Thomas Gerritsen sinniert: «Wir sind ein bisschen eine komische Firma.» Im Sitzungsraum zwischen Prototypen und Relikten erklärt der CEO: «Sola bedient einen Nischenmarkt. Seit 1999 wächst das Unternehmen im Ausland im zweistelligen Bereich. Vom Design über die Produktion bis zum Vertrieb haben wir alles selbst in der Hand. Mir ist keine Besteckfabrik bekannt, die das von sich behaupten kann.»

Sola fliegt mitunter Swiss, landet auf Tischen im Zürcher Opernhaus und «Dolder Grand» oder auf jenen der Hotelketten Hyatt und Accor. Besonders lukrativ scheint die Bestückung von Kreuzfahrtschiffen: «Passagiere werfen versehentlich Gabeln und Löffel über Board oder nehmen Besteckteile als Souvenir mit», sagt Gerritsen. Dass ihn Sola bis nach Ulan Bator verfolgt, hat ihn aber doch erstaunt. In der Hauptstadt der Mongolei sollen sich Männer sogar mit seinen Tafelmessern rasieren.

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200 Tage pro Jahr ist Gerritsen unterwegs - nicht immer an den schönsten Orten. «Schleifen, Polieren, Reinigen, oft wird das Schmutzwasser direkt in den Boden gelassen: Die Besteckmacherei ist eigentlich ein Dreckgeschäft», konstatiert der Chef. Seit Längerem sucht er im zollfreien Handelskorridor zwischen Delhi und Mumbai nach einem zusätzlichen Produktionsstandort. 42 «Fabriken» hat er im geopolitisch wichtigen Indien bislang angeschaut. Keine soll die minimalsten Umweltschutz-Anforderungen erfüllt haben. So muss Sola hier wohl von Grund auf selber bauen.

Gegen den Niedergang gestemmt

Damit hat Gerritsen aber Erfahrung: In der chinesischen Provinzstadt Xinxin unterhält Sola eine Besteckfabrik (1025 Beschäftigte). Für Edelprodukte betreibt man eine Manufaktur im indonesischen Surabaya (388 Mitarbeiter). Hier lassen inzwischen weltbekannte Labels ihre Designs ausführen. An beiden Orten werde mindestens so sauber produziert wie in Europa. Der Produktionsstaub wird mit Wasser weggewaschen, das dann Filter um Filter durchläuft. Jeder Angestellte arbeitet nach internationalen BSCI-Standards.

«Als Besteckmacherfamilie in der fünften Generation wollen wir uns nicht verbiegen. Die Einhaltung von ethischen und ökologischen Grundsätzen ist unser Luxus», sagt Gerritsen. Als er 1994 den Betrieb von seinem Vater übernommen hat, war Sola in einem relativ schlechten Zustand. «Zehn Jahre lang wurden keine Investitionen getätigt. Man lebte von Reserven und verschleierte den Betriebsverlust.» Wobei in den 1980er-Jahren die meisten Besteckfirmen in Europa am Boden lagen: Der Hauptmarkt der versilberten Garnituren brach zusammen. Wer sich nicht neu positionieren konnte, musste den Betrieb schliessen.

Thomas Gerritsen packte die Chance. Mit Zahlen hat der angelernte Werkzeugmacher und MBA-Absolvent zuvor bei Schindler in Ebikon LU jongliert. Als Erstes analysierte er die Möglichkeiten: Wo könnte man günstig sowie fair produzieren? Und welche Märkte liessen sich zusätzlich bedienen? Danach begannen die vielen Reisen nach China und Indonesien. Für die Vermarktung beschäftigt er Mitarbeiter an strategisch wichtigen Orten wie Bangkok. Inzwischen machen Australien/USA, Asia Pacific/Middle East und Europa/Russland/Afrika je einen Drittel des Umsatzes aus. In der Schweiz wird pro Einwohner und Jahr ein Besteckteil umgesetzt. Ein eigenes Konzept hat Gerritsen auch für den Vertrieb: Die Ware wird innerhalb eines Monats direkt von der Produktionsstätte zum Klienten geliefert. Das bringt auch eine bessere CO2-Bilanz mit sich. Container von Europa nach Asien lässt Gerritsen mit Schleifmaterial aus Deutschland beladen. Der umgekehrte Handelsweg kostet fast nichts.

«Die Frage ist nun: Bringen uns die Asiaten dazu, mit Stäbchen zu essen? Oder können wir sie von den Vorzügen von Messern, Gabeln und Löffeln überzeugen?», sagt Gerritsen. Optisch ist bereits eine Annäherung in Gang. Die Bestecke werden schlichter und schlanker, teilweise fast stäbchenartig wie die neusten Designs von Alfredo Häberli by Sola. Für zwei Sets hat der Familienbetrieb den international gefeierten Designer engagiert. Geplant ist zudem ein «Diversicum aus schöpferischen Esswerkzeugen und multifunktionalen Schalen», wie es im Prospekt heisst.

In der Schweiz neu positionieren

Alfredo Häberli, ein Schweizer mit argentinischer Vergangenheit, passt gut in die Marketingstrategie von Sola. Das Traditionshaus will sich in der Schweiz neu positionieren, neben günstigen Angeboten in Verkaufshäusern vermehrt im Hochpreissegment mitwirken. Am Hauptsitz in Emmen LU machen Handwerker den letzten Schliff für ein 2500 m2 grosses Verkaufsatelier. Bald können Besucher erleben, wie Sola jeden Tag neue Designs entwirft. Möglicherweise trifft man dabei auf Thomas Gerritsen, der gerade einen Prototyp fertigt.