«Wir hatten in der Jury zum Teil hitzige Diskussionen über die ersten drei Plätze in der Gesamtwertung», sagt Gaby Tschofen von Barry Callebaut, die das Gremium präsidierte. Debattiert wurde unter anderem darüber, wie sehr neue Gestaltungskonzepte das Urteil beeinflussen beziehungsweise wie stark inhaltliche Aussagen in Betracht zu ziehen sind. Zum Sieger gekürt hat die Jury schliesslich den Geschäftsbericht von Kuoni, der ganz neue Wege geht. Silber und Bronze erhielten mit Credit Suisse und Novartis zwei Berichte, die auf bewährte Konzepte setzen.

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Dass es bei der Gesamtwertung zu heftigen Diskussionen kommt, hat wohl mit der bunten Schar der Juroren zu tun. Mitglieder der Jury waren neben Tschofen eine Journalistin, ein Wirtschaftsprofessor, ein Kreativer, ein PR- und ein Unternehmensberater. In den anderen Jurys dagegen sitzen ausschliesslich Spezialisten. In der Gestaltungsjury Grafiker und Designer, in der Inhaltsjury Ökonomen. Dazu kommt, dass bei der Gesamtwertung Einigkeit zustande kommen muss. Ein Mehrheitsentscheid ist nicht vorgesehen.
Tschofen hat festgestellt, dass das Niveau bei den Geschäftsberichten in diesem Jahr recht hoch war. «Das BILANZ-Geschäftsberichte-Rating ist daran wohl nicht ganz unschuldig», meint sie. Es habe die Bedeutung der Rechenschaftslegung in all ihren Facetten ins Bewusstsein der Unternehmen gebracht. «Es hat sich abgezeichnet, dass ähnliche Firmen wie im Vorjahr unter den bestplatzierten sein würden», sagt Tschofen mit Blick auf die 20 Geschäftsberichte in der Endrunde.

Unter diesen waren 2008 schon Barry Callebaut, Kuoni, Migros, Nestlé, Novartis, Roche, Straumann, Valora und VP Bank. Für Tschofen wie für die Gesamtjury war indessen bereits früh klar, wer der Sieger sein würde. «Schon bei der Shortlist, der Ausmarchung unter den sechs besten in der ersten Runde, war Kuoni unangefochten auf dem ersten Rang», sagt Tschofen. Über den zweiten und dritten Rang dagegen habe man lange diskutiert. Credit Suisse hat Novartis vom zweiten Platz verdrängt. Dennoch ist der Basler Pharmakonzern zum dritten Mal in Folge unter den ersten drei in der Gesamtwertung.

Der Geschäftsbericht des Gesamtsiegers Kuoni ist fürwahr ein Kleinod. In drei separate Teile gegliedert und in einen Schober gesteckt, strahlt der Bericht eine Noblesse aus, wie sie sonst nur teuren Büchern eigen ist. Kleines Detail sorgfältigen Schaffens: Der Schober ist auf der Innenseite lindgrün bedruckt. «Die Premium-Marke Kuoni wird spürbar, der dreiteilige Bericht bringt Unerwartetes und ist kühn. Er sticht aus allen analysierten Berichten heraus», lobt Gaby Tschofen. Aber nicht nur der schön illustrierte Brand Report hat die Jury überzeugt. Auch fachlich-inhaltlich genüge der Reisekonzern hohen Ansprüchen, sodass auch Inhaltsjury-Präsident Rudolf Volkart für Platz 1 votierte.

Die Grossbank Credit Suisse, die Nummer 2, hat über Jahre hinweg eine konstante Leistung und Plätze an der Spitze vorzuweisen. Letztes Jahr lag sie in der Gesamtwertung auf Platz drei, bei der Gestaltung ist sie dieses Jahr vom 8. auf den 4.  Rang vorgerückt, nur beim Value Reporting fiel sie vom 14. auf den 27.  Rang zurück. Die Credit Suisse beeindruckt zwar nicht mit schönen Bildern, sie überzeugte die Jury jedoch mit einer klaren Aufteilung und einer logischen Abfolge des Berichts. «Die Tiefe der Analyse», so die Jury, «ist überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Berichten.»

Dass Novartis zu Bronze kam, verdankt der Pharmakonzern der konsequenten Umsetzung ihres grafischen Konzepts. Novartis habe es wiederum geschafft, eine grosse Informationsfülle professionell aufzubereiten und in einen handlichen Geschäftsbericht zu verpacken. Ausschlaggebend für den dritten Platz war einmal mehr die Bildsprache. Eindrückliche Schwarzweissfotos des englischen Fotografen Stuart Franklin begleiten den Bericht über die vollen 262 Seiten hinweg. Relativ lange diskutierte die Jury den Einwand, das Konzept von Novartis sei zu statisch, eine Weiterentwicklung nicht wirklich sichtbar. «Das Konzept von Novartis ist gut, aber das fünfte Jahr in Folge gleich», sagt Jurymitglied Thomas Wolfram von Wirz Corporate. Dem Argument hielten andere Jurymitglieder entgegen, dass längerfristige Konzepte durchaus ihre Berechtigung hätten.

