Eine Viertelmillion Tonnen Batterien werden Jahr für Jahr in Europa verkauft und werden innert Kürze zu Sondermüll. Doch ihre Entsorgung ist alles andere als gelöst. Während Blei- und Nickel-Cadmium-Zellen in Hochöfen problemlos unschädlich gemacht werden, bleiben Stromspeicher auf der Basis von giftigem Quecksilber das Sorgenkind.

«Das ist unsere Chance», freut sich Helmut Klammer. Der Direktor der Batrec AG wittert Morgenluft für sein Unternehmen, das seit zehn Jahren im bernischen Wimmis alle in der Schweiz gesammelten Batterien und andere quecksilberhaltige Stoffe wie Fiebermesser oder Amalgam-Abfälle aus Zahnarztpraxen aufarbeitet. Am Ende des Prozesses stehen reine Rohstoffe wie Eisen, Quecksilber oder Mangan.

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Batrec global führend

Die kleine Fabrik im Berner Oberland ist weltweit die einzige industrielle Anlage, welche die kleinen Giftpakete wieder in ihre Elemente zerlegen kann. Bereits liefern die Niederlande ihre Batterien in die 2400-Einwohner-Gemeinde. «Eben läuft der zweite Pyrolyseofen an, bis 2004 werden wir die Kapazität um 1000 Jahrestonnen auf 4500 bis 5000 t erhöht haben», hofft Klammer.

Zwar zwingen gesetzliche Vorschriften in ganz Europa dazu, den Quecksilbergehalt gewöhnlicher Batterien gegen Null zu senken. Hochleistungszellen, militärische Anwendungen und Altlasten werden aber bei Batrec für volle Auftragsbücher sorgen. Allein in der Sondermülldeponie Kölliken dürften sich 1000 t Uralt-Batterien verstecken. Mit ihrem Wissensvorsprung hält die Firma eine attraktive Monopolstellung und verhandelt bereits über Lizenzverträge mit China und Malaysia.

Der Grund, dass sich ausgerechnet in der Schweiz ein so spezialisierter Verwerter etablieren konnte, «ist einer Kombination von staatlichen Vorschriften und freiwilligen Branchenlösungen zu verdanken», urteilt Mathias Tellenbach, Leiter der Sektion Industrie- und Gewerbeabfälle beim Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal). Tellenbach spricht die Verordnungen an, mit denen der Bund seit den 90er Jahren von der Branche verlangt, Batterien, Computer und anderen Elektroschrott zurückzunehmen und umweltverträglich zu entsorgen.

Dazu gesellt sich das Vorfinanzierungsmodell. Mit Blick auf die AHV lancierte die Büroelektronik-Branche vor acht Jahren den so genannten vorgezogenen Recycling-Beitrag (VRB). Beim Verkauf jedes Neugeräts erscheint ein kleiner Obulus auf der Rechnung. Mit diesem Geld in der Büroelektronik jährlich rund 17 Mio Fr. werden die Logistik, Sortierung und umweltgerechte Verwertung von veralteten Druckern, Kopiergeräten und Scannern finanziert.

Vor einem Jahr dann kam die Unterhaltungselektronik dazu. Seit Jahreswechsel hat sich auch der Haushaltsgerätehandel auf eine Preisliste geeinigt: Ein automatischer Dosenöffner schlägt mit 1 Fr., ein Luftsprudel-Badegerät mit 3, eine defekte Gefriertruhe mit 40 Fr. zu Buche.

Sammelsysteme kennen auch mehrere EU-Länder wie Schweden, Deutschland, Österreich und die Niederlande. Doch nirgends ist auch die Verwertungstechnik so ausgeklügelt wie hierzulande. «Die Schweiz hat diesbezüglich ein enormes Potenzial», so Roger Burri vom Beratungsunternehmen Air Mercury, der Mitte Januar in Basel einen internationalen Elektronik-Schrott-Kongress leiten wird.

Interessantes Lizenzgeschäft

An Beispielen für die helvetische Vorreiterrolle fehlt es nicht. Mitte Juli letzten Jahres nahm die Immark AG, einer von 20 zertifizierten VRB-Partnern, in Regensdorf die europaweit modernste Verwertungsstrasse für Elektronikschrott in Betrieb. Stündlich 4,6 t Bildröhren, Staubsauger und Nadeldrucker werden erst manuell demontiert und dann in einem vierstufigen Verfahren in ihre Rohstoffe zerlegt. «Die Technik hat sich bewährt. Schon heute importieren wir kleine Mengen Elektroschrott», so Ruedi Hafner, technischer Leiter der Immark AG. Kommt es zu weiteren Lieferungen, könnte die Halle im Dreischichtbetrieb gefahren werden. Mindestens so interessant ist aber das Lizenzgeschäft. Derzeit entsteht in Campo Real bei Madrid ein Klon, Verhandlungen mit Partnern in Grossbritannien und Frankreich sind in der Abschlussphase.

Ein Dauerbrenner in der Abfallpolitik sind Kühlgeräte, denn erst allmählich setzen sich Isoliermittel durch, die ohne Ozon-zerstörende Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und verwandte Verbindungen auskommen. Noch auf Jahre hinaus werden ausrangierte Kühlschränke und -truhen anfallen, die nicht einfach geshreddert werden dürfen, sondern deren Ozon-Killer zurückgehalten werden müssen.

EU zieht 2005 nach

Im Herbst nun ging in Rothrist die Kühltec in Betrieb, an der neben der Immark auch die Flückiger AG sowie die Karl Kaufmann AG/Thommen beteiligt sind. Jährlich 120000 Geräte, drei Viertel des Schweizer Kühl-Schrotthaufens, können dort im Einschichtbetrieb von FCKW befreit und verwertet werden. Wie bei Batterien und übrigem Elektroschrott macht der Wert der gewonnenen Rohstoffe nur einen kleinen Anteil am Deckungsbeitrag aus. Weit über die Hälfte der Einnahmen stammen aus dem vorgezogenen Entsorgungsbeitrag im Bereich Elektroschrott und Batterien dürften dies für 2002 57 Mio Fr. sein.

Und schon 2004 dürfte mit Maschinen aus den Bereichen Garten und Do-it-yourself eine weitere Gerätekategorie zum VRB-System dazukommen. In der EU soll es ab 2005 ebenfalls eine geregelte Verwertung von Haushalt-, Büro-, Unterhaltungs- und Do-it-Elektronik geben. Die Schweizer Recycler können sich also schon einmal warmlaufen und sich so in eine günstige Ausgangsposition für den sich abzeichnenden Boom bringen.

Noch Potenzial

Auch in der Schweiz können der Rücklauf und die kontrollierte Verwertung von Elektronikschrott noch verbessert werden. Von einer verkauften Menge von 120000 t jährlich (ohne Batterien) werden erst gut 55000 t rezykliert. Viele alte Geräte gehen in den Export oder lagern in Estrichen und Kellern. Rund 30000 t gelangen zu normalen Schrotthändlern und über den Kehricht in Verbrennungsanlagen.