Wenn man zu den Topmanagern eines erfolgreichen Unternehmens gehört, entwickelt man irgendwann sein ganz persönliches Feindbild. Der Wettbewerb ist hart. Die Konkurrenz arbeitet rastlos. Und jeder Tag beginnt im Wissen, dass es für den Erfolg keine magische Formel gibt. Das muss der Grund sein, weshalb sich Robert Erb jahrelang allmorgendlich in seinem Büro auf eine ganz besondere Weise auf den Existenzkampf einstimmte: Mit Dart-Pfeilen und einer Zielscheibe, auf der das Foto seines prominentesten Widersachers klebte.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Erb gehörte jahrelang zu den Entscheidungsträgern von TaylorMade, einer Tochter des deutschen Sportausrüsters Adidas und mit über 800 Mio Dollar Jahresumsatz die Nummer drei auf dem Weltmarkt für Golfschläger und Bälle. Sein Feindbild? Es hatte die Gesichtszüge von Ely Callaway, einem Grandseigneur der Branche, der, obwohl bereits im Pensionsalter, in den 90er Jahren mit übergrossen Metallhölzern namens «Big Bertha» eine Aktiengesellschaft aufzog und auf Rang eins führte.

Anhaltende Rivalität

Callaway ist 2001 im Alter von 82 Jahren gestorben. Doch die Rivalität hat ihn überlebt. Was sicher auch an der ungewöhnlichen Lage der beiden Unternehmen liegt. Callaway und TaylorMade residieren seit Jahren im selben Gewerbepark in der südkalifornischen Stadt Carlsbad, getrennt um ganze 500 Meter, der Distanz eines langen Par-5-Lochs. Wer hier arbeitet, für den sind Dart-Pfeile vergleichsweise harmlose Waffen. In Carlsbad arbeitet man mit härteren Bandagen als in dem anderen grossen Wettkampf des Sportgeschäfts dem Fight zwischen Nike und adidas. Das liegt vor allem am Entwicklungsstand der Fünf-Milliarden-Dollar-Golfbranche: Im Geschäft mit Schlägern und Bällen wächst eine Firma nur noch dann, wenn sie anderen Marktanteile streitig machen kann.

Das Repertoire reicht von der Abwerbung der besten Mitarbeiter bei der Konkurrenz bis zu Zivilklagen und bewusst gestreuten Gerüchten von Entlassungen und Hausdurchsuchungen seitens des FBI. «Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass ich im Rahmen der üblichen moralischen Vorstellungen und der Gesetze die andere Firma pleite machen muss», beschrieb Erb seine Philosophie, die er mit seinen Ämtern als geschäftsführender Vice President von TaylorMade Golf und als President von Adidas Golf verband. Es war gut für TaylorMade die Marke produzierte Umsatz und gut für Erb: Er wechselte in eine exponiertere Stellung bei der italienischen Firma Fila.

In einer grossen Stadt wäre das frostige Klima kaum ein Thema. Aber im kleinen Carlsbad, das seinen Namen einem pensionierten Kapitän verdankt, der vor 125 Jahren in seinem Garten auf Wasser stiess, das den gleichen Mineralgehalt hatte wie der berühmte böhmische Kurort Karlsbad, prägt die Spannung das Lebensgefühl. Denn tatsächlich ist der Ort zwischen Los Angeles und San Diego das Zentrum des globalen Golfgeschäfts. Seit sich die ersten Ingenieure aus der Weltraumforschung in den 80er Jahren hier niederliessen und mit ihren Ideen und Patenten das Fundament für die moderne Equipment-Industrie legten, ist Carlsbad zum Selbstläufer geworden. Der Ort mit seinen 80000 Einwohnern beherbergt neben Callaway und TaylorMade auch noch die Schlägerfirma Cobra (eine Tochter von Marktführer Acushnet), Golfbekleidungsleader Ashworth, die neue Hybridschläger-Marke Sonartec sowie rund 20 weitere Golf-Manufakturen. Das Convention and Visitors Bureau schätzt die Zahl der golfbezogenen Arbeitsplätze auf über 6000.

Angst vor Werkspionage

Die Arbeitnehmer werden alle von den gleichen Stressfaktoren geplagt: Von der Angst vor Werkspionage, von der Furcht vor der Blamage und öffentlicher Blossstellung wegen mässiger Verkaufserfolge und von der nie enden wollenden Suche nach dem Zaubermittel, das wohlbetuchte Golfspieler glücklich und Aktionäre reich macht.

Das Leben in Carlsbad bietet nicht viel als Kompensation, sieht man ab von dem guten Wetter. Touristen auf der Durchreise interessieren sich allenfalls für den Freizeitpark Legoland, mit dem sich die dänische Spielzeugfirma ein Denkmal gesetzt hat, und ein grosses Outlet-Shopping-Center. Golfern hingegen offeriert die Agglomeration noch weniger. Der einzige nennenswerte Platz befindet sich auf dem Gelände des noblen Four Seasons Resort Aviara, liegt jedoch mit seinen Green Fees weit über dem, was sich der Durchschnittsangestellte einer Golffirma leisten kann.

