Als wir vor ein paar Tagen nachzählten, lagen 1,77 Millionen verschiedene Produkte in den virtuellen Regalen von Galaxus. Stimmt das so immer noch?
Florian Teuteberg: Das dürfte hinkommen. Als ich mir die Zahl vor ein paar Wochen das letzte Mal angeschaut habe, waren es noch 200 000 weniger. Unser Sortiment wächst zurzeit sehr schnell: Vor einem Jahr hatten wir noch etwas mehr als 700 000 Produkte im Angebot.

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Lego und Computer, Tierfutter, Vibratoren, Windeln, Klamotten: Ihr Online-Marktplatz scheint uferlos. Ausser Kampfjets und Rolex-Uhren steht fast alles in Ihrem virtuellen Gestell.
Stimmt. Ausser frischen Lebensmitteln findet man bei uns fast alles, was man im Leben braucht.

Im alltäglichen Leben. Aber im hochstehenderen Bereich schwächelt Galaxus.
Wir bieten in unserem Online-Warenhaus ein breites Marken- und Preisspektrum an – schliesslich wollen wir alle Geschmäcker und Einkommensklassen ansprechen. Wir sehen aber an vielen Enden und Ecken Raum für ein noch kompletteres Sortiment. Ganz neu gibt es bei uns deshalb auch einen Premium-Bereich: Dort bieten wir exklusivere Marken an.

Ein separates Premium-Online-Entrée?
Genau. Wie im stationären Handel haben Luxusmarken den Anspruch, sich in einem gesonderten Umfeld zu präsentieren – und nicht neben irgendeinem billigen Importartikel aus China. Und so schaffen wir nun online auch einen Bereich, wo die hochwertigen Marken unter sich sind.

Wen haben Sie auf die Bühne genommen?
Wir starten im Wohnbereich: Ganz neu präsentieren wir in unserem Premium-Segment Designmöbel von Teo Jakob. Wir starten mit 2000 Artikeln, zum Jahresende werden es gegen 10 000 sein. Dabei sind zum Beispiel Marken wie ClassiCon, Fritz Hansen, Thonet, Horgenglarus und viele weitere.

Designerstühle für 700, Luxusleuchten für 1100 Franken – passt das zu Galaxus?
Von der Markenpositionierung her sehen wir uns nicht als Discounter, sondern als hochwertiges Online-Warenhaus. Deshalb packen wir das Thema Premium nun auch in den Bereichen Mode, Schmuck und Kosmetik an. Unser Angebot ist qualitativ hochwertig – und preislich sind wir so attraktiv wie die Günstigsten im Markt.

Ihre Kunden wären also auch zu haben für Uhren von Rolex und Patek Philippe?
Die passende Zielgruppe haben wir, ja: Auf Galaxus shoppen viele kaufkräftige Doppelverdiener, die das Hochwertige suchen. Wenn Rolex anklopft, sind wir dabei.

Aber da war noch kein Klopfgeräusch.
Bis jetzt nicht.

Wenn Sie bis 10 000 Artikel von Teo Jakob aufnehmen – konkurrenzieren Sie damit nicht Teo Jakobs eigenen Online-Auftritt?
Nein. Wir sind der Online-Shop von Teo Jakob. Die Firma selber pflegt kein E-Commerce-Geschäft – das überlässt sie uns.

Konkurrenziert Galaxus mit Teo Jakob die Migros-Konzern-Schwester Interio?
Nein, aufgrund der unterschiedlichen Positionierung sehe ich da wenig Überlappung. Ganz im Gegenteil: Interio hätten wir gerne ebenfalls auf unserer Plattform.

Ist Teo Jakob jetzt exklusiv an Galaxus gebunden? Amazon- und Ricardo-Verbot?
Es gibt keine solchen vertraglichen Bedingungen, wir arbeiten ohne jegliche Exklusivität.

Galaxus wächst bezüglich Umsatz mit rund 20 Prozent jährlich. Da werden Sie 2018 erstmals die Milliardengrenze knacken. Wie wichtig ist das Überschreiten dieser Schwelle für das Unternehmen?
Die Milliarde wird uns 2018 voraussichtlich gelingen – da sind wir auf Kurs. Die nackte Zahl ist uns aber nicht so wichtig. Natürlich; wir sind stolz darauf, dass wir in einem kleinen Markt wie der Schweiz eine solche Grösse erreicht haben: In Europa gibt es nicht viele Unternehmen, die online eine Umsatzmilliarde erwirtschaften. Entscheidender als die Zahl ist für uns, dass wir die Geschwindigkeit halten: Es bringt nichts, wenn wir die Milliarde zwar erreichen, danach aber nur noch mit 2 bis 3 Prozent jährlich wachsen.