Im Gegensatz zum Vorjahr mit fünf ersten Plätzen kürte die Gestaltungsjury mit Kuoni einen einzigen Sieger. Der Reisekonzern ist vom 22. auf den 1.  Platz vorgerückt. An die zweite Stelle hat sich die Basellandschaftliche Kantonalbank gesetzt, Dritte ist die Migros, die vor Jahresfrist mit vier andern Rang 1 innehatte. «Der Kuoni-Bericht ist emotional und rational hervorragend», sagt Peter Vetter von Coande Communication and Design. Der Präsident der Gestaltungsjury findet die ersten Plätze, bei der Gestaltung und der Gesamtwertung, nur folgerichtig. «Kuoni hat einen Sprung gemacht», meint auch Wolfram, «insofern haben wir den Mutigen prämiert.»

Dies gilt auch für die Basellandschaftliche Kantonalbank. «Dieser Bericht besticht durch seine brillante Choreografie und Struktur», sagt Jurypräsident Vetter. Die abwechslungsreiche Aufarbeitung der Daten gebe dem Bericht einen eigenständigen Rhythmus und erzeuge einen hohen Leseanreiz. Vetter hebt insbesondere «das gekonnte Zusammenspiel zwischen Text, Bild und Typografie hervor». Hohes Lob zollt er auch dem Migros-Bericht, der schon beinahe wie zeitgenössische Kunst anmute. Migros zeige Jahr für Jahr ein neu interpretiertes Thema, das mit enorm kreativen Ideen umgesetzt werde. Kein Wunder, seien ihre Geschäftsberichte immer in den vorderen Rängen.
Überhaupt hat sich einiges getan bei den 50 Schönsten. Unter den ersten zwanzig finden sich fünf neue Firmen, was wohl auch mit der Ausdehnung des Samples von 130 auf über 240 zusammenhängt. Neben den bereits erwähnten Aufsteigern haben sich auch einige andere Firmen stark verbessert wie die SBB, die vom 17. auf den 8.  Platz vorstiessen, oder Straumann, die nun auf Platz 14 (vorher 28) liegt. Gewichtige Absteiger sind die St.  Galler Kantonalbank, die vom 18. auf den 38.  Rang abschmierte, oder die Liechtensteinische Landesbank, die vom 14 auf den 32.  Rang zurückfiel. Insgesamt haben sich unter den ersten 50 Rängen 16 Firmen verbessert, 17 haben sich verschlechtert, und 17 sind neu dazugestossen.

Der Sieger der Inhaltsjury ist der Spezialchemiekonzern Sika, der sich von Platz 8 an die Spitze gesetzt hat. «Der Bericht zeichnet sich durch eine übersichtliche und äusserst informative Aufbereitung der relevanten Angaben aus», schreibt die Jury. Zudem steche er bei nichtfinanziellen Informationen und der Trendanalyse hervor. Silber hat die Inhaltsjury dem Pharmakonzern Roche zugesprochen, dessen Geschäftsbericht sich durch gute Informationen in allen Bereichen auszeichnet, wobei die Erklärung des Jahresergebnisses und der Nachhaltigkeit die besten Noten erzielte. Syngenta, der Agrochemiekonzern aus Basel, hat den dritten Rang verdient. Der Corporate Governance wurde ein eigener Bericht gewidmet, der Aufbau ist klar und übersichtlich gegliedert. «Beim Value Reporting», sagt Jurypräsident Volkart, «ist in den letzten drei bis vier Jahren ein Schub durch die Firmen gegangen.» Volkart ist überzeugt, dass dies nicht zuletzt dem BILANZ-Rating zu verdanken ist.

Auch beim Value Reporting ist ein Auf und Ab einiger Firmen zu vermelden (siehe Tabelle auf Seite 73). Georg Fischer, Sieger im letzten Jahr, ist auf den 7.  Rang gefallen, Clariant von Platz 3 auf Platz 13, die Thurgauer Kantonalbank von 6 auf 15. Zu verzeichnen sind aber auch Aufsteiger wie Sarasin (von Platz 23 auf 10), Sulzer (von 15 auf 6) oder Arbonia-Forster (von 34 auf 16). Insgesamt haben sich 14 der 50 Unternehmen verbessert, 19 verschlechtert, eines ist gleich geblieben, und 16 finden sich neu auf der Liste.

Das Geschäftsberichte-Rating wurde in diesem Jahr erstmals durch die Kür der besten Internetseiten ergänzt. Nummer 1 ist der Schaffhauser Mischkonzern Georg Fischer. «Der Industriekonzern betreibt eine Website auf hohem Niveau, die im Bereich Reporting mit Glanzstücken aufwartet», schreibt die Jury. Auf Platz 2 vorgerückt ist Credit Suisse. Zu den besten gehört dieser Bericht aufgrund der einprägsamen Bilder, des locker daherkommenden Layouts und der eingestreuten Presseberichte. Den 3.  Rang schaffte mit Roche wiederum ein Pharma-Grosskonzern. Besonders gut bewertete die Jury, dass ein spezieller Teil für die Investor Relations eingerichtet wurde, der mit einem Fachwörterglossar ergänzt ist. Positiv fallen auch die klare Struktur, die angenehm lesbare Textgrösse und ein übersichtliches Layout auf.

Rudolf Volkart, Doyen des BILANZ-Geschäftsberichte-Ratings, fasst die Ergebnisse der diesjährigen Klassifizierung so zusammen: «Das Interesse der Firmen, qualitativ hoch stehende Berichte zu präsentieren, hat in den letzten Jahren zugenommen.» Allerdings, fügt er an, dominieren tendenziell dieselben Unternehmen die Spitzengruppe. Dafür hat sich im Mittelfeld etwas mehr bewegt. «Dieses», so Volkart, «hat zweifellos qualitative Fortschritte gemacht.»