Das Netz der Güdel-Töchter und -Niederlassungen umspannt die ganze industrialisierte Welt. Kundennähe ist für den Familienbetrieb entscheidend: Steht zum Beispiel in einem Autowerk irgendwo auf der Welt ein Roboter der Firma Güdel still, kann dies schnell 10000 Fr. pro Stunde kosten.
Gedacht wird bei Güdel dennoch vorwiegend in Langenthal. Lässt das in Etappen gewachsene Stammhaus von aussen ein patronales Unternehmen vermuten, zeigt sich hinter der Fassade ein moderner Weltkonzern. Im lichten Büroraum aus hellem Holz und strengem USM-Mobiliar widerspiegelt sich die Firmenkultur: Alle Pulte sehen gleich aus, eine Luxusnische für den Chef fehlt gänzlich. «Flache Hierarchien und transparente, direkte Kommunikation in allen Bereichen und über alle Ebenen» stehen für Geschäftsleiter Rudolf Güdel an erster Stelle.
Er wolle eigenständige Leute, fügt Güdel an und der Umgangston im Unternehmen unterstützt die Aussage. Das schliesst allerdings nicht aus, dass der Chef beim Betriebsrundgang mit kritischem Blick die Dimensionen eines Gewindes betrachtet und sich genau versichern lässt, dass die Auslegung dem Wunsch und den Anforderungen des Kunden entspricht.
Forschung überlebenswichtig
Gestärkt werde die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten durch intensive Betreuung und Schulung und eine gezielte Auswahl der rund 20 Lehrlinge. «Wir wählen nicht bloss anhand der schulischen Leistung. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen werden auch Fachkräfte mit traditionellen handwerklichen Fertigkeiten behalten und weiter gefördert», sagt Güdel. Das bringe dem Unternehmen heute eine wichtige Kernkompetenz. Entsprechend freut sich Rudolf Güdel auch für seine Beschäftigten über die silberne Auszeichnung im Rahmen des Anfang Februar 2005 vergebenen Unternehmerpreises Espace Mittelland.
Eine rege eigene Forschungstätigkeit ist für die Güdel-Gruppe überlebenswichtig. Zehn Leute beschäftigt der Betrieb in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. «Die nötigen Mittel werden selber erwirtschaftet», sagt Güdel. Wichtig sei aber auch die Partnerschaft mit der Berner Wirtschaftsförderung und die gute Kooperation mit der Gemeinde Langenthal.
Sehr hohe Fertigungstiefe
«Alle wichtigen Teile werden in Langenthal produziert», erklärt der 56-jährige Firmenchef, der nach wie vor auf eine sehr grosse Fertigungstiefe vor Ort setzt. «Die Herstellung der rund 10000 Komponenten - von der Kugel im Kugellager über Getriebestangen und Zahnräder bis zu den tonnenschweren Trägern - bildet die Basis», erläutert er. Dies garantiere die nötige Unabhängigkeit, stabilisiere das zyklische Systemgeschäft und sichere die Qualität.
Mit dem Wachstum der von Vater Alfred Güdel gegründeten Unternehmung folgten Module, also oft standardisierte Einheiten, zum Beispiel für das Zuführen von Werkstücken in der Produktion mitsamt der nötigen Antriebstechnik. Eine weitere Ebene sei die Ergänzung mit künstlicher Intelligenz. Eine Vielzahl Robotic-Anwendungen deckt Güdel ab, darunter als einziger Schweizer Hersteller einen karthesischen Roboter mit bis zu fünf Verfahrensachsen. Die Spitze der Pyramide bilden ganze Systeme für Bohr-, Fräs-, Niet- und Polieranlagen, die in der Luft- und Raumfahrtsindustrie ihre Anwendung finden.
So werden auf einer Güdel-Anlage künftig die Flügel des neuen Riesenairbus A-380 poliert. Autobauer Hyundai in Korea bestellte gleich eine ganze Fertigungsstrasse. Trotz der klingenden Namen bleibt Güdel-Technik ein Nischenprodukt für ganz spezifische Anwendungen.
Dank dem jungen, engagierten Konstrukteur Mario Rothenbühler kann Güdel die Möglichkeiten heutiger Informatik in einem für den Verkauf entscheidenden Bereich nutzen. Seit 2005 bietet Güdel als eines der ersten Schweizer Unternehmen einen Konfigurator für Getriebe an. Der «Güdel fast developer» erlaubt es, online oder ab CD die Auslegung eines Getriebes einfach zu berechnen und zu konfigurieren, also mit allen möglichen Daten auf den eigenen Anwendungsfall abzustimmen. Hier zahlt sich die Komponentenherstellung im eigenen Haus ebenfalls aus.
Zuletzt wird der Preis berechnet, bestellt und bald erhält der Kunde sein spezifisches Getriebe. Oder er pröbelt im Konfigurator verschiedene Varianten durch. «Ikea-Prinzip», umschreibt Güdel das Verfahren lachend. Noch sei offen, wie der unpersöhnliche Weg bei der Kundschaft akzeptiert werde.
Firmen-Profil
Name: Güdel AG, Industrie Nord, 4900 Langenthal
Gründung: 1954
Geschäftsleitung: Rolf Güdel, Besitzer
Umsatz: 105 Mio Fr.
Beschäftigte: 400, davon 225 in Langenthal
Produkte: Fabrikautomation,Prozessautomation, flexible Arbeitstechnik, Robotik
Absatzmärkte: Über 85%
Export: Asien, Nordamerika, Europa
Kunden/Bereiche: Automobilbranche, Raumfahrt, Investitionsgüterindustrie
Internet: www.gudel.com