Florian_Teuteberg

Galaxus-Chef Florian Teuteberg: «Hätten wir 1999 Angst gehabt vor Media Markt, Interdiscount und M-Electronics, hätten wir nie starten dürfen.»

Quelle: Daniel auf der Mauer/13photo

Der stationäre Detailhandel wäre mit einem solchen Wachstum überglücklich. Was peilen denn Sie an?
Wir wollen weiterhin klar überproportional wachsen und unsere Führungsposition ausbauen.

Was heisst das in Zahlen?
Der Schweizer E-Commerce-Markt wuchs in den letzten Jahren im Schnitt um 10 Prozent. Überproportional heisst: klar mehr als das.

Stark zugenommen hat auch die Zahl der Galaxus-Angestellten, innerhalb eines Jahres von rund 850 auf über 1100. Wie stark bauen Sie weiter aus?
Wir haben in den letzten zwei Jahren viele Teams neu aufgebaut, bei teilweise noch kleinen Umsätzen in den jeweiligen Kategorien. Jetzt haben wir das Ziel, diese Bereiche zu skalieren. Bis Ende Jahr werden wohl noch etwa 200 Leute neu zur Firma stossen.

Inklusive des geplanten Markteintritts in Deutschland?
Dort bauen wir bis auf weiteres keine grosse Belegschaft auf: Bis Ende Jahr dürften in Deutschland etwa zwei Handvoll Leute für uns arbeiten.

Wann starten Sie in Deutschland?
Irgendwann in diesem Kalenderjahr.

Sie sind zwar ein Online-Warenhaus, aber Ihre Kunden holen rund 30 Prozent ihrer Einkäufe in einer der zehn Schweizer Galaxus-Filialen ab. Planen Sie für Deutschland auch stationäre Filialen?
Sicher nicht zum Start. Aber möglich ist grundsätzlich alles.

Ihre Konzernmutter Migros hat 290 Tegut-Supermärkte in Deutschland. Ist eine Zusammenarbeit mit diesem Netz geplant?
Die Tegut-Supermärkte wären als Abhol-Netzwerk denkbar. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir die Filialen zu Beginn als eine Art deutsche Variante des Schweizer Migros-Systems PickMup einbinden werden.

Galaxus wird in Deutschland auf sehr grosse Konkurrenz stossen – namentlich auf Amazon. Angst vor dem US-Giganten?
Natürlich ist Amazon ein wichtiger Wettbewerber. Aber Angst habe ich keine. Im Gegenteil, ich freue mich auf Amazon. Hätten wir 1999 Angst gehabt vor Media Markt, Interdiscount und M-Electronics, hätten wir nie starten dürfen. Dann gäbe es heute kein Digitec und kein Galaxus. Der Markt schien damals schon voll und gesättigt – und trotzdem stiegen wir ein. Weil wir fanden, dass das vorhandene Angebot nicht gut genug sei. Genau dieses Gefühl haben wir auch jetzt bezüglich des Online-Marktes in Deutschland. Das bestehende Angebot deckt die Kundenbedürfnisse nicht vollumfänglich ab.

Was wird Galaxus in Deutschland besser machen als Platzhirsch Amazon?
Es gibt eine Lücke für ein Premium-Online-Warenhaus. Also eine Plattform mit hochwertigem Look and Feel, die dem Kunden besser hilft, den gewünschten Artikel zu finden. Dabei helfen nebst unseren ausgefeilten Filtermöglichkeiten auch unsere Kunden – und natürlich unsere Redaktion, die mit Artikeln und Videos inspiriert und Produktwissen vermittelt.

Wie treten Sie preislich an gegen Amazon?
Wir werden gleich günstig sein wie unsere Konkurrenz – aber mit unserem hochwertigen Auftritt besser rüberkommen.

Werden Sie mit allen zwei Millionen Artikeln in Deutschland starten?
Zu Beginn wird es ein Teilbereich sein. Bezüglich Produktezahl kommt es vor allem darauf an, wie schnell wir die Angebote der deutschen Lieferanten auf die Plattform bringen können. Einen Einfluss auf den Deutschland-Start hat die Grösse des Angebots nicht. Sobald der Warenfluss funktioniert, gehen wir live, auch wenn es nur 5000 Produkte sein sollten.

