Roche-Chef Severin Schwan sagt es bei jeder Gelegenheit: Die Zukunft gehöre der personalisierten Medizin. Kein Interview, kein Statement, keine Präsentation ohne das Credo des Konzernchefs. Die Roche-Strategie ist omnipräsent – auch im Geschäftsbericht. 332 Seiten dick und 1,4 Kilo schwer ist der Jahrgang 2011. Die Konzernstrategie taucht bereits in der ersten Zeile auf. Ein schnörkelloses, konstantes und stringentes Paket, mit dem Roche das BILANZ-Geschäftsberichte-Rating 2012 gewinnt.

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«Der Roche-Bericht ist nicht spektakulär», sagt Jurypräsident Matthias Graf, «aber er ist der beste Allrounder.» Roche mischt in keinem der bewerteten Teilbereiche ganz zuvorderst mit, hat aber unter dem Strich «das kompletteste Gesamtpaket kreiert». Dieses ist nicht ausgefallen, aber nah an den Leserbedürfnissen.

Roche punktet vor allem im Online-Bereich, der dieses Jahr verstärkt in die Bewertung eingeflossen ist: Rang 7 für das Design der Website, Rang 9 für das Value Reporting online. Damit kompensieren die Basler die nur durchschnittliche gestalterische Platzierung der gedruckten Version.

Roche hat sich weiterentwickelt

Das Geschäftsberichte-Rating der BILANZ ist das grösste seiner Art in der Schweiz: Mehr als 30 Spezialisten in drei Jurys bewerten in fünf Kategorien 233 Berichte (siehe «Roche findet die richtige Medizin»). Ein weiterer Grund für Roches Sprung ganz nach oben war die konstante Weiterentwicklung über die Jahre.

Das honorierte die Jury auch bei Swiss Re und Geberit, die auf den weiteren Rängen folgen. Die Vorjahresmedaillisten Swisscom, Straumann und Novartis schafften es zwar alle in die Endausscheidung der letzten zwölf, müssen sich dieses Jahr aber mit guten Plätzen in Teilbereichen trösten.

Roche mischt seit Jahren an vorderster Front mit, schaffte es bislang in der Gesamtbewertung aber nie ganz nach oben, auch weil «wir keinen Schönheitswettbewerb gewinnen wollen», sagt Stephan Feldhaus, Kommunikationschef von Roche. «Wir bewegen uns immer klar im Rahmen unseres Markenauftritts. Der Geschäftsbericht ist eine Visitenkarte, die zum Unternehmen passen muss.» Einen spektakulären Auftritt wie etwa vom Reisekonzern Kuoni wird man bei Roche daher nie sehen. Auch weil der Pharmamulti seinen Geschäftsbericht in erster Linie an die Unternehmenseigner richtet. Feldhaus: «Die Aktionäre sind unsere Hauptanspruchsgruppe.»

Verdaubar 

Back to basics, kein Spektakel, solides Handwerk: Die Silbermedaille für Swiss Re bestätigt den diesjährigen Trend zur Nüchternheit. Im letzten Jahrgang noch unter «ferner liefen», schaffte es der Rückversicherer heuer in die Gruppe der zwölf besten Unternehmen. Bernhard Schweizer, Sensus Investor & Public Relations, urteilt: «Nützlich, lesbar, verdaubar: keine Superlative, kein fulminanter Begeisterungssturm, aber ein überzeugtes Statement für hervorragende Qualität und Exaktheit in der Gestaltung und Umsetzung.»

Ausserdem beweist Swiss Re Mut: Für ein Unternehmen aus der Finanzindustrie ist das Produkt aussergewöhnlich schlank geraten. Nicht nur Analysten, sondern auch Aktionäre und Investoren, Medien, Mitarbeiter und Kunden dürften sich abgeholt fühlen. Das aus Unternehmensprofil und Finanzbericht bestehende Paket ist 294 Seiten dick, bringt 1,1 Kilogramm auf die Waage und findet in einer eleganten Mappe Platz. Die Wälzer von Credit Suisse und UBS sind mehr als 400 beziehungsweise 500 Seiten fett.

Das Gegenprogramm ist der Geschäftsbericht von Geberit. Statt einer klassisch gedruckten hat der Sanitärtechniker eine Online-Publikation geschaltet, die von Grund auf fürs Internet konzipiert wurde. Damit schafft es Geberit erstmals auf das Treppchen.

Wer schön sein will, speckt ab

Gepunktet hat der seit Sommer unter den 20 grössten börsenkotierten Schweizer Firmen gelistete Konzern aber auch mit seiner Jahres-Chronik im Taschenbuchformat. Michel Gerber, Präsident der Investor Relations Vereinigung, sagt: «Die hochwertig produzierte, zweisprachige Jahres-Chronik ist für mich ein Bijou.» Geberit schafft es damit nicht nur auf den dritten Platz der Gesamtwertung. Die Designjury taxiert das Paket auch als schönsten unter sämtlichen Geschäftsberichten.

