Der beste Geschäftsbericht dieses Jahrgangs ist auch einer der schnellsten aus einem Unternehmen vergleichbarer Grössenordnung. «Ich werde nicht darauf bestehen, innerhalb von 48 Stunden zu publizieren. Das wäre unvernünftig. Aber ich bin erst zufrieden, wenn wir das am 15. Januar tun können», erklärte Daniel Vasella, Präsident und CEO des Pharmakonzerns Novartis in einer Diskussion zum Thema «Fast Close».

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Mit dem Bericht zum Geschäftsjahr 2002 war es beinahe so weit. Am 23. Januar 2003, pünktlich zur Pressekonferenz, lagen Vorauskopien des englischsprachigen Geschäftsberichts vor, mit den von den Rechnungsprüfern abgesegneten Zahlen. Was nachher folgte, waren nur noch Detailkorrekturen und natürlich die Übersetzung ins Deutsche und ins Französische – Novartis ist eines der wenigen globalen Unternehmen der Schweiz, die ihren Jahresbericht noch in einer zweiten Landessprache herausgeben. Gesamtauflage des Druckwerks: 280 000 (gut 140 000 in Englisch, 110 000 in Deutsch und 26 000 in Französisch).

Das Tempo – schliesslich können die letzten verfügbaren Zahlen nicht vor dem 31. Dezember vorliegen – drückt aber offenkundig nicht auf die Qualität. Der Novartis-Geschäftsbericht wird im BILANZ-Rating seit mehreren Jahren in der Spitzengruppe geführt. Was die inhaltliche Aussagekraft angeht, belegt er heuer zum zweiten Mal Rang eins – und in der Gestaltung hat er sich seit zwei Jahren deutlich verbessert, sodass es in diesem Jahr erstmals zum Gesamtsieg reicht.

Bis vor zwei Jahren arbeitete die Novartis zur Herstellung ihres Geschäftsberichts mit einer grossen ausländischen Agentur zusammen, die als Generalunternehmer für das Projekt fungierte (was damals in der BILANZ- Gestaltungsjury auch zur Kritik führte, der Geschäftsbericht sei «sehr angelsächsisch»). Mittlerweile verlässt man sich stärker auf die eigene Kompetenz. «Wir wollen den Geschäftsbericht selber prägen», sagt Klaus Böcker, Chef des Corporate Branding und Projektleiter für das Unternehmen Geschäftsbericht.

Was nicht heisst, dass die Novartis nun keine externen Berater mehr beizieht. Für die gestalterische Umsetzung zeichnet die Designerin Cornelia Reinhard verantwortlich, für die technische Abwicklung von der Druckvorstufe bis zum Vertrieb Com.Factory, Basler Partnerunternehmen der Trimedia. Die inhaltliche Struktur und das Gesamtkonzept stammen von der Novartis selber.

Die Planung beginnt jeweils unmittelbar nach dem Erscheinen des Vorjahresberichts. Bereits im Frühjahr werden die Weichen für Design und Artwork gestellt. Im Sommer beginnt man, die inhaltliche Struktur zu planen. Und im frühen Herbst – diesmal am 9. September – fand die Kick-off-Telefonkonferenz mit über 40 Beteiligten statt. Für jedes Kapitel des Geschäftsberichts wird ein eigenes Subteam installiert. Ab Mitte September werden die Nachrichten aus den verschiedenen Geschäftsbereichen gebündelt. Dies der Terminplan für den Textteil des Geschäftsberichts.

Der Finanzteil ist noch enger terminiert und findet seine definitive Form erst nach Ende des Geschäftsjahrs. Dennoch wird seine Gestaltung frühzeitig an die Hand genommen. Malcolm Cheetham, Head Financial Reporting and Accounting, ist für diesen Teil verantwortlich – und für die Beschleunigung der Rechnungslegung. «Früher erschien der Geschäftsbericht Mitte März», erklärt er, «die Topleute des Unternehmens waren noch drei Monate lang mit den Zahlen des abgelaufenen Jahres beschäftigt.» Jetzt sind die Zahlen des Vorjahrs ab Ende Januar abgehakt. Und das erlaubt, die Generalversammlung in der dritten Februarwoche abzuhalten.

Dass die Beschleunigung die Qualität der Berichterstattung beeinträchtigen könnte, bestreitet Malcolm Cheetham energisch. «Wer mehr Zeit hat, kann auch mehr Zeit verschwenden», sagt er. Die neuen EDV-Möglichkeiten, die in den Neunzigerjahren zum Standard wurden, erlaubten es, schneller zu werden, die Qualität zu steigern und die Kosten zu senken. «Mit diesen Möglichkeiten kann man eben alles optimieren.»

Dennoch: Spätestens im Dezember wird es im Geschäftsberichts-Team der Novartis ziemlich hektisch. Denn nun laufen die definitiven Texte ein und müssen bearbeitet werden. Dann müssen Text und Bildelemente zusammengeführt werden – das ganze «Buch» wird zusammengebaut. Und: Im Dezember macht man auch den Probelauf für den Finanzteil. Mit den Novemberzahlen als Basis wird sozusagen eine Nullnummer hergestellt, die ein sehr genaues Abbild des künftigen Geschäftsberichts ist.

Wenn zwischen Weihnachten und Anfang Januar die definitiven Jahreszahlen in den Bericht einfliessen, beginnt für die Kontrollgremien des Unternehmens eine hektische Zeit. Von der Unternehmensleitung über den Verwaltungsrat bis zu den Revisionsstellen muss das definitive Zahlenwerk geprüft und abgesegnet werden. Das daraus entstehende Feuerwerk an Korrekturen lässt sich nur mehr bewältigen, wenn im Januar einige Mitarbeiter der Druckerei in die Novartis delegiert werden, um eine möglichst rasche Umsetzung der Retuschen zu gewährleisten. Diese temporären Kollegen werden auf die gleichen Insider-Richtlinien eingeschworen wie das Novartis-Personal.

Den Stellenwert des Geschäftsberichts setzt Novartis-Chef Daniel Vasella sehr hoch an. Das zeigt sich nicht nur daran, dass er sich bereit erklärte, sich für das Gruppenfoto des Projektteams zusammen mit Finanzchef Raymund Breu neben seine Mitarbeiter zu stellen. «Mit dem Geschäftsbericht präsentieren wir ein Selbstporträt des Unternehmens», sagt er, «das kann man gar nicht wichtig genug nehmen.» Besonders stolz ist Vasella auf das fotografische Konzept des Geschäftsberichts 2002. Die Idee, Patienten, die mit Novartis-Produkten behandelt werden können, mit einer Serie von Schwarzweissfotos zu präsentieren – und damit Sinn und Zweck des Unternehmens darzustellen –, fand die volle Unterstützung des Präsidenten.

Dabei ist es riskant, das Image eines Unternehmens an Kranken «aufzuhängen». Das Risiko hat sich indessen gelohnt. Die BILANZ-Gestaltungsjury, die den Novartis-Bericht in den Vorjahren eher skeptisch gewürdigt hatte, war genau von dieser Risikobereitschaft beeindruckt und platzierte ihn erstmals in die top ten (Rang 9, Vorjahr: Rang 55) – und damit auf den ersten Platz der Gesamtrangliste.