Wer ans Emmental denkt, stellt sich als Erstes hölzerne Bauernhäuser, saftige Wiesen und glockentragende Kühe vor, die die Milch für den weltberühmten Emmentaler Käse liefern. Was kaum jemand weiss: Auch Boeings revolutionäres Passagierflugzeug Dreamliner und das von Lockheed für das amerikanische Militär entwickelte Kampfflugzeug Joint Strike Fighter verdanken ihre Existenz einer Schweizer Traditionsfirma, die in Langnau im Emmental angesiedelt ist: Liechti Engineering.

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Trotz unbestrittener Erfolge und einer internationalen Kundenliste, die sich sehen lassen kann - General Electric, Siemens, Alstom oder Toshiba sind nur einige illustre Namen -, sind die Gebrüder Liechti, die den Familienbetrieb in vierter Generation führen, bescheiden: «Wir wissen nicht, ob wir mit dem technologischen Fortschritt der nächsten Jahre mithalten können», sagt etwa Ralph Liechti, der ältere Bruder, der als CEO amtet. Dabei steht Liechti Engineering an der Speerspitze der Innovation, und es gibt kaum Anzeichen, dass diese Position gefährdet wäre.

Ralph Liechti ist ständig unterwegs: Die Mehrzahl der Kunden sitzt im europäischen Ausland und dem im Moment wichtigsten Markt, den USA. Das grösste Wachstum verzeichnet Liechti Engineering dagegen in Asien, besonders in China, wo die Langnauer über eine kleine Niederlassung verfügen. Für den ETH-Ingenieur ist der Verkauf Chefsache. Kein Wunder, denn eine im Emmental gefertigte Hightech-Fräse, die mithilfe einer eigens entwickelten Software beliebig gekrümmte Turbinenschaufeln oder ganze Turbinen für Flugzeugtriebwerke, sogenannte Blisks, auf den Nanometer genau ausarbeiten kann, kostet bis zu 2 Mio. Fr. Und meistens bestellen Kunden mehr als eine solche Maschine.

Gesehen, gekauft

Produziert und montiert werden die Hightech-Fräsen, die nicht selten Zimmergrösse haben, an vier Standorten: Bleienbach BE, Brugg AG, Hallstadt (Deutschland) sowie Langnau BE, wo sich auch die Entwicklungsabteilung befindet. «Unsere Maschinen sind schneller und die gefrästen Teile von besserer Qualität als bei der Konkurrenz», erklärt Liechti. Die Qualität hat jedoch ihren Preis - diesen wollten vor allem kleinere Firmen nicht immer bezahlen, gibt er zu. Deshalb sieht der CEO es als seine Hauptaufgabe an, potenzielle Käufer in die Zentrale ins Emmental zu holen, um ihnen die wichtigsten Modelle in Aktion zu demonstrieren. «Wer unsere Maschinen gesehen hat, kauft sie in den meisten Fällen auch», sagt Liechti, nicht ohne Stolz.

Während Ralph Liechti die Fräsmaschinen auf der ganzen Welt an den Mann bringt, sieht in Langnau der jüngere Bruder James nach dem Rechten. Mit einem HSG-Master ist er der Betriebswirt in der Familie. «Ralph und ich ergänzen uns optimal», sagt James Liechti, der als CFO für die Finanzen von Liechti Engineering zuständig ist. Ob es dennoch zu Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten kommt? «Natürlich», sagen die Brüder. «Dann setzen wir uns zusammen hin und diskutieren das Problem ruhig und sachlich aus», meint Ralph Liechti. Bislang habe man sich immer einigen können, ergänzt James Liechti. Die Wurzeln der heutigen Liechti Engineering reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Allerdings stellte die 1865 gegründete Liechti & Co. Maschinenfabrik noch herkömmliche Landmaschinen her. Erst in den 1960er-Jahren sattelte das KMU um und begann, Fräsmaschinen zu bauen. Auf aerodynamisch komplexe Strömungsprofile wie Turbinenschaufeln konzentriert sich die in Liechti Engineering umgetaufte Firma erst seit den 1980er-Jahren.

Lukrative Nische

«Wir haben erkannt, dass wir zu klein sind, um im Massenmarkt zu überleben», erklärt Ralph Liechti die Nischenstrategie. Mit dem Fokus auf die Produktion gekrümmter Teile haben die Verantwortlichen ins Schwarze getroffen: In den letzten 30 Jahren hat sich die Nachfrage aus der Energiewirtschaft und der Luftfahrt vervielfacht. So wurde es auch möglich, dass Boeing und Lockheed Komponenten für die Antriebe ihrer führenden Flugzeuge auf Maschinen aus dem Hause Liechti herstellen.

Der Exportanteil beim Umsatz liegt bei 100%. Würde es nicht Sinn machen, die Entwicklung und Produktion näher zu den Kunden zu bringen? «In der Schweiz finden wir das Know-how, das wir benötigen», sagt Ralph Liechti. Und im Emmental lasse sich gut wohnen, fügt James Liechti hinzu. Dennoch schliessen die Brüder nicht aus, dass es eines Tages nötig sein könnte, beispielsweise in Asien zu produzieren. Allein schon, um die Kosten zu senken und damit bei den Preisen konkurrenzfähig zu bleiben.

Emmentaler haben Sinn für Humor. So geben die Gebrüder Liechti nach dem Besuch ihres Werks allen Kunden oder Interessenten zum Abschied einige Werkzeuge mit auf den Weg. Um Liechti-Maschinen zu flicken, sollte einmal etwas defekt sein. Das kommt allerdings kaum vor: Manche Kunden würden noch immer mit Maschinen arbeiten, die sie vor 1990 gekauft hätten, berichtet Ralph Liechti. Qualität hat also ihre Tücken: Wer auf alten Maschinen fräst, kauft keine neuen.