Steigt der Schweizer Hörgerätekonzern Phonak weltweit zum Branchenprimus auf? Diese Frage wird spätestens am 13. April beantwortet. Bis zu diesem Datum muss sich das deutsche Bundeskartellamt darüber äussern, ob es die Übernahme des dänischen Hörgeräteunternehmens GN Resound durch Phonak bewilligt.

Phonak wäre neu mit einem Marktanteil von 34% (bisher 19%) die Nummer eins der Branche. Der deutsche Konzern Siemens, dessen Hörgerätesparte gemessen am Marktanteil bisher noch die Spitzenposition hält, wäre dann die Nummer zwei. Der dritte Rang würde an das dänische Unternehmen William Demant fallen.

Siemens hat einen geschätzten Marktanteil von 22%, William Demant von 20%. «Genaue Zahlen geben wir nicht bekannt. Aus der Sicht von Siemens ist dies aber eine konservative Schätzung», sagt Karlheinz Kaul, Co-Geschäftsführer der Siemens-Hörgerätespar-

te, auf Anfrage. Und gemessen an der Zahl der verkauften Geräte sei Siemens weiterhin die Nummer eins.

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Zukäufe gesucht

Auch Niels Jacobsen, CEO von William Demant, möchte sich zu den Marktanteilen nicht äussern. «Es ist mir egal, ob mein Unternehmen die Nummer eins oder die Nummer drei ist», sagt er (siehe auch «Nachgefragt»). Sowohl Kaul als auch Jacobsen streben aber den Gewinn von Marktanteilen an. Beide wollen dafür aktiv an der zukünftigen Konsolidierung der Branche teilnehmen. Falls sich eine neue Akquisitionsmöglichkeit biete, werde diese «mit Sicherheit» geprüft.

Sowohl Siemens als auch William Demant hatten im letzten Jahr für GN Resound mitgeboten. Anfang Oktober machte Phonak das Rennen. «Wir haben den Zuschlag zwar nicht erhalten, fühlen uns aber auch so gut für die Zukunft gerüstet», kommentiert Kaul. Und Jacobsen sagt: «Im Moment bin ich ganz froh, dass unser Angebot nicht erfolgreich war, denn die dänische Regierung arbeitet momentan an einem neuen Steuersystem. Würde dieses eingeführt, wären Zinszahlungen nicht mehr abzugsfähig. Das wäre keine schöne Situation gewesen.»

Die allfälligen Auswirkungen sind für Phonak unklar. Das Unternehmen ist schuldenfrei und hat eine (tiefe) Steuerrate von 17,5%. Der Übernahmepreis von GN Resound beträgt 3,3 Mrd Fr.; 1,8 Mrd Fr. davon sollen durch eine Kapi-talerhöhung finanziert werden.

Diese Erhöhung soll an der Generalversammlung vom 12. Juni zur Abstimmung kommen. «Die Planung der Integration schreitet gut voran. Konkret umsetzen können wir bis zur Erteilung der letzten Genehmigung durch die deutschen Behörden aber nichts», sagt Phonak-CEO Valentin Chapero der «Handelszeitung». Wenn alles klappt, soll die Übernahme aber bis Ende Juni 2007 abgeschlossen werden.

Neuer Name im Juni?

An der Phonak-GV im Juni soll auch über den neuen Namen der Holding abgestimmt werden. Der Vorschlag könnte bereits am 15. Mai präsentiert werden, wenn Phonak die Zahlen des Geschäftsjahres 2006/2007 vorlegt.

Neue Firmennamen, anvisierte Zukäufe, Wetteifern um Marktanteile – die Hörhilfenbranche ist in Bewegung. Und dies wird sich in Zukunft auch nicht so schnell ändern. Weltweit leiden heute 500 Mio Menschen an Hörverlusten. Bis ins Jahre 2015 sollen es laut Untersuchungen des britischen Institute of Hearing Research 700 Mio sein. Dieses Potenzial kann von den Hörgeräteherstellern aber noch längst nicht ausgeschöpft werden: Im Gegensatz zu Brillen gelten Hörgeräte nicht als modische Accessoires, sondern als stigmatisierte Lebenshilfen. Dies bedeutet, dass heute schätzungsweise erst jede zehnte Person, die von einem Hörschaden betroffen ist, auch tatsächlich ein Hörgerät trägt.

