Von der Concordia sieht und hört man nicht sehr viel. Warum geben Sie sich so scheu?

Rudolf Gilli:Eine gewisse Zurückhaltung ist durchaus beabsichtigt. Sie basiert auf einer Strategie, die wir schon vor Jahren aufgebaut haben: Sicherheit, Berechenbarkeit, Kontinuität.

Das würde Öffentlichkeitsarbeit aber nicht ausschliessen.

Gilli: Nein, aber wenn ich beobachte, wie es anderen Firmenchefs geht, die stark in der Öffentlichkeit auftreten, muss ich feststellen, dass diese Auftritte den Unternehmen durchaus nicht immer genützt haben. Ich glaube auch nicht, dass es zu den Kernaufgaben eines Krankenversicherers gehört, sich bevorzugt aus dem Fenster zu lehnen und ständig in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Wenn ich mir die heutige Versicherungs- und Bankenlandschaft anschaue, sehe ich, dass eine gewisse Bescheidenheit angebracht wäre.

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Für alle Zeiten?

Gilli: Es ist denkbar, dass man inskünftig etwas ändern könnte, aber wir sind bis jetzt gut damit gefahren. Die Ratings, die wir bekommen, signalisieren uns, dass wir es wohl nicht so falsch machen. Und inzwischen sind wir die Nummer drei im Markt.

Und trotzdem eine von aussen gesehen sehr ruhige Kasse.

Gilli:Ein Unternehmen mit über 600 000 Kunden, Milliardenausgaben und über 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu führen ist im heutigen Umfeld sehr schwierig geworden. Von Musse keine Spur. Es gibt heute nichts anderes mehr als den geraden Mittelweg.

Wie hoch werden die Prämien der Concordia nächstes Jahrsteigen?

Gilli: Die Grundversicherung wird um durchschnittlich knapp 9% steigen aber der Wert ist nicht sehr aussagekräftig, weil die Unterschiede zwischen den Kantonen erheblich sind. In der Spitalversicherung wird es eine Nullrunde geben.

Bei den Zusatzversicherungen sind Sie am Markt erfolgreich, aber in den Büchern finden sich nur 294 000 Fr. Gewinn. Gleichzeitig stehen Sie mit 18% Reserven und 30% Rückstellungen geradezu komfortabel da. Wie darf man das deuten?

Gilli:Es geht hier um Sicherheit für unsere Kunden, wie ich es vorher erwähnt habe. Wir wollen Alters-, Versicherungs- und Schwankungsrückstellungen in ausreichendem Masse bilden. Das geht natürlich zu Lasten des Ergebnisses.

Die entsprechenden Geschäftspläne werden jeweils vom Bundesamt für Privatversicherungen genehmigt. Diese Strategie erhält unsere Substanz. Zudem müssen wir als Verein keine Aktionäre bedienen und Dividenden zahlen. Wir können den letzten Franken wieder im Unternehmen investieren. Und das zu Gunsten unserer Versicherten.

Warum haben Sie nie für die Grundversicherung eine Nullrunde propagiert, wie das Ihre Konkurrentin CSS getan hat?

Gilli:Da bestanden halt unterschiedliche Ansichten. Das Gesundheitswesen ist eine komplexe Branche. Experimente sind in der Grundversicherung mit hohen Risiken verbunden. Unser Weg hat sich im Nachhinein als richtig erwiesen.

Bei Ihnen sind auffällig viele Vertreter des Gesundheitswesens versichert: Ärzte, medizinisches und pflegerisches Personal, Apotheker. Ergibt das nicht eine gefährliche Nähe?

Gilli:Dies hindert uns nicht daran, kritisch mit ihnen umzugehen. Aber man muss fair sein, denn billige Polemik bringt niemandem etwas.

Mit Managed Care in der Schweiz stimmt etwas nicht. Die guten Risiken Junge, Gesunde werden ohnehin kaum krank, und später wechseln sie in andere Modelle. Sie zahlen aber viel Geld in den Risikoausgleich. Ist das nicht frustrierend?

Gilli:Wir gehören zu den Pionieren im Managed Care. Von der finanziellen Belastung her ist Managed Care kein Problem: Die rund 8000 HMO-Versicherten decken mit der reduzierten Prämie die von ihnen verursachten Kosten. Auch die knapp 60 000 Versicherten im Hausarztmodell stellen kein Problem dar allerdings sind die Ergebnisse in den einzelnen Netzen unterschiedlich. Es geht uns aber nicht nur darum, Kosten zu sparen, sondern wir wollten Erfahrungen im System sammeln und etwas bewegen. Managed Care und HMO darf man nicht nur danach beurteilen, ob es rentabel ist. Man muss innerhalb des beschränkten Freiraums, den uns das Gesetz vorgibt, den Mut haben, etwas zu verändern. Im Managed Care arbeiten wir kostendeckend.