Werden Sie von Anfang an flächendeckend live gehen in Deutschland?
Wir werden von Beginn weg das ganze Land bedienen.

Wie bringen Sie den Namen Galaxus in deutsche Köpfe rein?
Wir wollen wie damals bei der Gründung von Digitec einen gewissen Nukleus treffen, also an eine zu Beginn kleine Anzahl Kunden gelangen. Diese machen Galaxus dann per Mundpropaganda weiter bekannt – wobei das heute, anders als kurz nach der Jahrtausendwende, häufig auch via Social Media passiert. Wenn unser Konzept aufgeht, werden wir uns überlegen, wie wir an der gesamtdeutschen Bekanntheit schrauben können.

Hierzulande deutet alles darauf hin, dass Amazon bald ein sehr viel grösseres Sortiment liefern kann. Macht das Sorgen?
Wir haben uns seit Jahren auf den Moment vorbereitet, ab dem Amazon stärker präsent sein wird in der Schweiz. Da haben wir eine Menge an Szenarien durchgearbeitet. Am wahrscheinlichsten scheint derzeit, dass Amazon mit einem grösseren Sortiment schneller zu den Schweizer Kunden kommt. Sorgen macht uns das nicht.

Ein stärkeres Amazon könnte Ihr Ziel von überproportionalem Wachstum gefährden.
Wir sehen im Schweizer E-Commerce weiterhin einen stark wachsenden Markt. Am Schluss wird es ein paar wenigen Playern gelingen, am wachsenden E-Commerce-Markt zu partizipieren. Die grösseren Plattformen werden dabei gewinnen. Man darf nicht vergessen: Es gibt heute schon etliche Player, die stagnieren oder an Umsatz verlieren.

Oder solche, die schliessen. Wie laut war Ihr Freudengeheul, als Siroop aufgab?
Ich bin kein schadenfreudiger Mensch. Aber natürlich ist es gut für uns, wenn Konkurrenten verschwinden.

Hatten Sie erwartet, dass Coop so schnell den Stecker ziehen würde?
Nein. Ich hätte gedacht, dass sie länger durchhalten.

Überlegten Sie, Siroop zu übernehmen?
Nein. Aber wir prüfen gerade, ob wir ein paar Köpfe übernehmen.

Ist es denkbar, auf der Galaxus-Plattform Platz für Coop-Formate zu schaffen?
Coop-Content ist absolut denkbar auf Galaxus. Das würden wir sehr begrüssen.

Welcher Coop-Content würde passen? Bezüglich Premium-Push vielleicht Uhren- und Schmuckhändler Christ?
Christ wäre ein guter Beginn. Im Einrichtungsbereich könnten Lumimart und Toptip passen, dazu allenfalls auch Coop Bau+Hobby.

Was Amazon so stark macht, ist das Prime-Abo; diese Mischung aus Lieferpauschale und Loyalitätssystem hat allein in Deutschland 16 Millionen Kunden. Plant Galaxus ebenfalls ein solches Programm?
Natürlich überlegt sich jeder Händler, wie er seine Kunden loyaler machen kann oder sie regelmässiger in seinem Laden oder auf seiner Plattform hat. Aber alle solchen Programme haben immer auch eine Schattenseite: Man segmentiert seine Kunden. All jene, die dabei sind, fühlen sich gebauchpinselt, alle anderen aber kommen sich benachteiligt vor. Damit verbunden ist die Gefahr, dass einem jene den Rücken zukehren, die nicht im Club sind. Wir wollen ehrlich und fair sein zu all unseren Kunden.

Warum offeriert die Migros-Tochter Galaxus ihren Kunden keine Cumulus-Punkte?
Wir sind der Ansicht, dass es besser ist für die Kunden, wenn alle den bestmöglichen Preis ab Front bekommen, statt zuerst mehr zu zahlen und dann eine Rückvergütung zu bekommen.

Wie wichtig ist es, Gründer-Groove und Startup-Mindset zu behalten?
Innerhalb der Migros geniessen wir eine sehr hohe Autonomie. Aber tatsächlich ist es eine unserer grössten Herausforderungen, flexibel und innovativ zu bleiben.

