Mehr und mehr Glace-Sorten liegen in den Kühlboxen. Allein Migros und Coop lancieren jedes Jahr 80 Neuheiten. Nur: Viele halten sich nicht lange. «40% davon fliegen in der nächsten Saison wieder raus», sagt Walter Diethelm, Gesamtleiter Glace bei der Emmi in Ostermundigen, wo Lusso-Produkte für Unilever und die Eigenmarken für Coop hergestellt werden. Allein in dieser Glacefabrik wurden 2004 bisher 50 Neuheiten kreiert. «Im Herbst kommen weitere hinzu», sagt er.

Klar, dass er mit Blick auf die Konkurrenz wenig verrät: «Wir versüssen den Konsumenten das Weihnachtsfest mit einer ?Sinfonie der Leidenschaften?. Es werden fünf Eistorten lanciert. Darunter Klassiker wie Nougat, Vacherin, Romanoff und Schwarzwälder, aber auch Trendprodukte wie Soufflé Grand Marnier und Caramello al Caffè - alle im zunehmend gefragten Kleinformat.» Hinzu kommen jede Menge so genannter Ice Cakes Specials wie etwa Crème brûlée mit Birnensorbet und Apfel-Zimt. Sie alle werden unter der Marke Coop eingeführt.

*Richtung light*

Diethelm unterscheidet im Glace-Business zwischen bloss veränderten Rezepturen und wirklichen Nouveautés wie dem neu angebotenen Lifestyle-Glacebecher mit der Modepflanze Aloe Vera. Sie soll angeblich «innere Schönheit» bringen. Dieses Produkt enthält nur 0,2% Fett und keinen Zucker. Hier liegt die Zukunft: Es geht Richtung light, 50% weniger Fett und 30% weniger Kalorien. 2005 wird für die Performance solcher Glacen auf dem Markt entscheidend sein. Beste Beispiele für diese Entwicklung sind Coca-Cola light und Rivella blau. Auch bei Milchprodukten wie Jogurt und Molkedrink surfen Produzenten auf dieser Wellness-Welle.

*Schafmilchglace*

Auf diesen Trend ist auch das Unternehmen «Mister Cool» abgefahren. Der Geschäftsführer dieser noch jungen Glace-Anbieterin, Daniel Jüni, sprüht nur so von Ideen. Er gehört zwar nicht zu den Big Four - Nestlé, Migros (Midor), Unilever und Coop -, sondern nur zu den 5%, die unter der Rubrik Übrige aufgeführt werden (siehe Grafik). Aber Newcomer wie Jüni wirbeln den Glacemarkt durcheinander. «Mister Cool» bietet beispielsweise Schafmilchglace an.

Gleichzeitig fährt er auf einer weiteren trendigen Schiene: Sein neuester Coup ist ein Vertrag mit Warner Bros., der ihm zugesteht, demnächst Cartoon-Helden wie Bugs Bunny, Coyote Willy, die gelbe Ente oder Winnie the Pooh in eisgekühlter Form anzubieten. Eine weitere seiner Eiscream-Offensiven nimmt die coolen Vorbilder der Heranwachsenden auf. Da gibt es Glacen im Glas mit den entsprechenden Insignien: Skater Joe, Boarder Bob, Surfer Tom oder Soccer Billy. Schon mit den «tierischen» Tassen hat Jüni Furore gemacht. Sie haben die Formen von Zootieren und können nach dem Schleckvergnügen weiterverwendet werden.

*Das Glas nach dem Genuss bleibt im Haushalt*

«Die konventionellen Anbieter haben die Jüngsten viel zu lange vernachlässigt», ist Jüni überzeugt. Apropos Weiterverwendung: Jüni hat auch mit dem Glace «Latte Macchiato» einen Coup gelandet. Ein Speiseeis im Glas, das nachher in den Haushaltbestand integriert werden kann. «Vor allem Wirte freuen sich darüber. Sie müssen dann weniger abwaschen», sagt Jüni augenzwinkernd.

Neben Lifestyle-Produkten und Angeboten für Jugendliche gibt es zwei weitere Trends: Immer noch grössere oder immer noch kleinere Portionierungen. Am Beispiel von Nestlé lässt sich dies illustrieren. Bei Frisco wurde neu Pralinato Grande, ein Gross-lutscher mit Milchschokolade-überzug und Mandeln, kreiert. Grande heisst in diesem Fall immerhin 115 mm. Doch auch hier setzt man auf Kinder, wie von Marketing-Leiter Edouard Spicher zu erfahren ist. Mit Smarties Pop-up, einem neu angebotenen Glace, das mit Smarties gespickt ist. Auch die Migros (Midor) hat reagiert - etwa mit Bubble Joe, einem Glace, dessen Stil aus Kaugummi besteht, oder mit Yuppie, das mit sauren «Glühwürmli» verbunden wurde.

*Freuden schon, aber klein müssen sie sein*

Im Nestlé-Forschungslabor in Rorschach wurde auch auf den zunehmenden Wunsch nach möglichst kleinen Glace-Freuden reagiert, um die Linie zu schonen. Gefragt sind Eiscreams in einem Miniformat. Dafür hat auch Emmi eine Lösung gefunden - mit einer «kleinen Magnum». Bernhard Hodler, der

dem Verband Schweizerischer Glacen- und Eiscream-Fabrikanten vorsteht, schmunzelt, wenn er auf solche «Bonsai»-Versionen angesprochen wird. «Das liegt sicher im Trend, aber ich spreche aus Erfahrung, am Ende kann man sich dann doch nicht beherrschen und isst einfach mehr von diesen Mini-Versionen.»

Doch allen Neu-Kreationen zum Trotz: Nach wie vor gehören gemäss Diethelm die guten alten, grossen Magnums zu den Glacen, denen keine noch so ausgeklügelte Version den Rang ablaufen kann. Und noch etwas bestätigen alle Produzenten: Bei den Aromen sind Vanille, Erdbeer und Schokolade - in dieser Reihenfolge - seit Jahrzehnten immer auf den vordersten Rängen. Sie werden aber zunehmend mit einem exotischen Touch versehen. Besonders beliebt sind Papaya und Mango. Auch die 900-ml-Dose der in Ostermundigen produzierten Glace Jamaica mit Rum und Rosinen erfreut sich grosser Beliebtheit, möglicherweise nicht zuletzt deshalb, weil sie Ferienträume weckt.

*Auf das Wetter kommts an*

Und doch gilt halt noch immer, trotz der beeindruckenden Kreativität der Branche: Das Glace-Business ist nach wie vor vom Wetter abhängig. Nach dem Rekordsommer 2003, der die in den letzten Jahren üblichen Literumsätze an Speiseeis von rund 50 auf 56 Mio hochschnellen liess, wird dieses Jahr der Durchschnitt von früher nur knapp erreicht. Martin Häuptle, Geschäftsleiter von Midor, die Glacen für die Migros produziert, sagt dazu: «Die Glace-Monate in der Schweiz sind Mai, Juni, Juli und August.»

Aufgrund der Wetterbedingungen wird es kaum möglich sein, den letzten Sommer einzuholen, selbst wenn Petrus in den nächsten Wochen die Schleusen nicht öffnen sollte.

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