In der Krise stechen kleine Shoppingcenter die grossen aus

Gratisparkplätze, 250 an der Zahl. Ein grosser Spar-Supermarkt gleich am Eingang, dazu ein schwach mondäner Mix aus Mode, Möbeln und Mobilfunk: Der Lenzopark gehört unter den 191 Schweizer Shoppingcentern zu jener Sorte, die selten gerühmt, gelobt und besungen wird. Im Pandemiejahr 2020 war das Einkaufszentrum im aargauischen Staufen bei Lenzburg Teil einer noch selteneren Gattung: Es gehörte zu jenen Shoppingcentern, die erfolgreich über die Runden kamen: «Wir hatten im Lenzopark 2020 beim Umsatz ein Plus von 14 Prozent gegenüber 2019», berichtet Thomas Neuhoff, Geschäftsführer von Centerio. Das Zuger Unternehmen ist im Centermanagement für kleinere und mittelgrosse Schweizer Einkaufszentren tätig und zählt auch den Lenzopark zu seinem Portfolio. Supermarkt als Shoppingcenter-HeldEin Umsatzplus im Pandemiejahr – eine seltene Erscheinung. Denn in aller Regel haben die Einkaufszentren stark unter der zeitweiligen Schliessung der Non-Food-Läden, unter eingeschränkter Mobilität und einer verbreiteten Angst vor Menschenansammlungen gelitten. Das habe hart auf die Zahlen durchgeschlagen, sagt Marcel Stoffel, Gründer und Geschäftsführer des Swiss Council of Shopping Places. Seine Rechnung zum Pandemiejahr 2020: «Der Umsatzrückgang aller 191 Schweizer Shoppingcenter betrug rund 6 Prozent, was einem verlorenen Umsatzvolumen von 1 Milliarde Franken entspricht.» Small war im Jahr 2020 offenbar beautiful, bestätigt Stoffel, der nächste Woche den Swiss Council Congress in Zürich ausrichten wird: «Kleinere Center mit Nahversorgerfunktion und hohem Supermarkt- und Discounteranteil haben deutlich weniger stark gelitten.» In dieser Art charakterisiert auch Thomas Neuhoff von Centerio den Schütteljahrgang 2020: «Die Umsatzeinbrüche sind in unseren Objekten weniger stark ausgefallen als bei grösseren Einkaufszentren.» Während der langen Zeit der geschlossenen Grenzen fiel der verbreitete Auslandeinkauf weg. Wer im Auto unterwegs war, steuerte ein nahes Einkaufszentrum an, freute sich über freie Plätze im Parking und schlug im Supermarkt des Shoppingcenters zu. Heimkonsum war Trumpf, schliesslich waren auch die Restaurants lange Zeit geschlossen. Neuhoff: «In vielen Fällen konnten Supermärkte das Minus der Mode- und Schuhbranche kompensieren oder sogar überkompensieren.» Grosse Einkaufszentren leben meist davon, dass die Kundinnen und Kunden lange im Haus verweilen, sich in einem der zahlreichen Restaurants stärken und dann die Shoppingtour fortsetzen Das ist 2020 weggefallen: «Die Gesamtfrequenz lag 10 bis 15 Prozent unter derjenigen von 2019», sagt Rageth Clavadetscher, Geschäftsleiter des Glatt, des grössten Konsumtempels des Landes, der 2020 von der Migros an Swiss Life verkauft worden ist. Wenn die Kunden und Kundinnen in jenem Jahr aber ins Glatt kamen, kauften sie gezielter und oft mehr ein als im Vorjahr: «Die Warenkörbe der Konsumenten fielen teilweise deutlich höher aus», hat Clavadetscher beobachtet, «aber natürlich konnte das einen Umsatzrückgang übers ganze Center hinweg nicht verhindern.» Einkaufszentren: Grenzgebietlage von Vorteil2020 seien Branchenmix, Positionierung und Lage entscheidend gewesen, sagt Roland Jungo, Direktor Shopping Center Management bei Maus Frères. Neun Schweizer Einkaufszentren sind im Maus-Portfolio. Jungo teilt die gesamte Schweizer Shoppingcenterszene 2020 in zwei prototypische Player auf: Mühe gehabt hätten grosse Center in Citylage mit weitem Einzugsgebiet, kleinem Foodanteil und Kundinnen und Kunden, die vor allem mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisten. Das optimale Schweizer Einkaufszentrum sah gemäss Jungo 2020 so aus: «Hoher Foodanteil, gute Angebote aus Baumarkt und Sport, Lage im Grenzgebiet.» Letzteres, zuvor stets ein Nachteil, verkehrte sich 2020 zum Vorteil, weil die Grenzen lange Zeit für Einkaufstouristen nicht passierbar waren. Zwar sind die Grenzen nun wieder offen, doch mit den gelockerten Vorschriften in der Schweiz wittern auch die Shoppingcentermoguln wieder Morgenluft. Im Glatt habe der Geschäftsgang angezogen, sagt Clavadetscher: «In den Monaten März und April lagen wir bezüglich Umsatz wieder auf der Höhe von 2019.» Tierversorger bei den GewinnernEine Frequenzsteigerung sei aktuell nicht das prioritäre Thema: «Wir haben unsere Marketingklaviatur um das Thema ‹Safe-Shopping› ergänzt, die Kunden schätzen es seit Corona mehr, mit dem Auto zu uns zu kommen und Sicherheit beim Thema Abstand zu haben.» Einige Tendenzen von 2020 wie etwa Social Distancing werden wohl im Einkaufszenterbusiness noch anhalten, andere aber zeigten sich als Sonderfaktoren eines Jahres, das für einmal den kleinen Centern Vorteile brachte. Etwa dem Wagi Shopping in Schlieren, das neben dem Lenzopark ebenfalls zum Portfolio von Centerio zählt: «Hier kam es zu einem Umsatzplus von 7 Prozent gegenüber Vorjahr», berichtet Centerio-Chef Neuhoff. Das Schlieremer Center hatte einen besonderen Pandemiegewinner im Haus – eine Fressnapf-Filiale: «Tiere wurden wohl im Homeoffice auch besser umsorgt als in anderen Jahren.»