An Händen und Schuhen erkennt man den Charakter eines Menschen, sagt Fritz Huwyler. Logisch, schreitet der Chef der gleichnamigen Schuhmacherei denn auch in eleganter, rahmengenähter Fussbekleidung durch sein Unternehmen.
Überflüssig eigentlich auch zu erwähnen, dass sein Blick im Gespräch rasch einmal zum Boden hin schweift, wo seines Gegenüber Füsse in profanen Turnschuhen stecken. «Aha, Sie werden auch bald Kunde von uns», lacht der 41-Jährige und verweist auf die Abteilung Orthopädie, eines von diversen Standbeinen der Birmensdorfer Schuhreparatur-Fabrik.
Sonderstellung in Europa
Das Familienunternehmen, 1958 von Fritz Huwyler senior am Zürcher Bellevue als Handwerksbetrieb installiert, bezeichnet sich aufgrund der Tatsache, dass die ganze Palette der mit der Schuhmacherkunst verbundenen Arbeiten aus einer Hand angeboten und ausgeführt wird, als «einzigartig in Europa». So werden im Fabrikgebäude vor den Toren Zürichs denn nicht nur die klassischen Reparaturen an Sohle und Schaft ausgeführt, sondern auch Schuhzurichtungen vorgenommen (zur Ausgleichung unterschiedlicher Beinlängen beispielsweise), Massexemplare angefertigt, lieb gewonnene Schuhe aufgefrischt, umgefärbt oder als so genannte Repliken detailgetreu nachgebildet. 300 Paar Schuhe gehen so durch die Hände der Huwyler-Schuhmacher und das pro Tag!
Über die Hälfte davon wird aus den eigenen Filialen angeliefert, mit denen Huwyler in Zürich, Basel, Bern und München vertreten ist, der Rest wird von renommierten Schuhherstellern wie etwa Navyboot, Hugo Boss, Kandahar, Church's oder Bally eingesandt.
«Die Schuhe kommen aus aller Herren Ländern zu uns», erklärt Fritz Huwyler und fügt an, «gerade mit Bally verbindet uns eine langjährige, exklusive Partnerschaft.» Allerdings: Die Zeiten, als der bekannte Schweizer Schuhproduzent bei Huwyler für volle Auftragsbücher gesorgt hat, sind mittlerweilen auch vorbei. «Waren wir vor 30 Jahren noch zu drei Vierteln mit Aufträgen aus Schönenwerd ausgelastet, so sind es heute noch gut 6%», rechnet Huwyler vor.
Der in den 70er Jahren eingeläutete Niedergang des einstigen Aushängeschilds der Schweizer Industrie hat auch in der Birmensdorfer Schuhfabrik zum Umdenken geführt. Mit dem Einstieg von Fritz Huwyler junior im Geschäft hat sich dieses vom Universalanbieter zum vielseitigen Spezialisten gewandelt, die Absatzkanäle wurden verzweigter.
«Unsere Kunden sind Leute, die den Wert eines guten Schuhes erkennen und bereit sind, dafür auch entsprechend Geld auszugeben», führt Huwyler aus, «bei einem Schuh, der weniger als 200 Fr. kostet, lohnt sich in der Regel eine Reparatur kaum mehr.»
Die Kosten dafür belaufen sich je nach Umfang der Arbeit am geschätzten Leder auf 20 bis 200 Fr.
Im ersten Stock des markanten Fabrikbaus an der Stallikonerstrasse rattert und klopft es, der Geruch von Leder, Leim, Farbe und Gummi liegt in der Luft. 25 Angestellte reparieren Absätze, bringen abgetragene Herrenmodelle wieder auf Vordermann, fertigen spezielle Exemplare nach Mass an.
Der Bestand an Ersatzteilen ist umfangreich, bis zu 25 Jahre lagern die einzelnen Teile, bevor sie endgültig entsorgt werden. Man kann ja nie wissen; bei fürsorglicher Pflege hält so eine Massanfertigung schliesslich ein halbes Leben.
Bankers Akribie
Im Lager präsentiert Fritz Huwyler die zahlreichen Leisten, die in Reih und Glied aufbewahrt werden. Die nach Vorlage des Kundenfusses hergestellten Modelle aus Holz seien des Kapital eines jeden Schuhmachers. Mit der entsprechenden Wertschätzung betrachtet er das hervorgeholte Exemplar.
«Schuster, bleib bei deinem Leisten das Sprichwort kommt nicht von ungefähr», bemerkt er dann und legt den Leisten wieder zurück an seinen Platz. Dass es Fabrikanten gibt, die solcherlei «Hardware» im Rahmen von Restrukturierungen einfach verbrennen, kann Huwyler nicht verstehen. Zu viele Informationen, zu viel gute Arbeit würde in einem solchen Modell stecken, als dass es den Tod auf dem Scheiterhaufen verdiene.
Die Billigimporte aus Asien haben indes dazu beigetragen, dass die Bedeutung der Massschuhe in den letzten Jahren abgenommen hat. Auf rund 10/00 schätzt Huwyler die Zahl derer, die sich heutzutage in der Schweiz einen Schuh nach Mass herstellen lassen und dafür schon mal 1500 Fr. hinblättern. Dabei handle es sich vor allem um Geschäftsherren und da primär um jene aus der Finanzwelt.
Um die Frage nach jener Spezies Mensch, die der Fussbekleidung die grösste Aufmerksamkeit zukommen lässt, beantworten zu können, muss Fritz Huwyler nicht lange überlegen: «Englische Banker, die haben Stil und pflegen ihre Schuhe noch mit Akribie.»
Der Mann im weissen Schuhmacher-Meisterkittel kennt seine Klientel bestens: Bis zu seinem Wechsel ins Familienunternehmen war Huwyler selber Banker und im Börsengeschäft tätig.
Bis zu 160000 km legt der Mensch im Laufe seines Lebens zu Fuss zurück, was etwa einer vierfachen Umrundung der Erde entspricht. Und da wir Zivilisationsfüssler diesen Megamarathon vorwiegend in Schuhen absolvieren, sollten wir diesen auch die entsprechende Aufmerksamkeit schenken.
Tun wir aber nicht. «In der Liste der Bekleidungsstücke rangiert der Schuh zuunterst, und das nicht nur von der Position her», bemängelt Fritz Huwyler. Mit Blick auf den Turnschuh (den salonfähig gewordenen wie den günstigen) verbindet der Schuhmacher der Nation zwei Erkenntnisse: 1. das Billigangebot im Schuhsektor wird immer grösser, und 2. Schweissfüsse in instabilen Tretern kurbeln das Geschäft mittel- bis langfristig trotzdem an. «Die Turnschuhgeneration wird früher oder später beim Orthopäden landen», ist sich Huwyler sicher. Um gewappnet zu sein, richtet er im Erdgeschoss zurzeit schon mal ein orthopädisches Fusszentrum ein.
Firmen-Profil
Name: F. Huwyler & Co., Stallikonerstrasse 58, 8903 Birmensdorf, Telefon 01 737 13 64
Gründung: 1958
Geschäftsleitung: Fritz Huwyler, Inhaber und Geschäftsführer
Umsatz: 2,5 Mio Fr.
Beschäftigte: 25
Tätigkeit: Reparatur und Auffrischung von Schuhen, Orthopädische Schuharbeiten, Massanfertigungen, Anfertigung von Repliken, Leder- und Satinfärberei
Filialen: Zürich, Basel, Bern, München
Kunden: Schuhfabrikanten wie Bally, Navyboot, Pasito, Hugo Boss oder Church's, Privatpersonen
Internet: www.huwyler.com