Gewinnwarnung bei Credit Suisse: Die Hintergründe

Mit gehebelten Aktienwetten hat sich der New Yorker Hedgefonds Archegos Capital Management verkalkuliert und konnte vergangene Woche Nachschuss-Aufforderungen (Margin Calls) nicht nachkommen. Nun bekommen einige der weltgrössten Banken ein Problem – sowohl der Credit Suisse als auch der japanischen Nomura drohen erhebliche Verluste aus den Geschäften. Mehr zum Thema Schon wieder ein Skandal – der CS droht ein «sehr bedeutender Verlust» Credit Suisse: Wie die Geschäfte mit Greensill zum Skandal wurden Greensill-Pleite: CS könnte geschädigten Anlegern entgegen kommen Wie hoch ist der Schaden? Laut der Credit Suisse ist es noch zu früh, den Verlust genau zu beziffern. Aber der Rückschlag könne für das Ergebnis des ersten Quartals «sehr bedeutend und wesentlich» sein. Nun steigt die Bank aus den Positionen aus. In der Nacht auf Montag hatte die japanische Investmentbank Nomura gewarnt, dass eine Transaktion mit einem amerikanischen Kunden bei der US-Tochter zu einem Verlust von rund 2 Milliarden Dollar führen könne. Der Börsenkurs von Nomura fiel am heutigen Montag 16 Prozent. Der Name Archegos fiel nicht, aber die Indizien sind deutlich. Zuvor hatten Block-Trades zu Kursverlusten bei einer Reihe von Unternehmen geführt. Diese Trades seien im Zusammenhang mit Verkäufen von Beteiligungen durch Archegos Capital Management gestanden, erfuhr «Reuters» von einer mit der Situation vertrauten Person. Der erwartete Nomura-Verlust stehe in Zusammenhang mit Archegos, berichtete auch «Bloomberg». Archegos und Nomura wollten dazu keine Stellung nehmen. Wie waren die Verbindungen von CS zu Archegos? Grosse Banken dienten Archegos als Prime Broker, das heisst, sie wickelten die Geschäfte des Fonds ab und liehen ihm Bargeld und Wertpapiere. Ende vergangener Woche verkauften Morgan Stanley, Goldman Sachs und die Deutsche Bank innert kurzer Zeit einen grossen Teil der an Archegos gebundenen Aktien. Die Zwangsverkäufe des Hedgefonds am Freitag werden auf mehr als 20 Milliarden US-Dollar geschätzt, laut «Wall Street Journal» waren es sogar 30 Milliarden. Andere internationale Banken scheinen weniger schwer betroffen: Goldman Sachs rechnet informierten Kreisen zufolge nur mit unwesentlichen Verlusten durch Archegos. Die Kredite der Wall-Street-Bank seien vollständig mit Sicherheiten unterlegt. Wie zu hören ist, gehörte Goldman zu den Ersten, die ihr Engagement bei Archegos zurückgefahren haben. Inzwischen seien die diesbezüglichen Positionen zum Grossteil aufgelöst. Ein Goldman-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab. Zu den Prime-Brokern von Archegos gehören nach Angaben darüber informierter Personen auch Morgan Stanley und die UBS. Unter anderem durch die US-Bank seien die Block Trades zur Auflösung von Archegos-Positionen am Freitag abgewickelt worden, hiess es. Ob auch Morgan Stanley Verluste drohen, ist unklar. Die Bank lehnte eine Stellungnahme ab. Wer steckt hinter Archegos Capital? Gegründet wurde die Fonds-Gesellschaft durch Bill Hwang – und das ist kein Unbekannter. Hwang ein ehemaliger Hedgefonds-Manager und Aktienanalyst, der 2012 in New York wegen Insiderhandels verurteilt wurde. Er stimmte straf- und zivilrechtlichen Vergleichen in Höhe von mehr als 60 Millionen Dollar zu. Die Investmentbank Goldman Sachs stufte ihn als Risiko ein und führte seinen Namen daher noch 2018 auf einer schwarzen Liste. Seit einiger Zeit macht Goldman Sachs aber wieder Geschäfte mit Hwang – ebenso andere Banken wie die Credit Suisse. Dabei werden Kredite an seinen Hedgefonds vergeben, um hochgradig fremdfinanzierte Wetten auf Aktien wie den chinesischen Tech-Giganten Baidu und das Medienkonglomerat Viacom CBS abzuschliessen. Dies eröffnet den Banken pro Jahr Millionen von Dollar an Provision. Was löste die Kursverluste aus? Investmentbanken wie Goldman Sachs und Morgan Stanley verkauften eine Reihe von grossen Aktienpaketen. Derartige Block Trades sind relativ alltäglich an den Märkten. Normalerweise wird ein Geschäft privat verhandelt und abgewickelt, wenn die Märkte geschlossen sind. Das Ungewöhnliche an den Geschäften am Freitag war ihre Grösse – einige der Pakete überstiegen laut Bloomberg-Berechnungen 1 Milliarde Dollar –, ungewöhnlich war auch die Tatsache, dass einige von ihnen während der normalen Handelszeiten stattfanden. Grosse Block Trades – insbesondere solche, die den Wert der Aktien unter dem aktuellen Handelspreis ansetzen, wie es bei einigen der Trades am Freitag der Fall war – sind für Investoren immer beunruhigend, insbesondere wenn der Verkäufer nicht eindeutig ist. Was lief also bei Archegos schief? Bill Hwang wurde von seinen Bankern gezwungen, Aktien im Wert von mehr als 20 Milliarden Dollar zu verkaufen, nachdem sich einige Handelspositionen gegen ihn entwickelt hatten, weiss «Bloomberg» aus informierten Kreisen. Als die Wetten schief gingen, begannen Hwangs Prime Broker, mehr Sicherheiten zu verlangen und machten dann von ihrem Recht Gebrauch, seine Positionen zu liquidieren, um ihr Geld zurückzubekommen. (Prime-Broker sind – wie oben erwähnt – die Investmentbanken, die Hedge-Fonds und Family Offices Wertpapiere und Bargeld leihen und auch Geschäfte für sie abwickeln.) Zuvor hatte Archegos offenbar Derivatkontrakte mit Brokern genutzt, um eine erhebliche zusätzliche Hebelwirkung zu erzielen. Dabei musste die Firma ihre Bestände in den regulatorischen Unterlagen nicht offenlegen, da die Positionen in den Bilanzen der Banken lagen. Welche Aktien sind betroffen? Der Ausverkauf bei Archegos geschah unter anderem mit Aktienbeständen der US-Unterhaltungskonzerne ViacomCBS und Discovery: Die Titel fielen denn auch beide um 27 Prozent. Die US-Börsengänge der chinesischen Tech-Giganten Baidu und Tencent Music Entertainment wurden ebenfalls von der Episode erfasst. Es gab auch starke Bewegungen bei kleineren Aktien. (mlo, mit Material von Bloomberg)