Also alles paletti?

Gilli: Was wir aber nicht zu Stande gebracht haben, ist, Chronischkranke zu einem Schritt in die HMO-Versicherung zu bewegen. Erst dann käme HMO richtig zum Tragen. Bei uns liegen die HMO-Versicherten aber immerhin im Schnitt aller Versicherten.

Mit 626 000 Versicherten ist die Concordia zu gross fürs Nischendasein und zu klein, um eine Marktmacht zu sein.

Gilli:Wenn Sie von Marktmacht was auch immer man darunter versteht sprechen, gebe ich Ihnen grundsätzlich Recht. Wir versuchten vor einigen Jahren zusammen mit anderen Versicherungen, den Leistungseinkauf zu bündeln. Aber die Strategien passten einfach nicht zusammen. Im Übrigen bilden auch Versicherungen mit über 1 Mio Versicherten auch keine wirkliche Einkaufsmacht.

Wichtig sind insbesondere die Marktanteile in den Regionen bzw. Kantonen. In der Zentralschweiz haben wir beispielsweise bis zu 30% Marktanteil, und damit lässt sich durchaus etwas erreichen. Ich betrachte unsere Grösse als ideal, und zu grosses Wachstum ist in unserer Branche sehr gefährlich.

Bis vor einem Jahr galten Sie als Übernahmekandidat für private Krankenversicherer, die über Ihr Grundversicherungsgeschäft zu neuen Kunden im Zusatzbereich kommen wollten. Wie ist der Stand der Dinge?

Gilli:Bei mir hat nie eine Privatversicherung die Türschwelle überschritten, um eine Fusion zu erreichen. Anfragen gab es nur für eine Zusammenarbeit, genauer gesagt beim Vertriebsnetz. Aber das ist auch schon Jahre her. Wir haben immer abgelehnt. Wir betreiben das Geschäft der Lebens- und Unfallversicherung mit eigenen Partnergesellschaften, und das läuft gut.

Stichwort Aufhebung des Kontrahierungszwangs: Wie sollen die Ärzte gemessen werden?

Gilli:Es kommt zunächst auf die Rahmenbedingungen an. Es darf nicht sein, dass aus dem Kontrahierungszwang ein Recht auf Vertrag wird. Deshalb befürtworte ich eine wettbewerbliche Lösung. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass allein die psychologische Wirkung Folgen haben wird.

Was heisst das konkret?

Gilli:In der Anfangsphase würden wir wohl mit 90% der Ärzte zusammenarbeiten. Und mit der Zeit würde sich eine bedarfsgerechte Ärzteschaft heranbilden. Dann können wir auch wirkungsvoll gegen schwarze Schafe vorgehen. Aber es ist undenkbar, dass die Concordia eines Tages einen Drittel der Ärzte nicht mehr unter Vertrag hätte.

Sie sind jetzt 64 Jahre alt. Wann werden Sie von Ihrem Amt zurücktreten?

Gilli:Ende Juni 2003 werde ich die operative Führung abgeben und in den Ruhestand treten.

Suchen Sie bereits einen Nachfolger?

Gilli:Der Verwaltungsrat ist daran, die Nachfolge zu regeln. Ich zweifle nicht daran, dass er eine gute Lösung finden wird, die eine Fortsetzung der Strategie sichert. Entscheide werden demnächst fallen.

STECKBRIEF

Name: Rudolf Gilli

Geboren: 17. Juni 1938

Wohnort: Kriens

Zivilstand: Verheiratet, zwei Töchter

Ausbildung: dipl. Bankkaufmann und Betriebsökonom (entspricht HWV)

Funktion: Vorsitzender der Geschäftsleitung der Concordia

SCHLAGWORTE

Konkordia-Concordia

«Das war kein Namenswechsel, sondern eine Vereinheitlichung. In der lateinischen Schweiz hiessen wir schon immer Concordia.»

Ärztestopp

«Die Übung ist leider völlig misslungen.»

Altersguillotine

«Wenn es schon zu viele Ärzte gibt, könnte man eine Altersgrenze diskutieren, um gut ausgebildeten jungen Ärzten eine Chance zu geben.»