen sie keine spezifische Gefahr der Geldwäscherei. «Dann müssten andere Handelsbereiche zum Beispiel der Kunsthandel noch eher auf Geldwäscheaktivitäten untersucht werden», findet Hans Baumgartner vom Zuger «Verein für Qualitätssicherung im Bereich der Finanzdienstleistungen».

Auch er fordert mehr Klarheit, und zwar im Sinne der internationalen «Finanziellen Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei» (FATF): Die verlangt von ihren Mitgliedstaaten, die Rohstoffhändler im Derivatbereich zu kontrollieren, nicht aber deren physischen Handel. Baumgartner: «Mit der einseitigen Konzentration auf diese Branche geht die Schweiz möglicherweise zu weit.»

Dina Balleyguier - Die Leiterin der Geldwäscherei-Kontrollstelle hat illegal tätige Finanzintermediäre aus dem Verkehr gezogen.

Wie viele illegal tätige Finanzintermediäre mussten Sie seit Inkrafttreten des Geldwäscherei-Gesetzes liquidieren?

Dina Balleyguier: Fünf, alle im Jahr 2002. Dazu kam eine natürliche Person, die ihren Betrieb einstellen musste. Ausserdem haben aufgrund der Verordnung eine Anzahl von Finanzintermediären ihre Tätigkeit von selbst aufgegeben oder umstrukturiert, weil sie sich die Umsetzung der Bestimmungen nicht leisten wollen oder können.

Waren bei den Liquidationen auch Rohstoffhändler darunter?

Balleyguier: Nein. Wir fokussieren zurzeit auf Vermögensverwalter, Wechselstuben und Geldtransferfirmen, Letzteres vor allem wegen der internationalen Terrorismusbekämpfung. Rohstoffhändler haben wir keine im Visier.

Sind Konzerne, die im internationalen Rohstoffhandel täglich Millionen transferieren müssen, nicht besonders anfällig für Geldwäscherei?

Balleyguier: Das kann ich nicht beurteilen. Die meisten Rohstoffhändler fallen in den Aufsichtsbereich der Selbstregulierungsorganisationen (SRO). Die Kontrollstelle für Geldwäscherei könnte unmöglich selbst die 7200 registrierten Finanzintermediäre in der Schweiz kontrollieren. Dafür überwachen wir die SRO, denen sie sich anschliessen müssen.

Noch sind aber längst nicht alle Rohstoffhändler SROs beigetreten. Wollen oder müssen sie nicht?

Balleyguier: Ein Teil hat sich den Regeln bereits freiwillig unterzogen. Andere warten, bis wir zu Recht bemängelte juristische Ungereimtheiten im Gesetz ausgebügelt haben zum Beispiel inwiefern der so genannte Eigenhandel unter das Gesetz fällt oder was Rohwaren im Sinne des Gesetzes sind.

SRO-Vertreter kritisieren, mit dem Eigenhandel müssten auch alle anderen industriellen Handelsbereiche als Finanzintermediäre gelten.

Balleyguier: Um dieser Kritik Rechnung zu tragen, haben wir im Januar 2002 beschlossen, dass der Handel mit Rohwaren zum Eigengebrauch und zur Eigenverarbeitung dem Gesetz nicht unterstellt ist. Dies sollte dazu führen, dass Industrieunternehmen, die definitionsgemäss die Rohwaren weiterverarbeiten, keine Finanzintermediäre sind.

Angekreidet wird auch ein überhasteter Nachvollzug in der Terrorismusbekämpfung. Besteht keine Gefahr der einseitigen Fokussierung?

Balleyguier: Die Gefahr eines überhasteten Vollzugs darf nie vernachlässigt werden. Ein bestehendes gesetzliches Instrument zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung nicht einzusetzen, wäre jedoch verantwortungslos. Dabei lassen wir aber nie die Tatsache aus den Augen, dass der ursprüngliche und hauptsächliche Zweck dieser Regeln die Bekämpfung der Geldwäscherei ist.

Welche Probleme stellen sich aufgrund der Umsetzung der internationalen Normen, wie zum Beispiel der FATF?

Balleyguier: Direkt überhaupt keine. Die Schweiz erfüllt nur eine von 40 Empfehlungen nicht vollständig. Die Fehlende betrifft im Übrigen nicht meinen Kompetenzbereich. Handlungsbedarf ergibt sich möglicherweise, wenn die FATF beschliessen sollte, auch Buchhalter und Revisoren dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen. Oder wenn die EU-Mitgliedstaaten Gemeinschaftsnormen in die FATF hineintragen, denen die Schweiz bis dato nicht Folge zu tragen hat.