An die Meyer Druck AG in Jona erinnern nur noch Firmenschilder. Seit August 2002 gibt es die Druckerei nicht mehr. Meyer ist kein Einzelfall:2002 haben laut Creditreform 76 Druckereien Konkurs angemeldet. «Und es wird zu weiteren Konsolidierungen kommen», prophezeit Peter Reichmuth, Kommunikationsleiter bei Viscom. Viscom ist der Arbeitgeber- und Unternehmerverband der grafischen Industrie oder, wie sie neu genannt wird, «visuellen Kommunikation». Der Verband vertritt etwa 40% der grafischen Betriebe in der Schweiz.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Der grafischen Industrie geht es schlecht. Sie leidet an einer Überkapazität von 20%. Über alle Produktionsstufen hinweg ist der Umsatz zwar lediglich um 1,5% zurückgegangen (siehe Tabelle), dramatischer sieht es jedoch beim Gewinn aus. Die Druckerbranche musste im Jahr 2002 Gewinneinbussen von mehr als 50% hinnehmen. Am wenigsten betroffen sind die Druckereibetriebe (10%), gefolgt von der Druckweiterverarbeitung (26%). Am stärksten leidet die Druckvorstufe (34%).

Schuld daran ist in erster Linie die Konjunkturflaute: Die Werbeausgaben sind stark geschrumpft und die Stelleninserate zurückgegangen. 15% weniger Inserate konnten die Zeitungen im Jahr 2002 verkaufen. Und die schleppende Konjunktur hält an, sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber einig.

Am meisten zu leiden haben die mittelgrossen Unternehmen mit zwischen 20 und 99 Mitarbeitern. «Im Gegensatz zu kleinen Betrieben sind sie oftmals zu wenig flexibel, um auf Auftragsschwankungen kurzfristig reagieren zu können. Und Grossunternehmen verfügen in der Regel über eine solide Finanzsituation, sodass sie längere Produktionsrückgänge verkraften können», erklärt Reichmuth.

Klienten-übermacht ist ein Problem

Zu spüren bekommen es die Arbeitnehmer: «Es ist brutal hart geworden in der Branche», sagt Pierre-André Charrière von der Mediengewerkschaft Comedia. Die Arbeitgeberseite ist gleicher Meinung: «Die Konkurrenz ist sehr gross. Wir müssen drucken, wenn wir Arbeit haben», erklärt Joseph Speck, Inhaber der Speck Print AG aus Zug, eines mittelgrossen Unternehmens mit rund 50 Angestellten. Es gibt Tage, da könnte er eigentlich seine Mitarbeiter nach Hause schicken, so der Geschäftsinhaber. Dann wiederum müsse er sie am Freitag Abend bitten, am Samstag zur Arbeit zu kommen. Wie belastend diese «ständige Verfügbarkeit» für die Arbeitnehmer sein muss, ist sich der Unternehmer bewusst: «Kürzlich hat ein Mitarbeiter zu mir gesagt: Arbeiten ist gut, und viel arbeiten ist auch gut: Aber wir schuften.» Auch bei Comedia kritisiert man die «Übermacht» der Klienten.

Ausserdem macht der Innovationsdruck der Branche zu schaffen. Die grossen und finanzstarken Unternehmen haben investiert und die teuren, aber leistungsstarken Maschinen gekauft. «Die enormen Investitionen in den 90er Jahren sind für die heutigen Überkapazitäten mitverantwortlich», sagt der Gewerkschafter Charrière.

Die mittleren und kleinen Unternehmen aber stecken in einer schwierigen Situation: Oft sind sie zu klein, um die nötigen Investitionen zu tätigen, gleichzeitig aber zu gross, um sich in einem Nischenbereich etablieren zu können. Zudem wird die Situation durch ihre schmale Eigenfinanzierung verschärft. Jene, die sich die teuren Maschinen trotzdem leisten, müssen sie amortisieren und optimal auslasten im Idealfall 24 Stunden pro Tag.

Firmenpatron Speck hat innerhalb zweier Jahre für rund 6 Mio Fr. investiert, und das bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz von 12 Mio Fr. Damit hat er den Anschluss an die Digitalisierung geschafft. Doch alles hat seinen Preis. So muss auch Speck trotz Überkapazität von 15% seine Maschinen im Zwei-Schichten-Betrieb laufen lassen; nur so kann er sie amortisieren.

Zudem brauchen die modernen Maschinen weniger Personal. Vor acht Jahren arbeiteten bei der Speck Print AG rund 70 Leute, heute sind es noch 50. Die Zahlen von Comedia bestätigen diesen Trend: Während 1995 39000 Personen in der grafischen Industrie beschäftigt waren, sind es heute noch 32000.

Abwanderung in fremde branchen

Und der schleichende Stellenabbau geht kontinuierlich weiter. Jährlich verschwinden 1000 Stellen. Erstaunlicherweise hat aber die Arbeitslosenzahl nicht zugenommen. Zwischen 1997 und 2002 sank die Arbeitslosenquote gar von 5% auf 3%. Charrière von Comedia erklärt: «Viele Beschäftigte, die ihre Stelle verlieren, wandern in eine andere Branche ab, machen sich selbstständig oder treten vorzeitig in der Ruhestand.» So auch im Betrieb von Speck.

In den vergangenen Jahren mussten die Vorstufenbetriebe zudem ihr Monopol auf Satz und Reproduktion abgeben. Heute sind meist Werbeagenturen die Drehscheiben für Kundenwünsche. Ein Bereich, in dem noch beträchtlich Wertschöpfung erzielt werden kann. «Die Ausdehnung des Angebots in Richtung Konzeption und Gestaltung stellt allerdings nicht den einzigen Erfolgsweg dar», erklärt Reichmuth. «Wer grosse Seitenmengen pünktlich und korrekt liefert, hat auch in Zukunft noch sein Auskommen.»

Um der Konkurrenz Herr zu werden, spannen Arbeitgebervertreter und Gewerkschaft zusammen: Gemeinsam lobbyieren sie beim zuständigen Bundesamt dafür, dass bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nur noch Unternehmen berücksichtigt werden, die sich an den Gesamtarbeitsvertrag halten. Doch für Unternehmer Speck steht ausser Frage: Wenn ein KMU überleben will, muss es eine kritische Grösse erreichen. Und das bedeutet für den Geschäftsmann: Nicht unter 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. «Auch wir müssen zulegen», ist er sich bewusst.