ILLEGALER KUNSTHANDEL Die allgemeinen Schweizer Regelungen des Kulturgütertransfers bieten nur mangelhafte Grundlagen für die Bekämpfung von illegalem Kunsthandel. Deshalb wurde vom Bundesrat der Entwurf eines Kulturgütertransfergesetzes (KGTG) vorgelegt, der von den Kunsthändlern jedoch stark kritisiert wird.

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Schweiz zu einem international bedeutsamen Kunsthandelsplatz entwickelt. Nicht nur darf sie sich rühmen, weltweit die höchste Museumsdichte zu beherbergen, sondern sie belegt auch nach den USA, England und Frankreich den 4. Platz unter den Kunsthandelsnationen. Dieser Ruf ist hauptsächlich auf die Erfahrung und Kompetenz der Schweizer Kunsthändler zurückzuführen, welche die attraktiven Rahmenbedingungen des Kunstschauplatzes Schweiz zu nutzen wissen. Die zentrale Landeslage, die vorteilhafte Infrastruktur, die Sprachkenntnisse sowie gut etablierte internationale Kontakte tragen das ihre bei.

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Von diesen Vorzügen profitiert jedoch nicht nur der seriöse Kunsthandel. Immer wieder gerät die Schweiz in den Dreh- und Angelpunkt des illegalen Kulturgütertransfers. Tatsächlich sieht sie sich mit einer wachsenden Zahl von strafrechtlichen Rechtshilfegesuchen zu gestohlenen oder illegal ausgeführten Kulturgütern konfrontiert, die sich in einer zunehmenden Zahl von Bundesgerichtsentscheiden widerspiegelt.

Das Schweizer Recht bietet einen vergleichsweise günstigen Boden für unsaubere Transaktionen, da es in Bezug auf den Schutz des eigenen kulturellen Erbes als auch in Hinsicht auf den internationalen Kulturgütertransfer ein erhebliches Regelungsdefizit aufweist und auch nicht in die Kulturgüterregelungen der Europäischen Union eingebunden ist.

Die regelmässigen Meldungen von Kulturgütern, deren illegaler Transfer durch die Schweiz führte, schadet dem Ansehen dieses Kunsthandelsplatzes in nicht unerheblichem Masse. Das Ausland vertraut darauf, dass wichtige kulturpolitische Interessen in der Schweiz respektiert werden, im selben Masse, wie die Schweiz auf die dortige Anerkennung des Schutzes ihres kulturellen Erbes angewiesen ist.

DIE LÜCKEN IM GELTENDEN SCHWEIZER RECHT

Auf Bundesebene existieren in der Schweiz keine spezifischen Regelungen für die Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern. Zollrechtlich stehen diese gleichrangig mit gewöhnlichen Gebrauchsgütern. Auch ausländische Ausfuhrvorschriften werden in der Schweiz grundsätzlich nicht anerkannt. Sie gehören zum öffentlichen Recht eines Staates und entfalten ausserhalb des Staatsgebietes, in dem sie erlassen wurden, in der Regel keine Wirkung. Diese Tatsache bildet einen Nährboden für Täuschungen im so genannten «gutgläubigen Eigentumserwerb». Denn mit der fehlenden Kontrolle über die Ein- und Ausfuhr und somit der Möglichkeit, ein gestohlenes Kulturgut im Handel gutgläubig zu erstehen, wird die Schweiz zum idealen Zwischenlager für international agierende Kunstschieber.

Ein Kunstwerk illegaler Herkunft kann unbemerkt und ohne grosses Risiko in die Schweiz eingeführt und hier während fünf Jahren, der relativ kurzen Frist, in welcher der rechtmässige Eigentümer das gestohlene Gut zurückfordern könnte, eingelagert werden. In der Zwischenzeit kann über tatsächliche oder angebliche Weitergabe an vorgeschobene natürliche oder juristische Personen ein gültiger Eigentumstitel hergestellt werden, also eine Reinwäsche vom «rechtlichen Makel» vorgenommen werden.

Die schweizerischen Behörden kennen bis heute lediglich sehr beschränkte Möglichkeiten, gegen solche Missbräuche vorzugehen. Besonders für Rückforderungsansprüche, die auf nationalen Ausfuhrregeln basieren, könnten internationale Regelungen Abhilfe schaffen.

Mit dem neuen Kulturgütertransfergesetz (KGTG) soll nun die Unesco-Konvention von 1970 über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut in Schweizer Recht eingebunden und in ein Bundesgesetz umformuliert werden. Bis heute sind ihr 91 Staaten beigetreten. Diese Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten zu einer Reihe gesetzgeberischer und administrativer Massnahmen zum Schutz des beweglichen kulturellen Erbes. Demnach soll gestohlenes Kulturgut in der Schweiz bis zu dreissig Jahren nach Kenntnisnahme des Eigentümers zurückverlangt werden können. Im heutigen Recht ist dies lediglich bis maximal fünf Jahre nach dem Diebstahl möglich. Wer ein illegal eingeführtes Kulturgut gutgläubig im Handel erworben hat, erhält bei Rückgabe an den rechtmässigen Eigentümer Anrecht auf Erstattung des entrichteten Preises.