Wer schön sein will, speckt ab: Der Trend bei der gedruckten Version hat sich im Jahrgang 2012 nochmals verstärkt. Peter Vetter, Präsident der Designjury: «Der Geschäftsbericht als Taschenbuch scheint einer Tendenz zu entsprechen, denn vier der zehn besten Berichte sind so gestaltet.»

Andere gestalterische Trends und Tendenzen stockten dieses Jahr allerdings. Die Verbreiterung der Spitze in den vergangenen Jahren und die dadurch verbesserte Qualität machten 2012 einen Marschhalt. Vetter kritisch: «Die Qualität der Berichte ist generell zurückgegangen.

Aktuell entsprechen viele weder inhaltlich noch konzeptionell und gestalterisch dem Massstab einer guten Berichterstattung.» Vor allem die konvergente Nutzung von Print und Internet macht den Kommunikationsabteilungen zu schaffen. Nur wenige Unternehmen nehmen die «integrale Berichterstattung und die spezifische Nutzung des Potenzials sowohl der digitalen wie der analogen Kanäle wahr», sagt Vetter.

Die Avantgarde

Die Unternehmen lassen sich grob in zwei Gruppen aufteilen: in eine kleine Gruppe von Unternehmen, die eine Art «Avantgarde» darstellt und im Internet wie auch im Print die Anforderungen erfüllt, und eine grosse Gruppe, die das Internet nach wie vor als günstiges «Transportmittel» sieht, ohne sich des Potenzials des Kanals bewusst zu sein. Vetter: «Das Gefälle zwischen ausserordentlichen, durchschnittlichen und befriedigenden Berichten ist im Online-Bereich noch viel grösser als im Print.»

Blind ins Internet 

Da der Online-Kanal bei der Bewertung stärker als bisher berücksichtigt wurde, hat dies die Rangliste ordentlich durcheinandergewirbelt. So schaffte es Geberit mit dem überzeugenden Online-Auftritt in der konsolidierten Rangliste auf Platz 1, obwohl der Sanitärtechniker im Print nur Rang 6 belegte.

Corporate Switzerland macht dieses Jahr online aber eher einen Schritt zurück. Jurypräsident Matthias Graf: «Die elektronische Geschäftsberichterstattung im Internet und für mobile Endgeräte ist noch vielfach auf den simplen Upload eines PDF-Dokuments des gedruckten Geschäftsberichts beschränkt.» Damit hat sich die Hoffnung noch nicht erfüllt, dass das Online-Potenzial die zunehmend umfangreicheren Printprodukte auf ein verdaubares Mass reduziert. Doch auch der blinde Run ins Internet ist nicht der Königsweg.

Der Printbericht als Ausgangsprodukt wird in den nächsten Jahren (noch) nicht wegfallen, wie das die mehrfach ausgezeichnete Investor-Relations-Kommunikation des deutschen Chemieriesen BASF letztes Jahr nahelegte. Doch Online sei bereits heute mehr als nur ein weiterer Verbreitungskanal für den gedruckten Bericht, findet die Jury.

Fragliche Apps 

Die Frage ist damit nicht: Online oder Print? Es geht vielmehr um die Kombination aus beidem. Gegen ein simples PDF des Berichts spricht nichts – wenn eine zusätzliche dynamische Online-Version besteht, die tatsächlich einen Mehrwert bringt. Dagegen sei die Frage erlaubt, wie sinnvoll eine firmeneigene App ist. Solange über den Kanal Information vermittelt wird und sie nicht zur mit Bling-Bling ausgeschmückten Spielerei verkommt, über die sich Analysten, Investoren und Journalisten nerven, kann dies ein Weg sein.

Mittlerweile haben zwölf der untersuchten Unternehmen eine App, darunter auch die topplatzierten Roche und Swiss Re. Im Vorjahr waren es fünf Firmen, 2009 gar keine. Ob sich allerdings jemand die Mühe macht, die 332 Seiten des Roche-Geschäfts- und Finanzberichts durchzuwischen, ist zumindest fraglich. Allerdings sind die einzelnen Bereiche auch selektiv abrufbar, was durchaus ankommt. Roche-Kommunikationschef Feldhaus sagt: «Wir haben die App auf Wunsch von Analysten und Investoren lanciert.»

Welche der vielen Möglichkeiten für Inhalt und Form sich durchsetzen werden, bestimmen nicht die Macher der Geschäftsberichte. Es seien vor allem die Nutzer und deren Anforderungen und Bedürfnisse, die darüber entschieden, so die Jury. Roche-Mann Feldhaus simmt zu: «Der Geschäftsbericht wird auch in Zukunft sowohl in gedruckter Form als auch online bestehen. Beides wird qualitativ aber noch hochwertiger werden.»