Wie bei vielen Feindseligkeiten quer über den Gartenzaun, so lässt sich heute nicht mehr genau ermitteln, wann die heisse Phase begann. Nur so viel steht fest: Rund um das Jahr 1997 stieg die Temperatur im Konkurrenzkampf. Damals erwarb Adidas den französischen Sportartikelhersteller Salomon, zu dessen Markenportfolio die Golfschmiede TaylorMade gehörte. Eine der Umbesetzungen an der Spitze war die Verpflichtung von Callaways Vice President Mark King. Der neue CEO bläute zusammen mit den neuen Topmanagern den Taylor-Made-Angestellten ein, mit der alten, gentlemenartigen Attitüde, wie man sie auf dem Golfplatz pflegt, sei es vorbei. Es gelte von nun an, dem lokalen Konkurrenten die Käufer abspenstig zu machen.

Tour-Profis als Trendsetter

Der heute 46-jährige King wurde zum entscheidenden Faktor für die Neuausrichtung von TaylorMade. Das Unternehmen konzentriert sich besonders stark darauf, Profispieler auf der amerikanischen PGA-Tour von der Qualität des Schlägermaterials zu überzeugen. Die Vorbildrolle wirkt nachhaltig: «Die Tour-Profis sind die Trendsetter», meldete «USA Today» in einem Bericht über den Milliardenmarkt der Golfausrüster.

Den Gedanken umzusetzen, war leichter gesagt als getan. Anfänglich besass TaylorMade nicht die Spur eines hochwertigen Markenimages. Als man im August 2000 die neue 300er-Driver-Serie vorstellte, kamen von 200 eingeladenen Gästen nur fünf zur Party. 24 PGA-Tour-Profis akzeptierten Schecks, aber nur sieben benutzten tatsächlich auch die Schläger. Erst als der Südafrikaner Ernie Els (inzwischen bei Titleist) für eine Millionengage in den TaylorMade-Stall wechselte, änderte sich die Einstellung gegenüber der Marke.

Heute ist der Erfolg von TaylorMade nicht mehr zu übersehen. Callaways Marktanteil bei Drivern und Fairwayhölzern ist seit dem Jahr 2000 von 30 Prozent auf rund die Hälfte geschrumpft. Gleichzeitig eroberte die Adidas-Tochter die Spitzenposition im Segment, das von vielen Amateurgolfern als Imagefaktor Nummer eins für die Schlägerwahl quer durch den ganzen Bag angesehen wird. Ein Teil der Meriten geht auf die Entwicklungsabteilung zurück. Die setzte 2004 mit dem r7 Quad ein völlig neues Driver-Konzept durch: Der Schläger besitzt einstellbare Gewichte, mit denen Spieler lästigen Schwungkrankheiten entgegenwirken können.

Der Aufschwung der Rivalen hat inzwischen bei Callaway für ein Umdenken gesorgt. Nachdem man TaylorMade die angeschlagene, aber namhafte Ballfirma Top-Flite für 174 Millionen Dollar vor der Nase wegschnappte, nahm man mit Master-Gewinner Phil Mickelson die Nummer 4 der Weltrangliste unter Vertrag. Das Prestige-Duell geht ins Geld. Mickelson bekommt rund 10 Millionen Dollar Gage im Jahr. Sein Wechsel jedoch mündete in ein mittleres PR-Desaster, als er beim Ryder Cup 2004 mit der neuen Ausrüstung zum Sündenbock für die Rekordniederlage gegen Bernhard Langers Europa-Team ausgeguckt wurde.

Mickelson wird vermutlich nichts vom gesellschaftlichen Klima in Carlsbad spüren. Aber die Fissuren sind massiv. Die Manager der beiden Firmen gehen sich konsequent aus dem Weg. Callaways Angestellte gehören zum als hochmütig verschrienen Del Mar Country Club in einem Nachbarort an der Pazifikküste. TaylorMade zieht es in den weit weniger anspruchsvollen Shadow Ridge Country Club.

In anderen Vierteln wohnen

Sie wohnen in unterschiedlichen Vierteln und verhalten sich auch hier schichtenorientiert. TaylorMade-Mitarbeiter findet man eher in den Strassen, in denen die Carlsbader Mittelklasse lebt. Bei Callaway strebt man nach Höherem. Wenn sich, was selten genug vorkommt, die beiden Welten zufällig begegnen, verhalten sie sich wie Wasser und Öl. Selbst langjährige Freundschaften gehen in diesem Reizklima irgendwann zu Bruch.

Die einzige Gelegenheit, bei der es zu offiziell sanktionierten Begegnungen kommt, ist das alljährliche Firmen-Golfturnier, das in Carlsbad den Stellenwert des Ryder Cups übertrifft. Hinter den Kulissen brodeln die unterschiedlichsten Eifersüchteleien. Das jüngste Thema sind die Rabatte, die die Firmen auf ältere Schläger geben, die sich als Ladenhüter herausgestellt haben. Mark King stört es nicht. «Es ist manchmal schwierig, essen zu gehen oder einkaufen oder ins Kino. Du triffst immer auf deine Konkurrenten.»