Zukünftig sieht das KGTG vor, mit Ländern, deren kulturelles Erbe bedroht ist, etwa durch Raubhandel, bilaterale Verträge abzuschliessen, welche die Einfuhr besonders gefährdeter Kulturgüter in die Schweiz regeln. Diese vertraglich gebundenen Güter dürfen ausschliesslich mit einer Ausfuhrbewilligung des Ursprungsstaates in die Schweiz eingeführt werden.

Diese Regelungen kommen Museen, Sammlern, dem Kunsthandel sowie dem Auktionswesen gleichermassen zugute. So profitieren die Museen von den erhöhten Fristen für die Rückgabe von gestohlenem Kulturgut, können für temporäre Leihgaben aus dem Ausland eine verbindliche Rückgabezusage beantragen und werden in ihrem Bestreben unterstützt, Objekte mit einer problematischen Provenienz aus ihren Sammlungen fernzuhalten. Die Möglichkeit der Abgrenzung des legalen gegenüber dem illegalen Kunsthandel ist offensichtlich. Und bei Auktionen darf Kulturgut nur dann übertragen werden, wenn kein Hinderungsgrund im Sinne des KGTG besteht. Über den Eingang von archäologischen, ethnologischen und sakralen Kulturgütern sowie Archivgut muss Buch geführt werden, illegale Angebote müssen gemeldet werden.

GEGENSTIMMEN AUS DEM KUNSTHANDEL

Grundsätzlich besteht in weiten Kreisen Einigkeit bezüglich des Handlungsbedarfs im Bereich des Schweizer Kulturgüterhandels und der Notwendigkeit gesetzlicher Leitplanken. Dennoch werden besonders aus den Ecken der Kunsthändler, Sammler und einiger Museen Stimmen laut, die sich gegen den bundesrätlichen Gesetzesentwurf erheben. Zusammengefasst findet man diese Kritikpunkte in einem vom Basler Rechtswissenschafter Frank Vischer ausgearbeiteten Gegenentwurf, den Nationalrat Ulrich Fischer mit einer parlamentarischen Initiative eingereicht hat. Darin wird die bundesrätliche Vorlage als zu bürokratisch und restriktiv dargestellt, wodurch Sammler und Kunsthändler gewisse Nachteile befürchten. Das Problem des Diebstahls würde im Entwurf nicht spezifisch geregelt, wohingegen der Gegenentwurf sich mit der Rückgabe gestohlener Kulturgüter in Form der Einführung von Datenbanken als moderne Mittel der Prävention auseinandersetzt.

unverhältnismässige NeuREGELUNGEN

Auch mit der Begriffsdefinition «Kulturgut» wird im Vergleich der beiden Vorlagen jongliert, woraus sich Folgen für die Bedeutung und Schutzwürdigkeit bestimmter Kunstwerke in der Handelspolitik ergeben: Mit der bundesrätlichen Gesetzesvorlage würden auch unbedeutende Objekte einem gesteigerten Schutz unterstellt und bedeutendere Werke keinen solchen geniessen, da sie nicht in die Begriffsdefinition «Kulturgut im engeren Sinne» fallen. Staaten mit weitreichender Exportgesetzgebung könnten somit beinahe beliebige Objekte zurückfordern. Weiterhin betitelt der Gegenentwurf die Rückgabefrist gutgläubig erworbener Kulturgüter als unverhältnismässig. Nach einer solchen Zeitspanne wäre der gutgläubige Besitzer doppelt geschädigt, da er lediglich eine, wie in der bundesrätlichen Vorlage vermerkte, angemessene, nicht aber eine volle Entschädigung erhalten würde.

Händler werfen der Gesetzesvorlage ein die Ausstellungstätigkeiten verunmöglichendes Verfahren vor und vermissen Garantien auch an private Leihgeber. Neben Aufzeichnungspflichten beim Erwerb jeglichen Kulturgutes für Auktionatoren und einer Verpflichtung zur Identifikation des Verkäufers sowie dem Einholen von Erklärungen über die Verfügungsberechtigung des Anbieters schlägt der Gegenentwurf vor, vor jedem Handel über 25000 Fr. eine vom Bundesrat anerkannte Auskunftsstelle bezüglich der Legalität des betreffenden Kulturgutes anzufragen und definiert bei Nichterfüllung angemessene Strafen.

KULTURGÜTERTRANSFERGESETZ (KGTG)

Vertrauen ist gut, Kontrolle noch besser

Sowohl der bundesrätliche Entwurf eines Kulturgütertransfergesetzes (KGTG) wie auch der von Nationalrat Fischer eingereichte Gegenvorschlag tragen in grossem Masse zur Förderung des internationalen Kulturaustausches bei. Dieser ist eine kulturpolitische Notwendigkeit. Museen, Sammler und der Handel sind auf Kulturgüter aus dem Ausland angewiesen, um sie in Ausstellungen zu präsentieren oder um sie in Sammlungen einzureihen. Dieser Austausch basiert auf Vertrauen, Rechtssicherheit und Transparenz und ist nur dann möglich, wenn die Grundsätze der Gegenseitigkeit und der kulturellen Selbstbestimmung für alle Beteiligten gegeben sind. (sha)