Der seit 1990 weltweit stattfindende Strukturwandel beeinflusste alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sehr stark. Die Internationalisierung des gesamten wirtschaftlichen Sektors wirkt sich sowohl direkt auf die exportorientierten wie auch indirekt auf die binnenorientierten Unternehmungen aus. Die gleichzeitige Verlagerung von ganzen Industriebereichen in die mittelosteuropäischen EU-Mitgliedsländer oder nach Südostasien führt zusammen mit einem erheblichen Arbeitsplatzabbau auch zu leer stehenden Fabrikations-, Lager- und Büroflächen.
Entwicklung bei Ruag und Post
Ähnliche Entwicklungen sind auch bei den ehemaligen Betrieben der öffentlichen Hand wie der Ruag oder der Post zu beobachten. Diese sind heute als spezialgesetzliche Aktiengesellschaften oder selbstständige Anstalten mit Leistungsaufträgen und Ertragsvorgaben tätig und sind ebenfalls mit dem Abbau von Arbeitsplätzen und den damit verbundenen Leerständen konfrontiert. Bei sich schnell wandelnden Märkten und höheren Renditeerwartungen bekommt die Bewirtschaftung des Immobilienbestandes einen neuen Stellenwert. Unabhängig, ob es sich um privatwirtschaftliche Unternehmen oder einen öffentlichen Betrieb handelt, muss heute das Aktivum Immobilie mittels Aufbau und Anwendung eines geeigneten Portfolio- bzw. Flächenmanagements gesteuert werden.
Portfoliomanagement
Das Ziel des Immobilien-Portfoliomanagements muss sein, den Eigentümern respektive Kapitalgebern Auskunft über ihre Investitionen geben zu können. Dabei stehen die angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals, das Wachstum der operativen Rendite (Mieterträge) sowie der Wertzuwachs der Immobilie im Vordergrund (positive Gesamtrendite).
Für das verantwortliche Management stellt sich das Problem, dass ohne aktuelle Immobiliendaten eine Gesamtsteuerung des Immobilienbestandes nicht möglich ist, also quasi ein Blindflug stattfindet. Bei Bestandesimmobilien von Unternehmungen wird eine optimale Immobilienbewirtschaftung oftmals dadurch erschwert, dass die Performanceziele des Immobilienbestandes anderen wirtschaftlichen oder sozialen Firmenzielen hintangestellt werden und so das Umsetzen einer kohärenten Immobilienstrategie und deren Messbarkeit betreffend Erfolg oder Misserfolg erschweren.
Ansatz und Entwicklung
Basierend auf der Portfoliotheorie von Harry Markowitz aus dem Jahr 1952 (Rendite-Risiko-Verhältnis) sowie gestützt auf das vom amerikanischen Beratungsunternehmen Boston Consulting Group entwickelte Vier-Felder-Portfolio (Portfolio-Matrix), wurden für die Immobilienwirtschaft adaptierte Modelle und Instrumente entwickelt, um einen gegebenen Immobilienbestand effektiv steuern und bewirtschaften zu können.
Diesbezüglich fand in den vergangenen Jahren eine Professionalisierung in der Immobilienbewirtschaftung statt. Viele neue Fachbegriffe wie Real Estate Management, Corporate bzw. Public Real Estate Management oder die Bewertung nach der Discounted-Cashflow-Methode fanden Eingang in den immobilienwirtschaftlichen Sprachgebrauch.
Doch mit diesen Begriffen allein kann nicht gewährleistet werden, dass im Arbeitsalltag die Ziele eines gesamtheitlichen Portfoliomanagements angewendet oder umgesetzt werden. Die zunehmende Komplexität im Geschäftsalltag sowie die Tendenz zur Spezialisierung verhindern oftmals eine aggregierte, gesamtheitliche Portfoliosicht und eine strategische Steuerung des Immobilienbestandes.
Ausgehend von einem bestehenden Immobilienportfolio, wird in einer ersten Phase das Portfolioresearch oder die -analyse durchgeführt. Dazu müssen die vorhandenen Liegenschaftsdaten (elektronisch) aufbereitet werden. Die Performance des Einzelobjekts wird sowohl mit dem Markt als auch mit dem Portfolio selber verglichen.
Um mit zukunftsgerichteten Informationen zu arbeiten, wird empfohlen, die Bewertung des Immobilienbestandes anhand der Discounted-Cashflow-Methode vorzunehmen. Zudem sind Daten über Standortfaktoren auf Makro- und Mikroebene sowie nachfragebestimmende Faktoren wie demografische und konjunkturelle Entwicklungen oder die relative Preisentwicklung zu berücksichtigen und in die Analyse mit einzubeziehen.
Anhand dieser Daten kann dann das Portfolio einem Objekt- und Marktrating unterzogen werden, welches die wertbildenden und die wertverzehrenden Gebäude erkenntlich macht. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse werden im Rahmen der strategischen Segmentierung Erfolgspositionen aufgebaut, die sich an den Zielen und Renditeerwartungen des Grundeigentümers ausrichten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur mit der Strategieumsetzung das bestehende Ist-Portfolio zum gewünschten Ziel-Portfolio entwickelt werden kann. Je nach Gruppenzuteilung der Liegenschaften können dann Investitions- und Wachstumsstrategien sowie Abschöpfungs- und Devestitionsstrategien realisiert werden.
Um Eigentümern und Investoren ein realistisches aktuelles Bild des Immobilienportfolios darstellen zu können, kommt dem periodischen Reporting eine zentrale Bedeutung zu. Die Performance muss transparent und messbar aufgezeigt werden. Erfolge und Misserfolge sind entsprechend zu analysieren. Das Resultat ist anhand einer Matrix so aufzubereiten, dass die Objekt- und die Marktattraktivität bzw. die Chancen und Risiken des Portfolios visualisiert und deutlich sichtbar werden. Dazu wird empfohlen, mit entsprechenden Grafiken und Charts zu arbeiten.
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Stefan Liechti, Architekt FH, Projektmanager Immobilienentwicklung, Batigroup Generalunternehmung, Bern; Simon Flückiger, Immobilientreuhänder, stv. Leiter, Bereich Immobilienmarkt, Liegenschaftsverwaltung Stadt Bern.
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Fakten: So profitiert man vom Portfoliomanagement
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Gesamtüberblick
Das Immobilien-Portfoliomanagement sollte als strategisches Planungsinstrument eingesetzt werden, um einen gegebenen Immobilienbestand effektiv steuern zu können. Gleichzeitig muss es einen konzeptionellen Gesamtüberblick verschaffen und als Bewertungs- und Analysesystem dienen.
Nachvollziehbarkeit
Mit dem Einsatz eines Portfolio-Managements werden Entscheidungen für Dritte nachvollzieh- und messbar. Dazu werden entsprechende Immobilienbenchmarks angewendet, welche Entwicklungen und Veränderungen innerhalb eines gegebenen Zeitraumes quantifizierbar machen.
Öffentlich und privat
Das Immobilien-Portfoliomanagement ist nicht nur eine Anwendung der Privatwirtschaft. Immobilienbewirtschaftung, Flächenmanagement sowie Nutzungsoptimierung werden vom Steuerzahler auch im Bestand der öffentlichen Hand und ihren ausgelagerten Betrieben verlangt.
Fundierte Daten
Auch wenn Zielsetzungen und Aufgaben von der öffentlichen Hand oft anders formuliert sind, können Immobilienentscheidungen längerfristig nur dann Bestand haben, wenn diese auf fundierten Daten
und Immobilienstrategien basieren.