Wie schaffen Sie das?
Einerseits müssen wir wissen, dass wir mit über tausend Mitarbeitern kein kleines Startup mehr sind. Auf der anderen Seite bleiben wir agil, wenn wir die Eigenverantwortung der Mitarbeiter stärken. Die Entscheidungen sollen dort gefällt werden, wo das Know-how ist und Herausforderungen auftauchen – und nicht in Gremien, die weit weg sind vom Geschehen. Dazu gehört auch, an der Basis und auf allen Ebenen den Mut zur Entscheidungsfreudigkeit zu fördern. Wer immer nur auf Nummer sicher gehen will, wird sich nie für etwas entscheiden können. Immerhin ist auch das Piratische einer unserer Firmenwerte: Wir entscheiden häufig und gerne frech, gegen den Mainstream.

Ist das Piratenschiff Galaxus rentabel unterwegs – oder legt die Migros drauf?
Zur Profitabilität sagen wir nichts.

Was ist wichtiger: Überproportionales Umsatzwachstum oder Rentabilität?
Man kann das eine nicht vom anderen trennen. Beides ist relevant. Aber je nach Phase kann man das eine stärker als das andere gewichten.

Kaufen Sie eigentlich auch mal offline ein?
Ich habe kürzlich einen Gutschein geschenkt bekommen. Da musste ich wieder einmal in einen Laden. Aber ansonsten kaufe ich eigentlich fast alles online ein.

Auch Lebensmittel?
Auch da schon vieles, ja. Und wenn das Angebot von LeShop noch besser wird, werde ich noch mehr online bestellen.

Sind Läden Mittelalter?
Aus meiner Sicht gibt es keine Gründe mehr, in einen Laden zu gehen. Aber weil das nicht alle Kunden gleich sehen und weil die Trägheit hoch ist, wird es wohl auch weiterhin Läden geben. Doch die Zahl jener, die sich praktisch zu 100 Prozent online eindecken, wird stark wachsen.

Florian_Teuteberg

Galaxus-Chef Florian Teuteberg mit «Handelszeitung»-Redaktor Andreas Güntert.

Quelle: Daniel auf der Mauer/13photo

Der Galaktische

Name: Florian Teuteberg

Funktion: Chef Digitec Galaxus

Alter: 39

Familie: verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung:

1999–2003: Maschinenbaustudium an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR), Abschluss als dipl. Ingenieur FH (Bachelor)

Karriere:

1998 Verkäufer Computerexpress

1999: Filialleiter Computerexpress

1999: Co-Gründer und Chef Digitec

seit 2015: Chef Digitec Galaxus

Nebenamtliches:

VR-Mitglied Leshop Stiftungsratsmitglied Schweizerische Gesellschaft für Marketing (GfM)

Schweizer Gigant

Start Florian Teuteberg war 21 Jahre jung, als er mit Oliver Herren und Marcel Dobler (heute FDP-Nationalrat) Digitec gründete. Aus dem kleinen, frechen Schweizer Elektronik-Versender wurde ein marktbestimmender Player. 2012 stieg die Migros bei der Firma ein. Heute hält der orange Riese 70 Prozent an Digitec Galaxus, wie die Firma seit 2014 heisst.

Deutschland Mit einem Umsatz von 861 Millionen Franken (2017) hat Digitec Galaxus einen Anteil von rund 10 Prozent am Schweizer Online-Geschäft. Im Elektronikgeschäft beträgt der Online-Marktanteil gar 40 Prozent. Obwohl Digitec Galaxus ein Online-Unternehmen ist, unterhält die Firma in der Schweiz zehn Abholfilialen. Die Firma plant 2018 den Markteintritt in Deutschland.

Top Five bei Galaxus

Die aktuell bestverkauften Produkte (seit Jahresbeginn 2018, Anzahl Stück)

1. Sofortbildfilm Fuji Instax Mini

2. Filter-Viererpack für Verdunster-Modell Oskar von Stadler Form

3. Monatsbox Premium-Windeln von Pampers (168 Stück)

4. 6er-Mega-Pack Nachfüllpackung (Zitronenduft) für Sangenic-Windeleimer

5. Basispaket Philips Hue-Lightstrips Plus

Top Five bei Digitec

Die aktuell bestverkauften Produkte (seit Jahresbeginn 2018, Anzahl Stück)

1. Entwicklungsboard Raspberry Pi 3 Model B (ARMv8)

2. Microsoft Office 365 Home (Deutsch, Mac OS X, Windows)

3. Kopfhörer und Headset AirPods von Apple

4. Netzwerk Media-Player Google Chromecast

5. Spielkonsole Nintendo Classic Mini

Andreas Güntert
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