Marketing versus Technik

Phonak, Siemens und William Demant sind sich jedoch nicht einig, welches die beste Strategie ist, um dieses Marktpotenzial auszu-nützen. Niels Jacobsen, CEO von William Demant (Umsatz 2006: 682 Mio Euro, 4800 Mitarbeiter): «Wir brauchen mehr enthusiastische Kunden, die ihr Umfeld ebenfalls zum Tragen eines Hörgeräts überzeugen können.» Denn das grösste Problem hinter dem schlechten Image des Hörgeräts sei die Selbstachtung. Der grösste Teil der Betroffenen seien ältere Menschen, die sich aber noch nicht «alt genug» für ein Hörgerät fühlten. Karlheinz Kaul von Siemens (3800 Mitarbeiter, Umsatz wird nicht bekannt gegeben) setzt auf Technik: «Dass die Kunden aber wirklich zufrieden sind, kann nur durch eine gute Qualität und ein ansprechendes Design der Produkte erreicht werden.»

Phonak (Umsatz im Geschäftsjahr 2005/2006: 867 Mio Fr., 3400 Mitarbeiter) wiederum setzt auch auf Qualitätsverbesserungen und Innovationen. CEO Valentin Chapero investiert aber ebenso viel in Aufklärungs-, Marketing- und

Verkaufsanstrengungen. Die Kampagne «Hear The World» kostet rund 10 Mio Fr. pro Jahr, ist lang-fristig angelegt und soll das Image der Hörhilfen verbessern. Und damit Phonak mehr Umsätze bringen.

Drahtlose Kommunikation

Alle drei Unternehmen betonen ihre Aktivitäten im Bereich der drahtlosen Kommunikation, da sie diese als wichtigen Trend betrachten. Daneben gründeten sie verschiedene Kooperationen: William Demant beispielsweise startete mit dem deutschen Unternehmen Sennheiser ein Joint Venture für die Entwicklung von Kopfhörern. Ein Sennheiser-Hörgerät ist ge-mäss Jacobsen bisher aber nicht geplant. Phonak hingegen hat soeben mit dem Konzertflügelhersteller Steinway ein Luxushörgerät lanciert.

CEO des dänischen Hörgeräteherstellers William Demant.

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Nachgefragt: «Bernafon trägt signifikant zum Geschäft bei»

Niels Jacobsen, Ceo des dänischen Hörgeräteherstellers William Demant.

Wie steht es um Ihre Schweizer Tochtergesellschaft Bernafon?

Niels Jacobsen: Ihr Umsatz trägt signifikant zum gesamten Geschäft von William Demant bei. Genaue Zahlen veröffentlichen wir aber nicht. Die 2006 gestartete Produktlinie Icos ist gut angelaufen. Und die soeben lancierte Linie Prio verzeichnet solide Absätze.

Kommt eine separate Kotierung?

Jacobsen: Das würde keinen Sinn machen. Unsere Zweimarkenstrategie mit Bernafon und Otikon funktioniert gut. Falls wir wieder ein Unternehmen kaufen würden, würden wir wohl auch diesen Brand behalten und dann eine Dreimarkenstrategie fahren.

William Demant ist nach dem Kauf von GN Resound durch Phonak nur noch die Nummer drei.

Jacobsen: Es ist mir egal, ob mein Unternehmen die Nummer eins oder die Nummer drei ist. Wir konkurrieren im Markt, indem wir bessere Produkte abliefern.

Ein höherer Marktanteil bringt aber mehr Margen.

Jacobsen: Wir wollen unseren Marktanteil wieder erhöhen. Wir werden einerseits organisch wachsen, andererseits aktiv an der zukünftigen Konsolidierung der Branche teilnehmen.

Nach was suchen Sie?

Im Moment steht nichts zum Verkauf. Käme wieder eine Gelegenheit wie GN Resound, würden wir sicher auch diese prüfen.

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Bereits ab 2008 wieder neue Tarife?

Vertrag In der Schweiz werden (wie in den meisten europäischen Ländern) die Preise für Hörgeräte nicht individuell gestaltet. Sie sind vertraglich festgeschrieben. Vertragspartner sind das Bundesamt für Sozialversicherungen (AHV und IV), die Suva, der Branchenverband Akustika sowie der Hörzentralen-Verband (HZV). Der aktuelle Tarifvertrag gilt bis Ende 2007. Das gesamte Abgabesystem soll überprüft und per 2008 eine neue Lösung gefunden werden.

Preise Der Vertrag regelt die Abgabe von Hörgeräten nach drei

Indikationsstufen; diese beruhen auf medizinischen Kriterien (einfache bis aufwendige Versorgung). Je nach Stufe sind die Hörgeräte unterschiedlich teuer: 600, 825 oder 1050 Fr. (exklusiv der Kosten für den Akustiker).

Krankenkassen Wer tief eingestuft wird, jedoch ein Gerät der höheren Indikationsstufe möchte, bezahlt die Differenz selber. In den seltenen Fällen, wo weder die AHV/IV noch die Suva bezahlt, übernehmen die Krankenkassen deren Beiträge.